Die Legenden von Noröm

  • Der Text bis Post Nummer 46 als pdf: Noröm Legende Teil 1 & 2


    Als Kind hat mir meine Mutter abends immer die Geschichten unserer Vorfahren erzählt, von der Geschichte unseres Landes. Damals war ich noch auf Noröm. Später, als ich dann auf Noröm auf Wanderschaft war, habe ich die Geschichten manchmal etwas anders gehört, um einige Details ergänzt oder aus einer anderen Perspektive. Frauen sind andere Dinge wichtig als Männern, zum Beispiel.


    Jetzt sind wir alle auf Simkea und werden vermutlich nie wieder nach Noröm zurückkehren. Aber ich möchte die Geschichten unserer Vorfahren erhalten, damit wir unser Wurzeln nicht vergessen und die Kinder, die hier auf Simkea geboren werden verstehen, was das Privileg unserer Gemeinschaft ausmacht.


    Deswegen möchte ich versuchen, die Geschichte von Artemor und Isedor möglichst so detailgenau aufschreiben, dass alle Geschichten, die ich über die beiden gehört habe, auch enthalten sind. Ich muss mich dabei auf mein Gedächtnis verlassen, deswegen bitte ich Euch nachzusehen, wenn etwas fehlen sollte oder etwas anders ist als in der version, die Euch vielleicht geläufig sein sollte.


    Und beginnen werde ich beim König vor den beiden, König Dowegor...

  • König Dowegors heiratete seine erste Frau in jungen Jahren.


    Sie war die Tochter des Barons von Grottenau, dem Schatzmeister des Landes und damit nach dem König einer der wichtiges Männer des Landes. Sie war nicht die schönste Frau im Lande, aber durchaus nett anzusehen. Ansonsten wusste das Volk wenig über sie, denn der Baron hatte sie nicht bei Hofe sondern in Grottenau aufwachsen lassen. Es war eine schlaue staatsmännische Heirat, denn so hatte der Schatzmeister mehr als einen Grund, gut auf das Geld des Königs aufzupassen, da es nun auch das Erbe seiner Enkel werden würde.


    Doch das private Glück blieb aus. Es gab keine Sympathie zwischen dem König und der Königin und sie wurde nicht schwanger. Der König wurde immer barscher mit seiner Frau und sie behandelte viele der Burgangestellten mit Gemeinheit und Tücke, um ihren Frust loszuwerden. Dies ging einige Jahre bis plötzlich im fünften Jahr der Schatzmeister erkrankte.


    Beide, der König und seine Frau Gemahlin waren in tiefer Sorge in ihrer Zuneigung zu diesem Mann. Während er gepflegt wurde, sah es so aus, als würden die beiden im geteilten Leid näher zusammenrücken, und das Volk, das ob des Geizes der Barons nicht zu viel traurige Gedanken über seine Krankheit hegte, atmete auf. Endlich waren die beiden ein richtiges Paar. Trotz der intensiven Pflege endete das Siechtum des Barons nach einem Jahr mit dessen Tod. Der König ordnete zwei Wochen Staatstrauer an und ließ ein großes Begräbnis für den Vater seiner Frau ausrichten.


    Da er aber seinen Schwager (der neue Baron von Grottenau) für nicht geeignet hielt, in die Fußstapfen seines Vaters als Schatzmeister des gesamten Landes zu treten, ernannte er nicht diesen sondern den Magier Soldomar, der zuvor der Stellvertreter des Barons war, zum neuen Schatzmeister. Das erboste die Königin enorm, da sie diese Tat als massiven Affront gegen ihre Familie sah und so waren der König und die Königin keinen Monat nach dem Tod des alten Schatzmeisters wieder entzweit. Und noch immer war die Königin nicht schwanger.


    Das Gesinde auf der Burg litt stark unter den Wutanfällen der Königin. Keiner konnte es ihr recht machen und Diener wurden für kleine Verfehlungen mit großen Strafen belegt. Es brodelte unter der Oberfläche, keiner hatte mehr ein gutes Wort für die Herrscherin des Landes übrig. So war es dann auch nicht verwunderlich, dass die Magd, die eines Tages beobachtete, wie ein Minnesänger die Königin im Garten heimlich aber durchaus innig auf den Mund küsste, sofort mit diesem Wissen zum König lief.


    Der König kochte vor Wut und ließ sofort seine Frau und vor allem der Sänger vor seinen Tron bringen. Als dieser die scharfen Schwerter der Leibwächter des Königs sah, rutschte sein Herz in die Hose und gestand, dass er tatsächlich die Königin geküsst habe, aber nicht mehr. Doch dem König war das schon zu viel. Seine Frau schenkte ihm keine Aufmerksamkeit aber küsste dahergelaufene Troubartoure. Wahrscheinlich war das nicht der erste Mann, mit dem sie ihn betrog. Hier musste ein Exempel statuiert werden!


    Ohne jegliches Maß in seiner privaten Wut ließ er die beiden zusammenketten. Sie könnten jetzt noch eine Liebesnacht im Burgverlies haben, aber am nächsten Tag sollten sie beide öffentlich exekutiert werden, damit das ganze Volk sehe, dass er alle gleich behandle und dass es auch die Königin nicht vor der Strafe rette, wenn sie Ehebruch beging. Die Menschen auf der Burg waren etwas geschockt, aber sie hatten so unter der Königin gelitten, dass sie auch nicht vollständig Mitleid mit dieser furchtbaren Strafe haben konnten.


    Und tatsächlich besann sich der König nicht bis zum Morgen, sondern beobachtete steif vom Balkon der Burg und im Beisein des gesammten neugierigen Burggesindes wie der Scharfrichter am folgenden Vormittag den Befehl ausführte. Und so wurde der König Dowegor das erste Mal Witwer.

  • Nach dem Tod seiner Frau wurde König Dowegor sehr einsilbig und zurückgezogen. Der neue Schatzmeister Soldomar, der ab und an abends mit ihm Schach spielte, fing an, sich Sorgen zu machen. Es gab Momente im Spiel, da schaute der König eine Viertelstunde schweigend auf die Königin und wenn man ihn dann fragte, ob er sich schon einen Zug überlegt hätte, schüttelt er frustriert den Kopf. Ein anderes Mal brach er mitten im Spiel ohne wirklich erkennbaren Grund ab und schickte Soldomar weg.


    So konnte es auf keinen Fall weiter gehen. Zum Glück war die Winterzeit schon fast vorbei und so schlug Soldomar vor, dass der König doch über den Sommer eine Reise durchs Land machen solle, um sich über den Zustand seines Reiches einen guten Eindruck machen zu können. Der König aber war nicht recht überzeugt, da er befürchtete, dass dann zu viel in seiner Hauptstadt liegen bleiben würde.


    Darauf schlug Soldomar vor, dass sein Bruder Rasim, der auch Magier war, den König bei seiner Reise begleiten solle, während Soldomar in der Hauptstadt zurückbliebe. Auf Grund der engen Verwandschaft und ihrer Fähigkeiten, war es den beiden möglich, sich per Gedanken zu verständigen. So könne der König quasi täglich alle Neuigkeiten erfahren und bei Bedarf entsprechende Anweisungen geben, was getan werden solle, wenn es größere Probleme in der Hauptstadt geben sollte.


    Immer noch nicht so recht von der Idee überzeugt, aber offensichtlich zu antriebslos, um dem energischen Schatzmeister zu wiedersprechen, stimmte der König nach einigem Bohren zu, diese Reise in Angriff zu nehmen. Damit auch alles gut funktionieren würde, nahm Sodomar die Planung in die Hand.


    Die Reise würde kreuz und quer durch ganz Noröm gehen. Möglichst jeder Adlige sollte die Möglichkeit bekommen, den König zu beherbergen, allerdings sollte die Reisegesellschaft nirgends lange bleiben, damit keiner an dieser Beherbergung an den Bettelstab getrieben wurde. Jeder sollte sich einbezogen fühlen und möglichst niemand benachteiligt.


