Hals über Kopf und goldene Berge

  • "Du weisst doch gar nicht, was dich da erwartet!"
    Jorg verdrehte die Augen und sah seine Schwester vorwurfsvoll an.
    "Wir können hier unser Auskommen haben und sind zusammen."


    "Was uns drüben erwartet kann nur besser sein als das Leben, das wir hier würden fristen müssen."
    Lahjas Augen funkelten.
    "Dir bleibt doch hier nur die Wahl, dich auf das Böse einzulassen und deine Seele zu verkaufen oder als Sklave ihnen zu dienen!
    Uns bleibt keine Zeit! Entweder du kommst mit mir oder ... ich gehe eben allein."

    Der Rotschopf zuckte mit den Schultern und schaute Jorg augenscheinlich gleichgültig an. So hatte sie ihren Bruder bisher immer noch dazu bringen können, sie zu Streifzügen begleiten, die der Vater verboten hatte. Er würde seine kleine Schwester nicht allein lassen, das hatte er nie übers Herz gebracht.



    Lahja stand vor dem Portal und schaute sich um. Sie blinzelte gegen die erneuten Tränen an erkannte nur noch Jorgs Silhouette gegen die untergehende Sonne. Sie hatte ihn nicht überzeugen können, mit ihr durch das Portal zu gehen. Schlussendlich hatte sie ihn gekränkt, bestürzt, fassungslos als Feigling beschimpft.


    Sie schluckte und blickte zu dem Portal, das nur wenige Schritt noch entfernt war. Ihre Hand umschloss fest den kleinen, blauen Stein, den Jorg am Steinbruch gefunden und ihr geschenkt hatte. Lahja spürte einen Luftzug und wurde der beinahe hypnotischen Wirkung der wunderschönen Farben des Portals gewahr.


    "Feigling!" murmelte sie leise "Gib auf dich Acht, ich liebe dich." und dann trat Lahja durch das Portal.

    Wenn du keine Perlen hast, nimm Knochenreste für deine Kette und polier' sie so lange bis sie glänzen.

  • Sie erwachte und blinzelte, dann schloß Lahja die Lider schnell wieder. Ihr Schädel hämmerte, das grelle Sonnenlicht schmerzte in den Augen und ihr Magen rebellierte. Sie tastete nach dem Stein ihres Bruder und stellte erleichtert fest, daß er in ihrer Hosentasche war.
    Einen Moment lang gab sie sich Zeit, atmete tief durch, dann ein erneuter Versuch. Lahja setzte sich langsam auf und öffnete die Augen langsam. Immer noch blinzelnd schaute sie sich um. Wo war sie nur gelandet? Es war weit und breit niemand zu sehen. Nun ja, sie hatte wohl nicht wirklich erwartet, daß das Portal sie mitten auf einem überfüllten Marktplatz ausspucken würde?!


    "Herzlich willkommen! Es ist eine Freude zu sehen, daß MasterX erneut eine Seele retten konnte!"
    Lahja schrie leise erschrocken auf und schaute sich um. Noch immer konnte sie niemanden ausmachen, lediglich eine Steinfigur war zu sehen. Misstrauisch beäugte der Rotschopf die Figur, erhob sich und ging langsam ein paar Schritt auf die Figur zu.


    Diese schien sie plötzlich anzulächeln. Hektisch blickte sich Lahja erneut um und schluckte, bevor sie ihren Blick wieder auf die Figur richtete.


    "Du siehst recht, Lahja, ich bin der Wächter des Portals."


    Waren das die Nachwirkungen des Portals? Hatte sie den Verstand verloren? Ein leises Lachen ertönte, offensichtlich milde amüsiert, doch nicht unfreundlich. Nachdem sie den ersten Schrecken überwunden hatte, beantwortete der Wächter einige ihrer Fragen, andere weigerte er sich zu beantworten. "Du wirst selbst lernen müssen, Lahja."
    Er übergab ihr einen Rucksack in dem sie Nahrung und einen Wasserschlauch fand, blecherne Taler und einen Silbertaler.


    "Folge diesem Weg und du wirst das Städtchen Trent erreichen. Gehab dich wohl, Lahja."
    Lahja versuchte der Figur weitere Informationen zu entlocken, doch sie rührte sich nicht mehr, sprach nicht mehr, sondern schien wieder zu Stein oder Holz oder ... was auch immer geworden zu sein.