    Ebenfalls musste sorgfältig entschieden werden, wer den König begleiten sollte. Wäre die Gruppe zu groß, wäre die ganze Reise logistisch zu schwierig abzuwickeln und würde auch allzu langsam voran gehen. Auf der anderen Seite durfte die Gruppe nicht zu klein sein. Dem König durfte es an nichts fehlen und auch sein Schutz musste jederzeit gewährt werden. Außerdem durfte es nicht so aussehen, als könne sich der König keine größere Gefolgschaft leisten. Am Schluss entschied Sodomar, dass 77 handverlesene Männer den König begleiten sollten, überwiegend zusammengesetzt aus der Leibgarde und Lakeien, sowie einigen Beratern, wie zum Beispiel seinem Bruder Rasim. Das einzige, was dem Zug nicht angehörte, waren Sänger, da Sodomar keine peinlichen Momente verursachen oder ungute Erinnerungen heraufbeschwören wollte.


    Nach all diesen ausgefeilten Planungen, machte sich dieser Tross dann tatsächlich nach dem Frühlingsfest, welches in der Hauptstadt gefeiert wurde, auf, das gesamte Land zu bereisen. Sodemar stand auf den Zinnen der Burg und hoffte, dass sie die erhoffte Wirkung habe und den König wieder wachrüttelte.

  • Und tatsächlich, während der König die ersten Tage genauso apatisch war wie noch auf der Burg, änderte sich das während der Reise. Da der König seit mehreren Jahren nicht mehr viel gereist war, wurde sein Erscheinen überall im Land mit großer Freude erwartet. Das einfache Bauernvolk kam meist nie über den nächsten Marktplatz hinaus, da war es selbstverständlich eine sehr große Ehre, dass der König durch ihr Dorf reiste. Das von Sodemar ersonnene Protokoll sah es vor, dass der König in jedem größeren Dorf zumindest für eine Stunde pausierte, um sich die Lage vor Ort von einem der Dorfältesten erklären zu lassen. So sahen die Menschen ihren König von Nahem und der König merkte, wie sehr seine führende Hand überall im Land gebraucht wurde.


    Die Übernachtungen waren im Wesentlichen bei den Adligen des Landes vorgesehen, allerdings wurden sowohl die kleineren Landgüter als auch die größeren Burgen besucht. In diesen machte man meist ein paar Tage Station, es wurde ein Gerichtstag gehalten, dem der König persönlich vorstand und meist auch ein Feiertag, bei dem man entweder gemeinsam auf die Jagd ging oder die Recken des Königs in einem kleinen Turnir gegen die lokalen Soldaten antrat.


    Abends gab es großzügiges Festessen. Alle Adligen wussten, dass der König wieder ledig war und so setzten sie ihre Töchter oder unverheirateten Schwestern gern als Tischunterhaltung in die Nähe von Dowegor. Gleichzeitig wussten sie um die genauen Umstäde des Todes der Königin und so achtete man darauf, dass die Gesellschaften nicht zu frivol verliefen und es keine Ausschweifungen gab, um sich nicht den Zorn des Königs zuzuziehen.


    Schon nach vier Wochen der Reise war der König wie ausgewechselt. Es spornte ihn an, sein Reich zu sehen und sich mit den Alltagsproblemen seines Volkes auseinander zu setzen. Wenn er ein besonders kniffligen Fall an einem Gerichtstag zufriedenstellend hatte lösen können, dann scherzte er zuweilen sogar mit der Dame, die ihm abends als Tischnachbarin gestezt wurde.


    Auch in der Hauptstadt lief alles zum besten und mit Hilfe von Rasim und Soldemar hatte der König auch nie das Gefühl, das es dort irgendwelche größeren Probleme gab. So verlief die Reise zunehmend angenehm und je mehr der König auftaute, desto positiver waren auch die Reaktionen, die dem königlichen Tross entgegen gebracht wurden.


    Als der König schon den größten Teil des Landes bereit hatte, kam er in den Wald von Nasadh. Dieser Teil des Reiches war weniger dicht besiedelt und so reiste die Gesellschaft zwei Tage, ohne auf größere Ansiedlungen zu treffen. Um so glücklicher war man, als am Ende des dritten Tages die Burg der Baronie Nasadh in Sicht kam. Müde und erschöpft ritten die Abordnung über die Zugbrücke der Burg, die sofort herunter gelassen worden war als sie in Rufweite kamen.


    Weil er etwas aus dem Augenwinkel wahrnahm, schaute der König zum Burgturm hinauf. Dort oben stand eine junge Frau am Fenster und schaute auf ihn hinab. Wären sie nicht so weit voneinander entfernt gewesen, dann hätte Dowegor schwören können, dass sie sich gegenseitig genau in die Augen geschaut hätten. Der König war sofort fasziniert, auch wenn er -hätte jemand ihn gefragt- nicht sagen vermochte, warum.


    Wer wohl diese Frau war?

  • Der König begrüßte den Burgherren, seine Lady und dessen erwachenen Sohn und diese ihn. Gleich nach der Begrüßung fragte Dowegor nach der jungen Frau im Turm. Verwundert horchte Rasim auf. Das war so gar nicht die Art des Königs, so unverblümt nach einer Frau zu fragen. Die Hausherrin antwortete, dass es sich vermutlich um ihre Adoptivtochter gehandelt hätte. Sie sei normalerweise etwas menschenscheu und deswegen wäre sie nicht mit in der Halle für die Begrüßung. Man sah der Lady an, dass sie etwas peinlich berührt war, ob dieser Erklärung.


    "Adoptivtochter?", hakte der König nach. "Ja" antwortete nun der Burgherr selbst, "nach meinem Sohn hier, konnte meine Frau keine lebenden Kinder mehr gebären... Sie war deshalb untröstlich und konnte nachts oft nicht schlafen". Die Dame an seiner Seite schaute betreten nach unten. "Deswegen spatzierte sie oft nachts von einer Wache begleitet über die Wehrgänge der Burg, um auf andere Gedanken zu kommen. Eines Nachts hörte sie leise wimmernde Geräusche unterhalb des Tores. Ihre Neugier war geweckt, sie dachte, dass vielleicht ein verletztes Reh dort unten Hilfe benötigte. Über die Abwechslung dankbar, lies sie das Tor öffnen, auch wenn das den Wachen nicht wirklich gefiel. Vor dem Tor war allerdings kein verletztes Tier sondern ein kleines Baby in einem Weidenkorb. Meine Frau sah es als Zeichen der Götter, da das Kind in einer ihrer schlaflosen Nächte zu ihr gekommen war. Deswegen nahmen wir sie an Kindes statt an. Ihr Name ist Aglirië. Dieser Name stand auf einem Halsband, das das Baby trug."


    Als hätte sie gehört, das über sie gesprochen wurde, betrat Aglirië den Raum. Sie hatte sehr langes mahagoniefarbenes Haar, welches wundervoll geflochten an ihrem Rücken herunterfiel, sehr helle Haut und blasgrüne Augen. In gleichem Farbton trug sie ein Kleid. Sie war sehr schlank und wirkte fast zerbrechlich. Sie knickste vor dem König und hielt dem Dowegor die Hand hin. Er nahm sie sofort und drückte ihr einen Kuss auf. Aglirië errötete.


    Jeder im Raum konnte erkennen, dass die beiden sich extrem zueinander hingzogen fühlten. Rasim machte unauffällig einen kleinen Bannzauber, um sicher zu stellen, dass hier keine äußere Magie im Spiel war. Es wäre sehr gefährlich, wenn irgendein Magier versuchen würde, den König mit Liebeszaubern an eine Frau binden wollte. Er atmete erleichtert auf als er nichts dergleichen wahrnehmen konnte. Er berichtet umgehend Soldomar von dieser überraschenden Wende der Reise und dieser trug Rasim auf, ihn informiert zu halten.


    Nur widerwillig ließ der König die Hand des Mädchens los und wandte sich wieder dem Burgherren zu. Abends wurde Aglirië neben den König gesetzt und dieser war der aufmerksamste Tischnachbar, den ein Mädchen je gehabt hatte. Zu Rasim sagte er, so verscht beiläufig wie möglich, ob es nicht eine gute Idee wäre, ein paar Tage länger im Wald zu bleiben und das Sommerfest mit den Leuten der Burg zu feiern. Rasim konnte sich ein Lächeln nur schwer verkneifen und stimmte ihm großherzig zu, dass dies auf jeden Fall eine hervorragende Idee sei.

  • In den darauffolgenden Tagen verliebte sich der König mehr und mehr in Aglirië und die sonst so scheue junge Frau in ihn. So war es dann auch kein Wunder, dass der König nach Ablauf der Woche, die er im Wald von Nasadh verbracht hatte, den Burgherren um die Hand seiner Tochter Aglirië bat. Dieser willigte sofort ein, denn auch er hatte die gegenseitige Zuneigung nicht übersehen können.


    Die Hochzeit wurde auf den Herbst geplant. Der König wollte seine Reise nicht sofort abbrechen, weil das für eine schlechte Stimmung im Rest des Landes geführt hätte. Außerdem musste eine solche Königshochzeit ja auch vorbereitet werden. Über Rasim wurde Soldomar informiert, dass dieser entsprechende Einladungen in das ganze Land verschicken sollte und viele der Formalitäten vorbereiten sollte, die für eine Hochzeit notwendig wären.


    So brach der König glücklich auf, um seine Reise fortzuführen. Rasim sorgte bei den nächsten Abendveranstaltungen diskret dafür, dass keine jungen und ledigen Frauen an die Seite des Königs gesetzt wurden und als die offizielle Meldung durch das Land ging, versuchte es dann auch keiner mehr. Tatsächlich waren viele der Adligen im Land enttäuscht, dass nicht ihre Tochter oder Verwandte die neue Königin wurde. Und wer waren die schon im Wald von Nasadh? War eine solche Frau überhaupt standesgemäß?


    Niemand sagte es natürlich dem König ins Gesicht und in der Tiefe ihres Herzens atmete die ein oder andere Mutter sogar auf, denn sie wussten, dass ihre Töchter nicht immer so treu waren. Nach dem Tod der ersten Königin war klar, dass es bei einer neuen Hochzeit kein pardon für irgendwelche Abwege geben würde. So wurden diese Mädchen vielleicht nicht Königin, aber vielleicht auch nicht enthauptet.


    Der Köing beendete seine Reise, die alles in allem deutlich erfolgreicher war als selbst Soldomar es sich zu Beginn hätte träumen lassen und schon bald darauf läuteten die Hochzeitsglocken. Es war eine wunderschöne Hochzeit. Im Gegensatz zu den Ressentiments der Adligen, war das Volk begeistert über den glücklichen König und seine Braut, die so schön war wie eine Fee. Sie jubelten und tanzten in den Straßen, die Stimmung in der Stadt hätte besser nicht sein können.


    Aber auch auf der Burg wurde anständig gefeiert und Soldomar hatte nicht das Geld gescheut, um die erlesensten Speisen aus dem ganzen Land in die Hauptstadt zu holen. Es gab exotische Tanzgruppen und andere Attraktionen, sodass alle von der Feier beeindruckt waren und bis in den Morgen hinein feierte.... Nur das Brautpaar zog sich zeitig von der Feier in die privaten Gemächer zurück.

  • Das Königspaar war sehr verliebt. Mit neuer Energie ging Dowegor an die Projekte, die während seiner Reise an ihn herangetragen wurden. Und fast immer war Aglirië an seiner Seite zu sehen. Selbst Bei Beratungen des Kronrates saß sie meist irgendwo im Hintergrund und stickte. Und das Burgvolk liebte seine neue Königin. Sie war zu allen freundlich und höflich, aber gleichzeitig wusste sie, was sie wollte und gab immer klare Anweisungen, wie etwas zu machen war.


    Als die Königin dann auch noch im zweiten Jahr der Ehe schwanger wurde, atmete das ganze Land auf. Jetzt würde das Land endlich einen Erben bekommen. Doch die Schwangerschaft war nicht einfach für Aglirië. Schon bald musste sie das Bett hüten und alle schlichen sorgenvoll durch die Königsburg. Es war fast so als ob die schwere Schwangerschaft der Königin auf der gesamten Stadt lastete, selbst an Orten, wo man die Königin garantiert nicht stören würde, wurde weniger Lärm gemacht.


    Nach schier unendlich scheinenden Monaten war es dann so weit, dass die Königin ihre Niederkunft hatte. Die Geburt dauerte einen Tag und eine Nacht. Der König war ganz außer sich vor Sorge. Als die Sonne schon wieder im Aufgehen begriffen war, kam eine der Hebammen zum König. Man sah auch ihr die Erschöpfung an.


    "Ihr seid Vater geworden, Sire" sagte sie schüchtern und alle konnten die Erleichterung bei Dowegor sehen."Es ist ein Mädchen", kam etwas unsicher hinterher, denn die Hebamme wusste nicht, ob der König in Wut geraten könnte, wenn er erfuhr, dass es kein Junge war. Der König aber wollte vor allem wissen, wie es seiner Frau ging. Da atmete die Hebamme auf und versicherte ihm, dass die Königin sehr erschöpft aber wohlauf wäre.


    Da eilte der König zu Aglirië. Diese war bereits eingeschlafen. Neben ihr schlief das neugeborene Kind. "Ich denke wir nennen Dich Nasadja", sagte der König zu dem kleinen Wesen, "nach der Heimat Deiner Mutter."

  • Nasadja war ein sonniges Baby und ein pflegeleichtes Kleinkind. Sie weinte wenig und lachte umso mehr. Mit dieser Art schlich sie sich sofort in die Herzen aller Menschen, die auf die aufpassen mussten. Auch das Königspaar war überglücklich über das Mädchen. Wenn immer es ihre Verpflichtungen zuließen, verbrachten sie Zeit im Kinderzimmer oder ließen das Kind in ihre eigene Gemächer bringen. Sowohl der König als auch die Königin blühten weiter auf und trugen ihre eigene Freude auch ins Land, so dass selbst die, die zunächst Aglirië als neue Königin abgelehnt hatten, zumindest im Geheimen zugeben mussten, dass sie die perfekte Königin war.


    Als Nasadja 2 Jahre alt wurde, wurde zu Ehren der Prinzessin eine große Feier abgehalten, zu der fast alle Adligen des Landes eingeladen waren. Wieder wurde viel Aufwand betrieben, um den Gästen einiges zu bieten und selbst den Bewohnern in der Stadt wurde kostenlos Essen und Dünnbier ausgegeben. Viele fühlten sich an die Hochzeit vor knapp fünf Jahren erinnert. Die eine oder andere Frau seufzte und zerdrückte die eine oder andere Träne, weil ihr eigener Mann nicht vergleichsweise verliebt in sie war...


    So wurde dann viel gegessen und gefeiert. Denn es gab dieses Mal etwas, was bei der Hochzeit anders gewesen war: Es gab wieder eine Menge Troubardoure und Minnesänger auf dem Fest. Der König war ganz offensichtlich über die Affäre seiner ersten Frau hinweg gekommen und keiner der Spielmänner musste fürchten, ohne Kopf die Feier zu verlassen. Die kleine Prinzessin war mit all den Menschen nicht scheu, sondern freute sich über all die neuen Eindrücke bis sie auf dem Schoß ihrer Amme lächelnd einschlief, obwohl die Feier noch fröhlich und viel Lärm weiterging.


    Erst spät in der Nacht fiel der letzte Gast in sein Nachtlager. Und auch das Königspaar, das von der eigenen Hochzeit nur einen kleinen Teil des Festes mitbekommen hatte, war sehr lange geblieben und hatte sich amüsiert. So war dieser Geburtstag ein voller Erfolg gewesen.


    Nur wenige Tage später stellte die Königin fest, dass sie erneut schwanger war und als sie dies ihrem Mann erzählte war dies ein weitere Höhepunkt ihres gemeinsamen Lebens zusammen.

  • Für Aglirië wurde es erneut eine schwierige Schwangerschaft und diesmal ordnete der Leibarzt des Königs strenge Bettruhe für sie an. Es wurden lange Woche für die Königin. Nur ihre Tochter konnte sie aufheitern, aber selbst diese wurde schnell wieder aus dem Zimmer entfernt, weil sie ihre Mutter nicht zu sehr aufregen sollte. Denn Nasadja war mittlerweile sehr lebendig und tobte gerne herum.


    So schien im Bett der Königin quasi die Zeit stillzustehen und trotzdem, dass ihr Bauch wuchs, hatte sie manchmal keinen rechten Appetit. Da begann sich der König Sorgen zu machen. Er ließ exotische Köstlichkeiten kommen, um seiner Freude zu machen und sie lächelte ihn dankbar an, wenn er ihr etwas Besonderes ans Bett brachte. Sie aß das dann auch sehr brav, aber meist eher, um ihrem Mann eine Freude zu machen als aus echter Überzeugung.