    Verwirrt machte sich der Rotschopf auf den Weg, den der Wächter ihr bedeutet hatte. Sie ging vorbei an saftigen, grünen Wiesen, üppigen Wäldern, sie hörte Vögel und sah aus der Distanz scheue Rehe, Schmetterlinge. Alles war so friedlich! Dennoch fürchtete sie, hinter dem nächsten Baum oder Strauch von Gesindel oder - schlimmer noch - Schergen Artemors überwältigt zu werden. Doch bald erblickte Lahja die Tore Trents. Immer noch zögerlich näherte sie sich ... doch ihr blieb keine Wahl. Sie würde das Städtchen und die sicheren Stadtmauern betreten müssen, wollte sie die Nacht, die bald anbrechen würde, nicht hier draußen verbringen.

    Wenn du keine Perlen hast, nimm Knochenreste für deine Kette und polier' sie so lange bis sie glänzen.

  • Die Stadtwachen waren es wohl gewohnt, daß immer wieder Reisende ohne viel Hab und Gut, ohne Gepäck, eher in Lumpen denn Kleidung gewandet Einlass begehrten, daher wurde auch Lahja ohne viele Fragen eingelassen. Aber im Rathaus solle sie sich melden, für den Fall, daß sie bleiben wolle, damit sie ins Bürgerregister aufgenommen werden könne. Bestimmt doch freundlich erklärte ihr die Wache den Weg. Lahja dankte und machte sich auf. Sie würde sich erst einmal in Ruhe umsehen, sich dann erst entschließen, ob sie bleiben würde. Andererseits konnte sie sich ja eintragen lassen, wer weiß, welche Vorteile sie als offizieller Bürger Trents haben würde.


    Erschrocken machte der Rotschopf einen Satz zur Seite, als ein puscheliges, gelbes Etwas mit spitzen Zähnen ihr den Weg versperrte.
    "Was beim lichten Schwert ...?!" Das Dings war offensichtlich nicht aggressiv, aber sein Blick und die Zähne veranlassten Lahja, etwas schneller zu gehen ... nicht ohne sich noch ein, zwei Male nach dem Vieh umzusehen.


    Ratten. Natürlich. In jeder Stadt gab es Ratten, also auch hier.


    Sie hielt die Nase in die Höh' und schnupperte. Der Markt musste nah sein, es duftete verführerisch. Frisches Brot, Gebrät, allerlei Gewürze. Unweigerlich musste Lahja ob der sich in ihrem Mund ansammelnden Speichelmenge schlucken. Und nun meldete sich auch ihr Magen, und zwar mehr als deutlich vernehmbar.


    Hatte sie nicht Blechtaler und einen Silberling erhalten? Sicher, auch Brot, aber das konnte man ja für schlechte Zeiten verwahren, wenn es hier frisches gab. Es wäre nicht das erste Mal, daß sie unentdeckt einen Kanten Brot, etwas Käse, eine Hartwurst oder Apfel in ihrer Tasche verschwinden lassen würde. Der Hunger trieb einen zu Dingen, die man sonst vielleicht nicht machen würde. Vielleicht aber auch doch ... so lang keine Wache, kein Büttel in der Nähe waren und die Umstehenden abgelenkt genug.


    Plötzlich spürte Lahja, wie ihr etwas in die Hand gedrückt wurde. Sie blickte hinunter und hatte einen Fisch am Stock in der Hand. Weiter stolpernd blickte sie sich um und sah eine junge Frau ihr zuzwinkern und nicken. Lahja nickte zurück und hob den Fisch an ihren Mund. Er duftete herrlich. Vorsichtig biß der Rotschopf ab und verdrehte genüßlich die Augen. "Hmmmmmmmm!" entfuhr es ihr ... was ihr einige amüsierte Blicke bescherte.


    In Trent war man es offensichtlich gewohnt, Neuankömmlingen zu helfen, sie auf's Herzlichste willkommen zu heißen, ihnen jedwede Unterstützung angedeihen zu lassen, ob man sie nun kannte oder nicht.
    Es war unglaublich! Lahja vergaß ihr anfängliches Zögern und Mißtrauen. Beinahe freundschaftlich wurde sie am Marktplatz empfangen und mit weiteren Leckereien begrüßt. Nach kurzer Zeit hatte sie so viel geschlemmt, daß sie Bauchweh bekam.

    Wenn du keine Perlen hast, nimm Knochenreste für deine Kette und polier' sie so lange bis sie glänzen.