    Drei Wochen vor Termin bekam die Königin dann plötzlich ihre Wehen. Was würde das nur werden? Die Hebammen kamen sogleich in das Gemach der Königin, während sich die Männer im großen Saal zusammenfunden. Der König konnte sich nicht setzen und lief unentwegt die lange Seite des Saal hinauf und hinunter.


    Dieses Mal dauerte die Geburt nicht so lange wie beim ersten Mal, was auch für die Nerven des Königs zuträglich war. Als eine der Hebammen in den Rittersaal trat und sagte "ihr habt einen gesunden Sohn geboren", da atmeten alle Versammelten hörbar auf. Auch dieses Mal erkundigte sich Dowegor sofort nach seiner Frau. Sie hat viel Blut verloren, aber sie wird es überleben, sie muss sich jetzt nur erholen.


    Da ging der König zu seiner Liebsten und bewunderte seinen ersten Sohn, der so winzig dalag. "Ich nenne Dich Dowegar, mein Sohn. Das ist der Name Deines Urgroßvaters..." Da wachte seine Frau auf und lächelte ihn an und er sie zurück.


    In den Wochen danach erholte sich die Königin und auch Dowegar wurde langsam kräftiger. Er war ein bischen kleiner, aber das erhöhte nur die Aufmerksamkeit, die er von allem Burgpersonal bekam. Als er glücklich drei Monate alt geworden war, waren sich alle einig, dass er aus der schwierigsten Zeit heraus war und der Erbe des Reiches nun einer glücklichen Zukunft entgegenschauen konnte.

  • Doch es sollte anders kommen. Der kleine Dowegar war gerade mal 1 1/2 Jahre alt und man dachte gerade darüber nach, ob man auch für den 2-jährigen Geburtstag des kleinen Prinzen ein großes Fest geben sollte. Der König war unterwegs auf einer Mission, um zwei verstrittene Baronien auszusöhnen und befand sich etliche Tagesritte entfernt von seiner Burg. Wie es mittlerweile seine Gewohnheit war, begleitete ihn Rasim als Kontakt, so dass Dowegor keine Bedenken hatte, sich an den Rand des Reiches zu begeben. Doch dann passierte, womit keiner gerechnet hatte: Eine Pockenepedemie mit einer extrem hohen Ansteckungsgefahr brach aus.


    Als die Meldung durch die Stadt ging, dass sich eine größere Seuche ausbreitete, schloss man sofort die Tore der Königsburg, um die Krankheit draußen zu halten. Aber es war bereits zu spät. Das wurde erkannt, als am nächsten Morgen auch eine der Wachen mit der Krankheit darnieder lag. Und dann ging es alles sehr schnell und sehr viele in der Burg steckten sich an.


    Zwei Tage später traf es dann auch Aglirië. Durch Rasim erfuhr auch der König von der Krankheit, der sofort zurückreiten wollte. "Das wird nicht helfen, Sire", sagt Rasim traurig und konnte seinen Herrn mit Mühe überreden, nicht sofort nach Hause zu eilen. Die Krankheit war nichts, was der König selbst bekämpfen konnte.


    Stattdessen versuchte es Soldomar. Durch seine magischen Fähigkeiten konnte er Krankheiten besser aushalten als andere, trotzdem reichte seine Macht nur bedingt dafür aus, andere zu heilen. Kurz nach der Königin erkrankten dann auch ihre beiden Kinder und die Lage verschlimmerte sich immer weiter. Zu diesem Zeitpunkt ließ sich der König nicht mehr zurückhalten und brach die Mission ab, um zumindest wieder in die Nähe seiner Lieben zu reiten.


    Neben den Magiern des Königs halfen auch andere, die nicht erkrankt waren, mit, die Kranken zu pflegen. Der Königin stellte man Estral zur Seite. Estral war eine junge Landadlige, die sechs Monate zuvor in die Stadt gekommen war, um im Gefolge der Königin als Zofe zu dienen. Ihre freudliche und fleißige Art waren der Königin sofort aufgefallen und so war sie in den vergangenen Monaten zu so was wie einer Vertrauten der Königin geworden.


    Wie durch ein Wunder war Estral nicht erkrankt. In den nächsten Tagen kämpfte sie zusammen mit Soldomar um das Leben der Königsfamilie. Am dritten Tag des Kampfes starb der kleine Prinz, der nie wirklich ein kräftiges Kind geworden war. Estral verlor den Mut und weinte die ganze Nacht um das tote Kind, während sie weiter ihr Äußerstes gab, um die beiden anderen Kranken zu heilen. Alle toten mussten verbrannt werden und so nahm Soldomar auch den kleinen Prinzen, um genau dies machen zu lassen. Rasim allerdings verschwieg er es zunächst, dass der Prinz gestorben war, um den König in seiner Hilfslosigkeit nicht noch stärker zu peinigen.


    Weitere fünf Tage später waren etwa jeder fünfte Patient gestorben, aber vielen ging es auch langsam besser, unter anderem der Prinzessin. Alle wussten, dass sie schwere Narben im Gesicht und an den Hnden zurückbehalten würde, aber Estral war trotzdem dankbar über diese Nachricht. Allein die Gesundheit der Königin war immer noch in der Schwebe und Estral hielt Tag und Nacht an ihrem Bett Wache. Doch auch sie nickte ab und an ein. Als sie von einem dieser Schlafphasen erwacht, merkte Estral, dass die Königin in aller Stille verschieden war, allerdings im einem Lächeln auf den verquollenen Lippen, so als hätte sie im letzten Moment an etwas Schönes gedacht.


    Estral war trotzdem untröstlich, genauso wie alle anderen, die bis zur letzten Minute gehofft hatten, die Königin retten zu können. Da es seit geraumer Zeit keine Neuansteckungen mehr gegeben hatte, öffnete man auch wieder die Tore der Stadt und er König eilte in die Burg, um nun direkt von Soldomar über das Ausmaß des Unglücks informiert zu werden. Agliriës Leichnam war bereits verbrannt und der König saß am Abend gramgebeugt da und weinte untröstbar...

  • So war der König erneut Witwer, doch während er das erste Mal voller Wut gewesen war, so fraß an ihm jetzt unendliche Trauer. Er hatte seine Agliriës jeden Tag der Ehe geliebt und er wusste nun nicht mehr, wie er ohne sie weiterleben sollte. Er vernachlässigte seine Amtsgeschäfte und das Volk begann zu murren, auch wenn auch sie um die tote Königin trauerten. Sie war nun mal gestorben und das Leben musste weitergehen, darauf nahm nun mal niemand Rücksicht.


    Die Hauptstadt lag eher im Süden von Noröm, wo die Felder in prallem Grün erstrahlten. Der Norden von Noröm war deutlich kärger und es lebten dort auch weniger Menschen. Das größte Fürstentum im Norden war das Fürstentum Tas. Der Fürst, Fürst Taligot, war ein machhungriger Mann. Als ihm zu Ohren kam, dass der König schwach und verwundbar, fing er an, den umliegenden Baronien und Fürstentümern des Norden zu besuchen. Bei seinen Besuchen machte er schlechte Stimmung gegen den schwachen König und die arroganten und selbstzufriedenen Fürsten des Südens. Sein Plan war, Noröm in Norden und Süden zu spalten und die Herrschaft über den Norden zu erringen. Und tatsächlich drangen seine Worte in die Herzen seiner Nachbarn tief ein und brachten diese zum Grübeln.


    Doch ein solches Vorhaben bleibt nie ganz unbeobachtet und so kamen Gerüchte über die intensive Reisetätigkeit des Fürsten Taligot und der schlechten Stimmung im Norden auch bis zur Hauptstadt. Als Soldomar das hörte, war er sehr beunruhigt, denn er spürte, dass diese Reisen mehr als Höflichkeitsbesuche waren. Er sprach beim König vor, aber der hörte nur halbherzig zu. "Wenn Du meinst, es ist wichtig, dann kümmere Dich auch darum", war die lapidare Antwort.