  • Die eine oder andere ungewöhnliche Kreatur hatte Lahja in Noröm ja schon gesehen, aber die Wesen, die Trent bevölkerten ließen sie doch mehr als ein Mal verwirrt blinzeln oder gar mit offenem Mund starren: Menschen lebten mit und neben Dunkelelfen, ein Zeitparadoxon hatte sie getroffen (von dem sie bisher nicht einmal ahnte, daß es so etwas gab), einen wandelnden, höchst geselligen und musikalischen Baum, einen Drachen, der sich gern als Rutsche oder Flugdrachen nutzen ließ, Wiesel, Bären, Katzen jeglicher Größe. MasterX hatte offensichtlich Kreaturen aus allen bekannten (und ihr sicher auch jede Menge unbekannten) Welten gerettet und sie hatten wohl gelernt, hier gemeinsam zu leben.


    Trent war recht groß, größer als sie anfänglich angenommen hatte, denn neben Marktplatz und öffentlichen Gebäuden gab es auch eine Siedlung mit privaten Häusern. Diejenigen, die schon lang in Trent lebten, hatten sich wahre Paläste geschaffen, ein Haus schöner als das andere. Lahja würde sich so etwas wahrscheinlich nie leisten können, aber so lang sie irgendwo einen trockenen, sicheren Platz für ihr Nachtlager finden würde, brauchte sie kein Haus.


    Auf dem Marktplatz herrschte immer reges Treiben, man traf sich hier nicht nur zum Handel, sondern auch zum Plaudern ... und Feiern.
    Erst ein paar Tage hier, fand sich Lahja inmitten einer feucht-fröhlichen Feier wieder. Es wurde Musik gespielt, getanzt, gespeist, getrunken, mehr getrunken, zu viel getrunken, Tauziehen wurde gespielt, Louhi der Drache stellte sich als Rutsche und Flugdrachen zur Verfügung (die Tatsache, daß Lahja bereits zu mehreren alkoholischen Getränken eingeladen und überredet worden war, fand beinahe einen bösen Ausgang für ihren Mageninhalt und Louhis Hals, als der Drachen mit ihr auf den Schultern Schleifen und Loopings flog und in halsbrecherische Sturzflüge ging).
    Es war ein herrlicher, amüsanter Abend gewesen ... aber der Kater, der sie am nächsten Morgen bestrafte, ließ sie sich schwören, nicht mehr so viel zu trinken, zumindest keine alkoholischen Getränke. Den ganzen Tag über war sie kaum fähig, den Tonkrug zu halten, um das versprochene Wasser zu schöpfen und zu liefern. Die ersten gefüllten Krüge wurden nicht in Schläuche und Fässer gefüllt, sondern über ihrem Rotschopf ausgeleert, damit sie wieder halbwegs zu Sinnen kam.

    Wenn du keine Perlen hast, nimm Knochenreste für deine Kette und polier' sie so lange bis sie glänzen.

  • Es schien Lahja beinahe, als würde Jedermann in Trent bauen, oder ausbauen, oder umbauen. Wie auch immer, zu Schaffen gab es immer etwas, und zu beschaffen, und zu sammeln für's Schaffen. Den Göttern sei's gedankt, zwei linke Hände hatte Lahja nicht, oft hatte sie ihrem Vater und ihrem Bruder beim Werken zugesehen, kleine Arbeiten von ihm übertragen bekommen. So wusste der Rotschopf mit dem einen oder anderen Werkzeug umzugehen.
    Warum sollte sie aus ihrem Geschick also keinen Profit schlagen?! Eine güldene Nase würde sie sich sicher nicht verdienen, aber daran war ihr auch nicht gelegen. Gewandung wollte sie sich leisten können, ordentliche, der Magen sollte nicht knurren müssen und irgendwann würde sie sich vielleicht ein kleines Sparschwein zulegen, um selbst einmal eine kleine Hütte zu besitzen, oder ein Schaf oder zwei, oder eine Kuh, vielleicht auch Hühner. Simkea war voller Möglichkeiten!


    Es ergab sich, daß Alexa helfende Hände für den Bau ihres Hauses suchte, so sprach Lahja sie an. An der Baustelle angekommen solle sie den Vorarbeiter ansprechen, der würde ihr alles weitere erklären und ihr Arbeit zuweisen, erklärte Alexa freundlich.