    Also machte Soldomar das, was er gewohnt war, zu tun. Er schickte Rasim in den Norden, um für ihn die Lage zu sondieren und alle möglichen Informationen über Fürst Taligot zu sammeln. Und so reitete Rasim los. Je weiter er nach Norden kam, desto mehr spürte dieser, dass es viele Vorbehalte und viel Neid dem Süden gegenüber gab, die auch nach ein paar Bieren in der Kneipe offen geäußert wurden. Wenn Rasim mitschimpfte und einige Runden bezahlte, dann wurden die Lobeshymnen auf den Fürsten von Tas gleichzeitig immer lauter. Da war es für Rasim und Soldomar einfach, das Offensichtiliche zu erkennen und zu wissen, welchem Problem sie bevorstanden.


    Außerdem hörte Rasim viel über die fürstliche Familie. Denn bei allen Qualitäten, die Taligot hatte, gab es eines, was andere Männer durchaus zum Schmunzeln brachte: Der Fürst hatte sechs Kinder, aber keines davon war ein Junge, sondern es waren nur Mädchen. Der Fürst selbst hatte die Hoffnung offenbar noch nicht aufgegeben, denn seine Frau war erneut schwanger. Er wäre wirklich gut, wenn das nun mal ein Junge würde, feixte das Volk in der Herberge, in der Rasim abgestiegen war.


    Allerdings mussten alle zugeben, dass sich die Mädchen durchaus vorzeigen lassen konnten. Insbesondere die älteste, 15 Jahre alt, hätte alles, was ein Mädchen so bräuchte, wurde augenzwinkerd erzählt. Sie sei nicht scheu, mit den Untertanen zu reden und machte einen fröhlichen und zielstrebigen Eindruck. Man war sich einig, das Fürst Taligot auf seine Tochter Beanita stolz sein könne.


    Als Soldomar all diese Geschichten hörte, reifte in ihm ein Plan. Er würde wieder zum König gehen müssen und diesmal würde er ihm zuhören und wenn er ihn dazu zwingen musste. Aber er würde nicht zulassen, dass die Trauer des Königs ganz Noröm zerstörte.

  • Tatsächlich brauchte er mehrere Wochen, um den König zu seinem Plan zu überreden. Er nutzte dabei alle Möglichkeiten, die ihm dabei zur Verfügung standen: Logische Argumente, Flehen, Drohungen, Schmeicheleien und Konfrontationen. Und er setzte sogar ein wenig von seiner Beeinflussungsmagie ein. Diese nru sehr wohldosiert, aber es wurde einfach notwendig, um den König aus seiner Trauer zu holen. Und schlussendlich sagte Dowegor: "Mein Herz ist nicht beteiligt, aber mein Verstand sagt mir dann doch, dass Du vermutlich Recht hast, Soldomar. Das Reich steht an erster Stelle und deswegen werde ich Deinem Plan folgen".


    Soldomar hatte die Zeit der Überredung allerdings schon genutzt, um die Umsetzung des Plans zu organisieren. "Dann könnt Ihr morgen mit zwei Rittern aufbrechen, Sire! Außer einer kleinen Gruppe wird keiner von dieser Reise erfahren, das heißt, ihr werdet auch nicht mit großem Pomp reisen, sondern in zweckmäßiger Kleidung. Da ihr auch in den letzten Monaten keine Amtsgeschäfte geführt habt, wird man Eure Abwesenheit nicht vermissen. Ihr reitet nach Norden. An der Ruine von Burg Eston, die 2 Tagesritte entfernt liegt, werdet ihr auf den Rest der Gruppe. Das sind weitere 16 Ritter. Sie sind ausreichend für die weitere Reise ausgerüstet, so dass ihr selbst mir kleinem Gepäck reisen könnt. Der nächste Treffpunkt wird dann eine alte Mühle in der Nähe der Vier-Eichen-Kreuzung sein. Die Kreuzung liegt 4 Tagesritte weiter im Norden. Rasim wird da auf Euch warten, so dass wir in einer Woche wieder Kontakt miteinander aufnehmen können. Er wird sich um zusätzlichen Proviant kümmern, so dass die Gruppe nicht zu sehr mit Essensbeschaffung beschäftigt ist. Ihr werdet größere Städte meiden, damit Ihr nicht erkannt werdet. Die Tagesritte sind keine Vergnügungsausflüge. Es wird eine herausfordernde Reise, aber ich denke, es wird Euch helfen, den Kopf frei zu bekommen. Die weitere Planung führe ich durch, nachdem ihr abgereist seid, bzw. lege ich in Rasims Hände, da er sich in der letzten Zeit zu dem Experten für den Norden entwickelt hat."


    Der König war überrascht über den fortgeschrittenen Planungsstand der Reise, widersprach aber nicht. Stattdessen ließ er sich das erste Mal seit längerer Zeit wieder ein kräftigeres Abendmahl bereiten, ließ seinen Leibdiener, der in den Plan ebenfalls eingeweiht war, die notwendige Kleidung packen. Er trank zusammen mit Soldomar verdünnten Wein und ging noch einige Feinheiten mit ihm durch. Soldomar gab ihm eine detaillierte Karte, damit der König immer die Übersicht über den Stand der Reise behalten konnte.


    Gewandet mit einem Kettenhemd und einem Helm auf dem Kopf, aber ohne die üblichen Insignien seiner Königswürde, verließ der König uns seine zweit Ritter am folgenden Tag die Burg unerkannt. Das Wetter war gutes Reisewetter. Der König fühlte sich am ersten Abend schon etwas steif, weil er die Reitübungen in den letzten Monaten sträflich vernachlässigt hatte. Trotzdem war es so, wie Soldomar gesagt hatte: Als er abends mit den beiden, eher wortkargen Mannen am Feuer saß, heißen Wein trank, Brot und Käse aß, da hatte er ein gefühl von Freiheit, das er seit seiner Krönung nicht mehr empfunden hatte und so konnte er, selbst ohne den gewohnten Luxus seine erste Nacht der Reise durchaus genießen.

  • Die Reise ging so weiter, wie sie begonnen hatte: Auch der nächste Tag war anstrengend für den Körper aber dafür umso erholsamer für die Seele des Königs. Wie geplant trafen sie abends an der Burgruine Eston an und dort wartete der Rest der Gruppe. Einige der Ritter hatten gejagt und so gab es diesen Abend statt Käse und Brot leckeren Rehbraten. Da merkte der König, dass er anfing, sich auch wieder über Kleinigkeiten zu freuen.


    Am nächsten Morgen brach die größere Gruppe auf, um weiter nach Norden zu reiten. Größere Städte wurden gemieden, manchmal teilte man sich eine Zeit lang auf, um weniger Aufmerksamkeit zu erregen. Jeden Tag wurde angestrengt geritten und wenige Pausen eingelegt, abends etablierte sich schnell eine Routine. Der König musste selbstverständlich beim Auf- und Abbau des Nachtquartiers nicht mithelfen, trotzdem war er jeden Abend so müde, um nach der gemeinsamen Mahlzeit immer in einen tiefen und gesunden Schlaf zu fallen. Auch das Reisewetter spielte mit: Es war weder zu heiß noch zu kalt und es gab lediglich ab uns an einen kleinen Regenschauer, aber diese waren nicht stark genug, um die Reiter groß zu beeinträchtigen. Alles verlief nach dem vorgeplanten weg und so kam die Gruppe unerkannt und pünktlich am siebten Tag an der vereinbarten Mühle an. Und auch Rasim war da.


    Die Woche ohne viel Unterhaltung dafür aber umso mehr körperlicher Ertüchtigung hatte dem König gutgetan. So lächelte er sogar als er Rasim sah und klopfte ihm auf den Rücken. Er zeigte nur mildes Interesse an den Vorkommnissen der letzten Woche in der Königsburg, die Soldomar ihm übermittelt hatte, dafür aber umso mehr an dem Fortgang der Reise. Rasim erklärte ihm, dass die Reise im Wesentlichen so weitergehen würde wie bisher, nur dass man noch mehr darauf achten würde, unerkannt zu bleiben. Er hatte in der Mühle weiteren Proviant gelagert und er hatte eine Route auf Nebenstrecken in den Norden geplant. Der weitere Ritt würde noch knapp zwei Wochen dauern, aber dann wären sie am geplanten Ziel angekommen.