    Der Rotschopf ließ sich den Weg erklären und erreichte voller Tatendrang das Haus Alexas, an der die Arbeit schon ordentlich fortgeschritten war. Der Vorarbeiter musterte sie argwöhnisch, wohl überlegend, welche Arbeiten man einem Weib wohl zutrauen konnte, abgesehen von Wasser schleppen oder Eintopf für die Arbeiter kochen.
    Nun gut, auf das erste lief es vorerst hinaus: fleissig die Haspel am Brunnen drehen, Wasser den Brunnenschacht hinauf befördern und dem Maurer bringen, auf daß er den Lehm anrühren konnte. Sie könne doch sicher auch den Karren mit Stroh befüllen und ihm bringen. Ach, füll sie doch von dem Stroh in den Lehmbottich, nicht zu grob, etwas feiner müsse es schon sein, die Halme kürzer, am Besten gleich ein dickes Bündel mit der Säge schneiden. Na, das sähe doch schon recht ordentlich aus. Ob sie wohl auch einige brauchbare Zweige von dem Stapel dort hinten für das Gefache zusammensuchen könne, dann könne er, der Maurer sich weiter um seinen Lehm kümmern und die Wand würde zügiger fertiggestellt.


    Es war harte Arbeit, aber Lahja hatte Spaß daran. Am besten gefiel ihr allerdings tatsächlich das Zusammensuchen passender Zweige für das Lehmgefache, nicht zu weich, nicht zu fest, lang genug. Diese wurde miteinander verwoben, in- und umeinander gesteckt, so daß sich schließlich ein ausreichend fester Halt aus Zweigen für den Lehm ergab. Augenscheinlich waren sowohl Maurer als auch Vorarbeiter zufrieden mit ihrer Arbeit, denn am folgenden Tag sollte sie bei der rückwärtigen Wand auch zur Hand gehen.


    Jetzt, als die Dämmerung einsetzte, wurden aber erst einmal Werkzeuge gereinigt und dem Vorarbeiter übergeben, der Durst mit Wasser gelöscht und der Lehm von Armen und Gesicht gewaschen.

    Wenn du keine Perlen hast, nimm Knochenreste für deine Kette und polier' sie so lange bis sie glänzen.

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  • Als Siderik pfeifend um die Ecke in die schmale Gasse einbog taten ihm zwar die Arme und das Kreuz weh, doch er war insgesamt glücklich.
    Warum auch nicht?
    Seit seiner Ankunft in dieser Welt, seit er sein altes Leben abgelegt hatte, war es ihm gut gegangen. Er hatte als Schlachter und Jäger, als Sammler und Heiler gearbeitet, er hatte gesucht und gesammelt und sein letztes Geld für allerlei Leckereien ausgegeben. Und dann hatte er eines Tages auf dem Marktplatz inne gehalten und begriffen, was er bislang überhört hatte. Das Hämmern der Dachdecker.
    Überall waren sie, die Bauleute, die Dachdecker, die Zimmermänner, die Maurer. Überall in Trent wurde gebaut und gebastelt, und überall entstanden neue Behausungen, so groß, dass ein Mensch allein sie nicht errichten konnte.
    Also warum...warum nicht helfen?
    Und so hatte er ans schwarze Brett einen Zettel geklemmt, der verlündete, dass er gerne zu helfen bereit sei.
    Prompt hatte Finchen ihm einen Auftrag erteilt. Tagelang hatte er gehämmrt und gewerkelt. Noch wenige Stunden Arbeit und das Werk wäre beendet - und er freute sich schon jetzt auf den Batzen Geld!
    Der nächste Auftrag wartete auch schon, und so hatte er beschlossen, abends noch an der Baustelle von Alexis vorbeizuschauen - vielleicht konnte er ja schon morgen hier anfangen?
    Doch er staunte nicht schlecht, als er bemerkte, dass hier im Grunde schon alls erledigt schien. Die Arbeiter packten gerade die Werkzeuge ein und es war deutlich, dass man ihn hier nicht mehr brauchen würde.
    Eine Frau in der Nähe viel ihm dabei deutlich auf, vor allem wegen ihrer strahlend roten Haare. Er trat näher an die Baustelle heran. Und rief.


    "He Rotschopf! Du da! Hast du einen Moment?"

  • Lahja wischte sich mit dem Ärmel ihrer Tunika das Wasser vom Gesicht und aus den Augen und schaute auf.
    Kurz zuckte eine Augenbraue in die Höhe, als ein Kerl nach ihr rief, als sei sie ein Gassenbalg. Sie stand auf und wandte sich dem Rufenden zu, ohne aber auf ihn zuzugehen.


    "Um dir Benimm beizubringen?" rief sie mit einem leisen Schmunzeln in derselben Lautstärke zurück und musterte den Kerl neugierig.
    War sie ihm schon begegnet? Gab es einen Vorfall, an den sie sich erinnern sollte, irgendetwas, das den Kerl nun dazu brachte, sie zur Rede zu stellen? So fieberhaft Lahja auch nachdachte, es wollte ihr nichts einfallen. Sie nahm ihn in Augenschein: ein einfacher Kerl, vielleicht einer der Handwerker? Nein, er wäre ihr sicher aufgefallen.


    Ein paar Schritte ging sie nun auf ihn zu. "Also? Was gibt's?"
    Ein Hauch von Argwohn lag in ihrem Blick, als sie ihn abwartend anschaute.

    Wenn du keine Perlen hast, nimm Knochenreste für deine Kette und polier' sie so lange bis sie glänzen.

  • Au ha.
    Das saß.
    Siderik zuckte kurz zusammen, als die Angesprochene ihn auf seinen rauhen und fordernden Ton hin ansprach. Und auf seine Wortwahl.
    In den Tagen in dieser Welt hatte er wohl doch zu viel Zeit in den Wäldern, den Bergen und der Nordschneise verbracht - vom Sumpf ganz zu schweigen.
    Daher stotterte er auch die ersten Momente rum und unterbrach sich schließlich mit einem entschiedenen räuspern.
    Mit einem Lächeln begann er erneut.
    "Verzeiht, Gnädigste."
    Er deutete eine leichte Verneigung an.
    "Ich hörte man sucht hier nach Arbeitern?"

  • Gnädigste! So hatte sie noch niemand genannt und Lahja konnte nicht anders als aufzulachen.
    "Lahja." Der Rotschopf ging weiter auf den Kerl zu und nickte.
    "Ja, schon. Aber da solltest du wohl mit dem Vorarbeiter reden, ich bin auch nur Tagelöhner hier."


    Mit dem Daumen deutete sie über ihre Schulter zu dem Kerl, der so hoch wie breit war und gerade noch die Werkzeuge einsammelte und sortierte.


    "Und so Firlefanz..." unbestimmt fuchtelte Lahja mit der Hand vor Siderik herum, auf seine angedeutete Verbeugung anspielend.
    "... kannst du dir hier sparen. Es sei denn, die Auftraggeberin und Bauherrin taucht auf, dann ist das vielleicht noch angebracht."


    Aber selbst das bezweifelte sie. Sie schenkte ihm ein freundliches Lächeln. Sie hatte wohl etwas zu forsch auf seine Worte reagiert und wollte ihm zu erkennen geben, daß sie gar nicht so empfindlich war, wie es vielleicht schien.


    "Für heute sind wir fertig, morgen wird aber sicher wieder mehr als genug Arbeit da sein."

    Wenn du keine Perlen hast, nimm Knochenreste für deine Kette und polier' sie so lange bis sie glänzen.

  • Siderik rieb sich etwas betreten die Hände.
    "Gut...danke für den Tip, ich werde es mir merken."
    Er besah sich das Bauwerk hinter der Dame und merkte, dass für ihn im Moment nichts mehr zu tun war.
    "Dann werde ich mal gehen und morgen wieder kommen...Lahja.."
    Er nickte noch einmal...und gab sich einen Ruck.
    "Hüstel...Wenn du fertig bist..und dich ja scheinbar schon hier auskennst...Darf ich dich zu einem Bier einladen?"

  • Lahja konnte sich ein Schmunzeln kaum verkneifen, als sie den Kerl betrachtete, wie er da so vor ihr stand. Er war wohl nicht gerade jemand, dem es leicht fiel, auf Fremde zuzugehen ... ganz im Gegensatz zu ihr.


    Sie nickte mit einem Lächeln auf seine Erklärung hin, daß er am nächsten Tag wiederkommen würde.
    "Das ist eine gute Idee." Sie deutete auf das halb fertig gestellte Haus und zuckte mit den Schultern. "Es ist noch mehr als genug Arbeit da. Zwei helfende Hände mehr sind da sicherlich nicht verkehrt." Dann hob sie leise lachend in einer abwehrenden Geste die Hände. "Aber das muss natürlich der Vorarbeiter entscheiden."