    An diesem Abend gab es wieder frisches Fleisch und Gemüse in einem Eintopf. Obwohl es eigentlich keine ausgefallene Mahlzeit war, erschien es der Gruppe durchaus als Festmahl. Nach dem Essen unterhielt Rasim alle mit Liedern auf seiner Flöte und als sie ins Bett gingen fiel Dowegor auf, dass dies der erste Tag seit dem Tod seiner geliebten Aglirië war, an dem er nicht unentwegt an sie denken musste. Vielleicht heilten die Wunden tatsächlich.


    Am nächsten Tag wurde die Reise fortgesetzt. Rasim ritt voran, da er den genauen Weg kannte und der König begleitete ihn oft, um sich mit ihm zu unterhalten. Ihn interessierten langsam wieder die Vorgänge in seinem Land und so lies er Rasim berichten, was er in den letzten Wochen alles erlebt hatte. Darüber hinaus änderte sich wenig an der Routine der Reisenden. Allein das Wetter wurde um so kälter und windiger, je weiter sie nach Norden kamen. Nachts rückten alle näher ans Feuer und wenn es regnete fröstelten alle hinterher in der klammen Kleidung. So war keiner darüber traurig, als Rasim an einem Abend ankündigte, dass man das Ziel am darauffolgenden Abend endlich erreichen würde.

  • Der darauffolgende Tag begann mit Regen und diesmal wollte er auch nicht wieder aufhören. Die Stimmung sank entsprechend bei der kleinen Reitertruppe. Und so wurde auch nicht viel gesprochen. Mittags gab es eine kurze Pause unter Bäumen, die aber auch nur bedingt gegen den Regen halfen. So sattelte man zügig wieder auf. Zumindest war der Weg gut gepflegt und nicht morastig, so dass die Reise zwar ungemütlich aber nicht langsam war.


    Die Sonne war schon am Sinken als man schließlich am Ziel angekommen war. Vor ihnen lag im Gegenlicht die Burg des Fürsten Taligot. Als die Ritter zum Tor ritten und "im Namen des Königs" Eintritt wünschten, gab es zuerst misstrauische Gesichter. Man wolle einen Beweis, hieß es zurück. Rasim hielt daraufhin einen Brief mit dem königlichen Siegel in die Höhe. Daraufhin wurde zögerlich das Tor geöffnet. Man sagte den Reitern, dass der Fürst heute Nacht nicht zu Hause weilen würde sondern bei einem seiner Barone zu Gast sei und erst am folgenden Tag zurückerwartet werde.


    "Das ist kein Problem, wir können warten", sagte daraufhin König Dowegor und schlug seinen nassen Reitumhang zurück. Einer der Ritter des Fürsten erkannte in diesem Moment ihren König. "Sire", sagte er erschrocken und alle anderen schauten sich leicht erschrocken an. Man entschuldigte sich sofort für das ungebührliche Verhalten. Es gebe in dieser Gegend einiges an Gesindel und wenn der Fürst nicht in der Burg sei, sei man doppelt vorsichtig. Alle beeilten sich, ihre Zurückhaltung wieder gut zu machen und brachten den König und seine Männer in die große Halle der Burg, wo ein Feuer die Gemüter wieder aufwärmen konnte. Allen Reitern wurde trockene Kleidung organisiert und eine Köchin tauchte mit einem Kessel voll Met auf, der über dem Feuer erhitzt wurde, bevor er zwischen den Rittern verteilt wurde.


    Dergestalt in empfänglichere Stimmung gebracht, hörte der König plötzlich eine weibliche Stimme: "Willkommen Mylord in unserer Burg. Es tut uns leid, dass wir nicht mehr für Euch vorbereitet haben, aber wir haben nicht mit Euch gerechnet." Dowegor und auch Rasim drehten sich zur Stimme um. Vor ihnen stand eine junge Frau. Ihr schwarzes Haar war zu einer Krone aufgesteckt, ihre Augen blickten direkt in die des Königs und auch ihr Mund lächelte unverkrampft. Sie trug ein dunkelgrünes Kleid, welches ihrer Figur schmeichelte und vor allem ihren Busen gut zur Geltung brachte ohne unschicklich zu sein. Es war ein edler Stoff aber nicht protzig. "Mein Vater ist leider heute nicht da und meine Mutter ist auf Grund ihrer Schwangerschaft heute unpässlich", sagte die junge Frau, von der Rasim sofort erriet, dass sich es hier um die Jungfer Beanita handelte, "deshalb müsst ihr mit meiner eigenen Gastfreundschaft vorlieb nehmen". Zunächst wollte Rasim antworten, doch der König war schneller: "Ich glaube nicht, dass es uns bei Eurem Liebreiz und Eurer Fürsorge an etwas fehlen wird".


    Beanita errötete leicht, als sie dieses Kompliment hörte, aber sie schaute nicht weg. Stattdessen klatschte sie in die Hände und die Diener aus der Küche trugen verschiedene Speisen auf. Zunächst gab es kalte Vorspeisen, aber die Männer waren froh, so schnell etwas zum Essen zu bekommen. Beanita achtete darauf, dass alle Gläser der Gäste wieder gefüllt wurden. "Setzt Euch zu uns Mylady", sagte der König und wies auf den Platz zu seiner linken. Rasim hatte sich rechts von ihm gesetzt, während die Ritter weiter unten an der Tafel Platz genommen hatten. "Gerne Sire", sagte das Mädchen. "Soll ich Euch mit der Laute unterhalten?" Als der König zustimmte, holte sie eine kleine Laute aus eine Truhe und fing an zu spielen. Zunächst spielte sie nur eine reine Melodie, aber beim zweiten Lied begann sie, dazu zu singen. Es war eine ruhige Melodie und sie sag dazu in einer klaren Altstimme. Den Text konnte der König allerdings nicht verstehen. "Was ist das für eine Sprache", fragte Rasim. "Es ist eine alte Mundart, die früher sehr viel im Fürstentum Tas gesprochen wurde. Mittlerweile können nur noch wenige diese Sprache verstehen, aber wir versuchen, sie zu erhalten". Der König sagte nichts, aber als sie mit dem nächsten Lied begann und erneut in dieser Sprache sang, da schaute er sie verträumt an.

  • Am nächsten Morgen war weiterhin nichts von der Fürstin zu sehen und erneut war es Beanita, die die Gastgeberrolle übernahm. Da sich das Wetter über Nacht wesentlich gebessert hatte, schlug der König einen Ausritt mit einer kleinen Gruppe vor und lud sie ebenfalls ein, daran teilzunehmen. Sie schaute zunächst zweifelnd drein. Dann aber entschloss sie sich und nickte entschlossen. Rasim bewunderte die junge Frau, die sich so tapfer zwischen all den Männern schlug. "Wir nehmen auch einige Ritter meines Vaters und vor allem den Falkner mit, damit es ereignisreicher wird, Sire", sagte sie. Gesagt, getan und so brach eine Stunde später eine Gruppe von 10 Leuten zur Jagd auf.


    Auf dem Ausritt ritt der König neben Beanita und stellte ihr Fragen über Besonderheiten auf dem Weg, die sie oft auch beantworten konnte. Man merkte, dass sie stolz auf das Fürstentum war und sich viel mit der Geschichte des Landes beschäftigt hatte. Es wurde ein rundum gelungener Ausritt, von dem man auch gejagte Vögel und Hasen mit zurückbrachte.


    Gegen Abend kam dann der Hausherr dann zurück. Schon am Tor wurde er von seinen Leuten informiert, dass er Gäste hatte und vor allem, wer da zu Gast gekommen war. Die Augen von Fürst Taligot verengten sich, während er dem Ritter am Tor lauschte. Nachdem dieser mit seinem Bericht abgeschlossen hatte, winkte der Fürst seinen Rittern, die mit ihm mit in die Halle kommen sollten. Es war also eine kriegerische wirkende Gruppe, die so in die Halle gelaufen kam.


    Demgegenüber war das Bild, das sich ihnen in der Halle bot, extrem friedlich. Die Männer des Königs saßen lose verteilt im Raum, einige reinigten ihre Rüstungen, einige spielten ein Würfelspiel, einer machte in der Nähe des Kamins ein Nickerchen. Am Ende der Tafel saß Dowegor und Beanita, die gegeneinander Schach spielten. Rasim saß daneben und schaute wortlos dem Spiel zu. Als die Männer den Lärm hörten, schauten alle auf. Aber allein Beanita stand auf, um ihrem Vater entgegen zu gehen.