    Schon damit rechnend, daß sich der Kerl nun umdrehen und die Baustelle verlassen würde, war der Rotschopf milde überrascht, daß er sie auf ein Bier einlud. Nun war es an ihr, sich etwas verunsichert über den Nasenrücken zu streichen.
    "Ehm ... ja, ja klar ... gern, warum nicht. Eine famose Idee!"
    Mit einem herzlichen Lächeln nahm Lahja schließlich seine Einladung an ... als ihr einfiel, daß er sich nocht nicht vorgestellt hatte. Oder hatte sie das überhört?!


    Sie deutete gen Trent. "Zu Reto in die Taverne?"
    Na, wohin wohl sonst, er würde kaum Krüge mit Bier in den Hosentaschen bei sich haben.
    "Ehm ... wie wirst du gerufen?" fragte sie dann doch nach seinem Namen.

    Wenn du keine Perlen hast, nimm Knochenreste für deine Kette und polier' sie so lange bis sie glänzen.

  • Siderik grinste breit.
    "Ja, Reto ist ja das beste Haus am Platze...und das Einzige. Und gerufen...in letzter zeit ruft man mich häufig mit 'He, du da, ich wollte die Äpfel ernten!'....aber Siderik genügt."
    Er lachte laut.
    "Entschuldige. Normalerweise bin ich höflicher und gesprächiger, aber diese Welt hier verwirrt mich immer noch jeden Tag aufs Neue. Portale, lauter freundliche Leute, kein einziger pfeifender Taschendieb weit und breit, ehrliche Handwerker jeder und jede hier. Und selbst die Orks im Sumpf gehen einem freundlich lächelnd aus dem Weg, als hätten sie zentnerweise gehacktes Ilmenblatt in ihren Kaugulmond gemischt!"
    Er wartete bis seine Begleitung fertig war.

  • Lahja stimmte in das Lachen ein. Sieh an, so verkniffen war der Kerl gar nicht und Humor hatte er auch.
    "Siderik also, freut mich." nickte sie ihm zu und schulterte ihren Rucksack, den sie an den Brunnen gelehnt hatte. Sie wandte sich zum Gehen, darauf achtend, sich neben Siderik zu halten.


    "Ja, nicht wahr?! Hier wird man schier von Herzlichkeit erschlagen."
    Der Rotschopf dachte daran, daß sie anfänglich den Plan hatte, sich zur Not ihr täglich Brot zusammen zu stehlen. Aber das war hier gar nicht nötig.
    "Vielleicht wird der Ton rauher, wenn man erst einmal länger hier ist. Das werden wir wohl noch feststellen."


    Sie gluckste amüsiert bei der Vorstellung von freundlich lächelnden Orks.
    "Oh naja, einen so freundlichen Eindruck hatte der Ork nicht gemacht, den ich auf dem Weg zum Holzfällerlager getroffen hab. Ich habe ihm eine Apfelkitsche entgegen geworfen und Fersengeld gegeben."
    Lahja zog die Nase mit einem geradezu entschuldigenden Schulterzucken kraus. "Ich hatte nichts anderes greifbar ... und laufen konnte ich immer schon schnell."

    Wenn du keine Perlen hast, nimm Knochenreste für deine Kette und polier' sie so lange bis sie glänzen.

  • Siderik sah die Dame neben sich aus dem Augenwinkel genauer an und lächelte.
    "Nicht schlecht, die Idee mit der Apfeltasche..."
    Er zuckte die Schultern und ging neben ihr her.
    "Tja, keine Ahnung, was den Ton angeht. Hier in Trent sind alle Menschen bislang unglaublich nett, überall hoppeln Häschen und Bienchen surren...und wenn man auch nur andeutet, dass man Probleme hat helfen alle. ich glaube schon nicht mehr an einen rauen Ton. Aber hey, immerhin hilft das jedem, jedem scheint es annähernd gut zu gehen - und die Statdmauern sehen auch bei weitem nicht so aus, als hätte es hier in den letzten Jahrzehnten irgendwelche kriege gegeben."
    Sie bogen um die nächste Straßenecke und gelangten allmählich in die Nähe des großen Marktplatzes. Die Frau mit den Rubbellosen lächelte Siderik zu, hatte er doch erst gestern zum wiederholten Male ihren Wildfang zurück gebracht. Siderik lächelte kurz zurück und wendete sich wieder Lahja zu.
    2 Was treibst du so? Wenn du grade nicht bei Baustellen herum stehst und unhöflichen Passanten ein Lächeln schenkst?"

  • 'Überall hoppeln Häschen und Bienchen surren...' Lahja grinste und schaute Siderik an.
    "Klingt wie die Gute-Nacht-Geschichten, die man als Kind erzählt bekommen hat, nicht wahr?!"
    Sie neigte den Kopf leicht und runzelte die Stirn einen Augenblick, offensichtlich grübelnd, bevor sie fortfuhr.
    "Aber doch, Neid gibt es auch hier und Missmut." Ein knappes Nicken sollte ihre Worte wohl bestärken.
    "Natürlich ist es nicht zu vergleichen mit dem Leben in Noröm. Aber vielleicht sind die Wesen hier einfach glücklich, vor den dunklen Horden gerettet worden zu sein. Dafür danken sie MasterX ... und verehren ihn."


    Auch Lahja nickte Almuth zum Gruß zu, als sie das Rathaus passierten, dann lachte sie leise auf Sideriks Frage hin.
    "Lächeln zu verschenken ist gar nicht verkehrt, denn jedes geschenkte Lächeln ..." Wieder blickte sie den Begleiter an. "... ist eine Anzahlung auf das eigene Glück."


    Innerlich ächzte Lahja auf. 'Mit solchen Weisheiten haust du niemanden aus den Schuhen, Weib!' dachte sie im Stillen.
    Wieder strich sich der Rotschopf über den Nasenrücken. "So hat meine Mutter immer gesagt." wurde beinahe rechtfertigend erklärt.


    Sie wich einem Burschen aus, der an ihnen vorbei rannte ... ihm folgend ein älterer Mann, lauthals zeternd "Na warte Bursche, wenn ich dich erwische ..."
    Lahja schaute den beiden nach und kicherte leise, dann zuckte sie mit den Schultern.


    "Ach, ich verdiene mir mein täglich Brot mit Hilfe auf oder für Baustellen. Wenn mir die Stadt zu viel wird, setze ich mich außerhalb auf einen Hügel und flechte Weidenkörbe oder erkunde die Gegend um Trent herum. Wobei ich natürlich auch den einen oder anderen Apfel pflücke ... aber noch nie so ... nette Namen bekommen habe wie du." lachte sie.


    "Und du?" Mittlerweile hatten die beiden den Marktplatz erreicht und mussten eins um andere Mal Marktkarren, Ständen und eifrig feilschenden Marktweibern ausweichen. "Wie verbringst du deine Tage?"

    Wenn du keine Perlen hast, nimm Knochenreste für deine Kette und polier' sie so lange bis sie glänzen.

  • Sie saßen in der Taverne und genehmigten sich das eine oder andere Feierabend-Bier, während sie über das Leben hier, die Baustelle, Pläne plauderten. Die Vergangenheit wurde nicht angesprochen, den Meisten waren die Erinnerungen zu schmerzhaft, das lernte man hier in Simkea sehr schnell.


    Im Laufe des Abends stellte sich heraus, daß Lahja und Siderik eines gemein hatten: die Freude am Schaffen. Auch waren Beide offensichtlich handwerklich nicht unbegabt, was sie auf der Baustelle zusammen gebracht hatte.


    So kam es also, daß sie sich am nächsten Tag wieder auf der Baustelle trafen, auch am darauf folgenden Tag und an dem Tag danach. Und allmählich entwickelte sich eine Freundschaft, die auf Respekt vor dem Geschick des Anderen basierte, Man tauschte sich aus, wie man was vielleicht ein wenig besser machen könne, welche Lehmmischung sich besser für Aussenwände eignete, welche Ruten für das Gefache, wie man Bretter sorgfältig hobelte. Hinzu kam, daß beide nicht mehr allein waren, was aber nie thematisiert wurde.


    Alexas Bau war mittlerweile abgeschlossen und die Bauherrin zufrieden, als sich eine neue Arbeitsgelegenheit auftat: Ratti suchte Helfer für ihren Ausbau und Lahja und Siderik bewarben sich um den Bau, nicht jeder für sich, sondern gemeinsam, als Partner.

    Wenn du keine Perlen hast, nimm Knochenreste für deine Kette und polier' sie so lange bis sie glänzen.