    Der Fürst machte eine knappe Verbeugung in Richtung des Königs. "Sire", sagte er knapp. Da stand auch Dowegor auf und seine Männer folgen seinem Beispiel. Auch Dowegor machte eine knappe Kopfbewegung. "Fürst Taligot", sagte er als ebenso knappe Antwort. Die Spannung im Raum war in wenigen Sekunden um ein Vielfaches angestiegen. Als seine Tochter an seiner Seite stand, legte der Fürst seine Hand auf ihren Arm und sagte: "Kann ich erfahren, was Euch so spontan hierher geführt hat, Sire?" "Selbstverständlich. Ich bin gekommen, um Euch zu fragen, ob ich Eure Tochter Beanita freien kann."

  • Der Fürst stand wie angewurzelt da. „Mit diesem Ansinnen habt ihr mich nun doch überrascht, Sire.“ „Nun, Fürst Taligot, einige Leute glauben, ich hätte den Norden vergessen und würde mich nicht um ihn kümmern. Das ist aber ganz und gar nicht so. Ich schätze alle Landesteile meines Reiches und wenn ich auch nicht oft im Norden bin, so weiß ich doch ganz genau, welche Edelsteine hier versteckt sind und deswegen hat es sich auch mehr als gelohnt, dieses Juwel selbst in Augenschein zu nehmen.“ Beanita errötete bei diesen Worten, doch sie sah dem König fest in die Augen und nicht zu ihrem Vater. Der wiederum zog sie fester an sich und sagte nach einem kurzen Moment des Schweigens. „Ihr ehr unser Haus, aber meine Tochter ist erst 15 und ich wollte für sie keinen Mann suchen, bevor sie nicht 16 geworden ist. Ihr Geburtstag ist in drei Monaten. Bis dahin möchte ich ihr Bedenkzeit geben, damit sie sich sicher ist, ob sie Euch heiraten will oder nicht.“


    Die Augen des Königs verengten sich, denn diese Rede war so nah an einer Absage, dass er es als Affront hätte werten können. Doch er entschied sich, darüber hinweg zu sehen. „So sei es“ sagt er schlicht. „Jetzt werde ich mich aber zurückziehen, denn ich bin müde von der Jagd, die Eure Tochter so hervorragend für uns arrangiert hat.“ Damit stand er auf und ging zusammen mit Rasim in seine Gemächer. Als sie unter sich waren, instruierte der König Rasim, dass dieser nach der Abreise am nächsten Tag in der Nähe bleiben solle, denn Dowegor traute dem Fürsten nun noch weniger als zuvor.


    Sie saßen noch bei einer Party Reiseschach zusammen, als es plötzlich an der Tür klopfte. Rasim öffnete. Eine Zofe stand vor der Tür und fiel vor dem König auf die Knie. „Eine Botschaft für Euch von der jungen Lady, aber ihr Vater darf nichts davon wissen“. Dieser nahm den ihm dargereichten Brief entgegen und entließ die Zofe, die im Dunkeln davoneilte.


    Der König öffnete die Botschaft: „Anders als mein Vater denkt habe ich keine Zweifel. Auch wenn ich vielleicht noch jung bin, so hüpft mein Herz vor Freude, wenn ich daran denke, Eure Frau werden zu dürfen. Als Zeichen meiner Zuversicht sende ich Euch eine Locke meines Haares als Pfand.“ Stand dort in einer hübschen Handschrift geschrieben. Und tatsächlich fiel in diesem Moment eine Locke von Beanitas Haar dem König auf den Schoß. Dieser nahm sie auf und drückte sie gegen seine Nase. Er konnte einen Hauch von Lavendel daran riechen.
    Er lächelte Rasim an und dieser zurück. „Ich glaube, Euer Bruder hat mal wieder bewiesen, dass er einen untrüglichen Spürsinn für die richtigen Entscheidungen hat. Ich denke, diese Reise wird ein voller Erfolg werden.“ Sagte Dowegor und lehnte sich entspannt zurück.

  • Die Reise zurück war genauso ereignislos wie die Reise in den Norden. Trotzdem kam ein völlig verwandelter König zurück in den Palast. Er nahm seinen Berater und Freund Soldomar dankbar in die Arme und lies sich sofort auf den neusten Stand bringen, was im Reich in den letzten Wochen passiert war. Er setzte eine Kronrats-Sitzung für den nächsten Tag an und wollte auch am nächsten Gerichtstag wieder teilnehmen.


    Nach dem Gespräch mit Soldomar ging er in den Trakt, wo seine Tochter wohnte. Er hatte nach dem Tod seiner zweiten Frau den Anblick
    seiner Tochter nicht wirklich ertragen, denn sie sah ihrer Mutter sehr ähnlich, nur dass jetzt das Gesicht durch starke Pockennarben entstellt war. Auf der Reise zurück war ihm klar geworden, wie falsch er in seiner Trauer gehandelt hatte, denn Nasadja hatte genauso unter dem Tod seiner Frau gelitten wie er, wenn nicht noch mehr. Als er in ihr Zimmer kam, erschrak er. Er hatte seine Tochter als lebenslustiges Kind in Erinnerung, aber nun saß sie blaß und apathisch am Fenster. Sie war mittlerweile fast 7 Jahre alt aber sie war sehr fein und eher klein für ihr Alter. Neben dem Kind saß Estral. Estral stickte und summte ein Lied dabei. Als der König ins Zimmer kam, stand Estral auf und verbeugte sich tief vor dem König. Nasadja allerdings rührte sich nicht. Dowegor streichelte ihr über den Kopf. Eine Weile passierte nichts. Dann drehte sich das Kind um, drückte das Gesicht in den Bauch ihres Vaters und fing an zu weinen.


    Auch Estral standen Tränen in den Augen. „Ihre Großeltern haben geschrieben“, sagte Estral leise, als Nasadjas Tränen langsam versiegten. Nach dem Tod ihrer Mutter und ihres Bruders, wird die kleine Nasadja irgendwann das Fürstentum Nasadh erben. Hier ist die Kleine immer mit den Erinnerungen der schrecklichen Krankheit konfrontiert, deswegen haben sie vorgeschlagen, dass sie eine Weile zu ihnen kommt. Ich halte das für eine gute Idee. Hier weint sie viel… Wenn es Euch genehm ist, würde ich sie auch gerne begleiten, damit sie unter den zunächst Fremden nicht alleine ist.“


    Der König dachte an seine Reise und wie sehr es ihm geholfen hatte, den Tod seiner geliebten Aglirië zu verarbeiten. Da war es wahrscheinlich eine gute Idee, das Mädchen, das mittlerweile aus Erschöpfung eingeschlafen war, zu ihren Großeltern zu geben.
    So nickte er nur, streichelte dem Kind noch einmal über den Kopf und legte sich fürsorglich in Ihr Bett. „Ich werde alles für Eure Reise vorbereiten lassen. Ich möchte aber regelmäßig Bericht darüber, wie es ihr geht.“ Estral knickste tief als der König die Gemächer seiner Tochter verließ.

  • So reiste dann wenige Wochen später die Tochter des Königs ab. Er stand noch längere Zeit auf den Zinnen und schaute ihr nach. Niemand konnte die Tränen sehen, die er noch einmal über das Verlorene vergoss. Ansonsten stürzte sich Dowegor wieder in seine Arbeit und alle waren ihm dafür dankbar. In den vergangenen Monaten war doch einiges liegen geblieben und so freute es alle, dass nun zügig Entscheidungen getroffen wurden und neue Projekte angepackt wurden.


    Eines Abends als er mit Soldomar zusammensaß, um Schach zu spielen, bekam dieser plötzlich glasige Augen und machte leichte Lippenbewegungen. Der König kannte diesen, er sprach mit Seinem Bruder Rasim. Schon bald aber war der Zaubererwieder anwesend. Rasim hatte erfahren, dass die Frau von Fürst Taligot erneut Mutter geworden war. Es war wohl keine einfache Geburt gewesen, aber sowohl die Mutter als auch das Kind hatten die Geburt überlebt. Es war erneut ein Mädchen. Soldomar lächelte den König an. „Schon bald wird eine positive Antwort auf Euer Gesuch kommen, Sire“. Und auch der König hatte bei sich gedacht, dass der Fürst nicht auf das Alter seiner Tochter Rücksicht genommen hatte, sondern darauf, dass ihm seine Frau möglicherweise doch noch einen Stammhalter schenken würde.