  • Die Zusammenarbeit verlief tatsächlich harmonischer, alsSiderik es sich je hätte vorstellen können.
    Lahja war die kommunikativere und aufgewecktere von beiden, sprach viel mit den Leuten und brachte neue Baustellen zutage, wo er nie welche erwartet hätte. Zudem war sie ungemein geschickt mit dem Hammer.
    Siderik wiederum war der wanderfreudigere, den es seit seinem ersten Tag hier herum getrieben hatte. Er kannte die Gegend, hatte schon zahlreiche Orte bereist und wusste wo man was bekommen konnte. So rannte er manchmal tagelang umher, um benötigte Bauteile zu ergattern und schoss nebenbei noch das ein oder andere Reh oder pflückte seltene Heilkräuter.
    Das Leben entwickelte sich gemächlich und beide konnten die ersten Heller beiseite legen.

  • Einige Tage war Lahja suchend über den Markt gelaufen, hatte hier gesucht, dort geschaut, Filz, Wolle, Garn besorgt, Farbpulver in verschiedenen Grüntönen. Schließlich war sie durchs Umland gestreift, um besonders dünne und biegsame Weidenruten oder Zweige zu suchen, vom Boden und aus dem Unterholz aufgesammelt, nicht von Bäumen abgeschnitten.


    Jeden Tag, wenn es nach der Arbeit auf der Baustelle noch hell genug war, schnitt sie Filz zurecht, rupfte und zupfte Wolle, färbte, zwirbelte und werkelte.


    Immer wieder sah sie den betrübten Blick von Mallorn vor sich, als er sein erstes Blatt in diesem Herbt verloren hatte. Sie hatte versucht ihn aufzumuntern, was ihr auch im Ansatz gelungen war. Doch es betrübte ihn sehr, das hatte sie bemerkt und so hatte sie überlegt, wie sie ihrem Freund über die kalte Jahreszeit helfen könne. Scherzend hatte Mallorn von kunterbuntem Strickwerk gesprochen ... und das hatte sie schließlich auf die Idee gebracht, eine Blättergirlande zu basteln.


    Elle um Elle fügte sie Weidenruten aneinander, band gefärbten und zurecht geschnittenen Filz daran fest, zwirbelte gefärbte Wolle um die Zweige und Ruten, bis das Tageslicht vollends gewichen war. Für die Nacht rollte sie die so weit fertig gestellt Girlande zusammen und packte sie vorsichtig in einen Tuchbeutel, um sie am folgenden Abend wieder auszupacken und weiter daran zu arbeiten.


    Als sie der Meinung war, die Girlande sei lang genug, sie passte mittlerweile nicht mehr in den Tuchbeutel und war schwerer geworden, als sie geglaubt hatte, verstaute Lahja sie in einer hohlen Eiche, die sie im Umland in der Nähe der Stadt gefunden hatte.
    Sie lief zurück nach Trent und suchte den Ent. Als sie ihn schließlich am Markt fand, platzte sie beinahe.
    "Mallorn, Mallorn, hast du Zeit? Du musst dir unbedingt etwas ansehen ... bitte!"

    Wenn du keine Perlen hast, nimm Knochenreste für deine Kette und polier' sie so lange bis sie glänzen.

  • Mallorn sah Lahja über den Markt hetzen und in seine Richtung kommen, sie war ganz ausser Atem als sie ihn erreichte. Er hatte sie noch gut in Erinnerung, hatte sie ihn doch mit ihren aufmunternden Worten aus dem Trübsal der Herbststimmung gerissen. Er hatte sich schon Gedanken gemacht was wohl die Simkeaner sagen würden wenn er ohne Blätter sein würde und in den Straßen von Trent sine Blätter umhergeweht werden würden. Was sie wohl von ihm wollte? Er bückte sich zu ihr herab und sagte: "Was gibt es den so wichtiges das du so angerannt kommst?"

    Einmal editiert, zuletzt von Mallorn ()

  • "Ich muss dir unbedingt etwas zeigen, draußen vor den Stadttoren."
    Lahja deutete mit dem Daumen über ihre Schulter zu den Toren und versuchte, zu Atem zu kommen.
    "Kommst du, ja? Bitte?" Sie war unendlich gespannt, was Mallorn zu der Girlande sagen würde und streckte ihm hibbelig ihre Hand entgegen. "Es ist nicht weit."

    Wenn du keine Perlen hast, nimm Knochenreste für deine Kette und polier' sie so lange bis sie glänzen.