    Und die beiden hatten recht, etwa vier Wochen später, genau am Geburtstag von Beanita traf eine Abordnung aus dem Fürstentum ein, unter ihnen Beanita und der Fürst selbst. Es gab einen großen Empfang für die Delegation und der Fürst gab öffentlich die Verlobung seiner Tochter mit dem König bekannt. Am späteren Abend hinter verschlossenen Türen fand dann der
    geschäftliche Teil der Angelegenheit statt und der Fürst schacherte hart. Der König war allerdings nur halb bei der Sache und dachte stattdessen an seine Verlobte, die er in wenigen Monaten heiraten würde.



    Beanita ging es nicht anders. Sie saß in den Gemächern, die man den Gästen zugewiesen hatte und dachte –wie schon seit Wochen- an den König. Ihr Vater hatte ihr die Geschichte von der ersten Frau des Königs mehrfach erzählt, aber sie hatte ihn ganz anders kennengelernt in den wenigen Tagen, die er als Gast bei Ihnen gewesen war. Er war charmant gewesen, er hatte sie wie eine erwachsene Frau behandelt, sie nach ihrer Meinung gefragt, sie ernst genommen. Sie wusste, dass ihr Vater ihre Mutter nie nach ihrer Meinung fragte. Tatsächlich machte ihre Mutter häufig einen traurigen Eindruck und sie hatte nicht das Gefühl, dass ihr Vater sie wirklich respektierte. Oft ging er mit seinen Töchtern freundlicher um als mit seiner Frau.



    Immer wenn der König ihre Hand genommen hatte, um diese zum Gruß zu küssen, dann hatte er ihr fest und tief in die Augen geschaut und seine Lippen hatten sich gut auf ihrer Haut angefühlt, auch wenn Dowegor schon deutlich älter als sie war. Sie hatte direkt zurück geschaut und sie hatte das Gefühl, dass ihm das sehr gefallen hatte. Zur gleichen Zeit hatte er nicht versucht, wie zufällig ihre Brüste oder
    ihre Beine zu berühren, wie es einige der anderen Fürsten versucht hatten, die ihren Vater in letzter Zeit besucht hatten. Einige dieser „Herren“ hatte nur auf ihren Ausschnitt, nicht aber in ihre Augen geschaut. All das gab Beanita ein warmes Gefühl im Bauch und so fieberte sie auch der Hochzeit entgegen.

  • Das erste königliche Fest seit dem zweijährigen Geburtstag der Prinzessin. Alle freuten sich auf das Fest, denn es bedeutete einen Neuanfang. Die junge Braut machte einen frischen und vor allem gesunden Eindruck, so dass das Volk guten Mutes war, dass es auch bald wieder einen Prinzen geben würde. Auch die adligen Gäste waren von allen Seiten gekommen, auch wenn nicht jeder der Tochter von Fürst Taligot das Glück gönnte. Die Familien, die jetzt bereits das zweite Mal übergangen worden waren, waren diesmal noch pikierter als beim letzten Mal, denn diesmal hatte der König noch nicht einmal alle zur Verfügung stehenden Mädchen und unverheirateten Frauen in Augenschein genommen, sondern klammheimlich eine Frau ausgesucht. Und dann noch aus dem Norden. Dorther war bisher wenig Gutes gekommen.


    Der König und seine junge Braut aber bekamen nichts von dem Geflüster der Adeligen mit. Wie immer konnte sich Rasim viel ungestörter bewegen und bekam deshalb viel mehr zu hören. Allerdings verband auch er das Notwendige mit dem Angenehmen und flirtet mit den leer ausgegangenen Damen. Einige Adelige erkannten ihn und wussten um seine enge Verbindung mit dem König. Wenn dies geschah, dann ermutigten die Mütter ihre Töchter, doch etwas lauter zu kichern als vorher.


    Trotz der Misstöne im Hintergrund war die Hochzeit ein schönes Fest und insbesondere das Volk war mehr als zufrieden mit den Gauklern, dem Essen und dem Met. Das Brautpaar zog sich traditionsgemäß um Mitternacht zurück, aber alle anderen feierten bis in die Morgenstunden weiter.


    Als Beanita erwachte, war der König schon aufgestanden, aber trotzdem war sie glücklich. Wer hätte gedacht, dass die Hochzeitsnacht so schön sein könnte. Sie dankte still den Göttern, die den König auf den Weg nach Taligot geführt hatten. Dowegor war ein großartiger König und sie würde versuchen, ihm eine großartige Königin zu sein.


    Am Nachmittag des gleichen Tages wurde dieses Versprechen zum ersten Mal gefordert. Die Audienz dauerte schon Stunden. Immer weitere adlige Damen kamen und beglückwünschten die neue Königin, währen die Herren im Nachbarzimmer politische Diskussionen führten. Es war schwierig, sich auf jeden zu konzentrieren und jedem in angemessener Form zu antworten. Und diesmal spürte sie durchaus den einen oder anderen Stachel, der in den Worten verpackt war. Es gab Anspielungen auf die früheren Königinnen, ihr Alter und das des Königs, ihr Gebärfähigkeit und die Sitten in Taligot, die als „mehr als ursprüglich“ betitelt wurden. All diese Missgunst ärgerte Beanita, aber sie wusste, dass sie Dowegor nicht damit enttäuschen durfte, dass sie gleich am ersten Tag wichtige Adlige vor den Kopf stieß, so viel Lust sie darauf auch hatte.

  • Damit begann die Regentschaft der dritten Königin Noröms. Beanita lernte schnell, dass ihr Leben aus zwei Teilen bestand:


    Zum einen den wenigen privaten Momenten, die sie mit dem König verbringen konnte. Hier war er so, wie sie ihn kennengelernt hatte: Leidenschaftlich, besorgt, liebevoll und aufrichtig. Abends, wenn er mit Sodomar Schach spielte, saß sie gern daneben und stickte. Dowegor erzählte dann offen über seine Probleme oder die des Landes und hörte immer aufmerksam zu, wenn auch sie ihre Meinung sagte. Er schien sie sogar zu ermutigen, diese zu äußern. Wenn sich Soldomar zurückgezogen hatte, kam dann der Mann heraus, den sie in ihrer Hochzeitsnacht kennengelernt hatte und seitdem verfallen war. Manchmal erschien es ihr so, dass dieser Mann sie besser kannte als sie sich selbst.


    Demgegenüber stand die Zeit, in der sie in der Öffentlichkeit waren. Auf Grund ihres Alters behandelten sie die meisten auf der Burg eher wie ein Kind als eine Fürstin. Man erwartete von Ihr, dass sie sich für Schmuck und Stoffe interessierte, nicht aber für die Politik. Die älteren Hofdamen machten ihr indirekt sehr schnell klar, dass alle von ihr Erwarteten, dass sie schön aussehen solle, aber nicht zu häufig den Mund aufzumachen. Er würde dem König schlecht zu Gesicht stehen, sagten diese, wenn die Königin ständig ihre mangelnde Erziehung und Erfahrung herausposaunen würde. Außerdem sprachen die Frauen ihn ihrer Umgebung sehr häufig über Fruchtbarkeit und Empfängnis. Beanita war klar, dass alle vor allem eines von ihr erwartete: Dem Reich einen Erben zu schenken.


    Diese Umgebung, in der sie auch oft von ihrem Mann getrennt war, machte ihr zu schaffen. Sie sagte dem König nichts davon, denn sie wollte ihm gegenüber ein gutes Bild machen und eine perfekte Königin sein. Sie wusste, wie sehr er seine zweite Frau geliebt hatte und hatte Angst, dass sie seine Zuneigung verlieren könnte, wenn sie sich schwach zeigte. Umso glücklicher war sie, als sie merkte, dass sie tatsächlich schwanger war. Nun konnte sie gegen all diese Frauen des Hofes auftrumpfen und den König noch glücklicher machen.