Die Suche nach dem Ich

  • Am Morgen gab es auch wieder Fische zum Frühstück. Diese Ernährung war dann doch mehr nach Miriam's Geschmack als ausschließlich Früchte. Nach dem Frühstück sprang sie ins Wasser und schwamm zur Insel. Ein Ruderboot wäre ganz praktisch, aber ihr machte es nicht wirklich etwas aus, zu schwimmen. Die Insel war felsig, aber leicht zu erklettern.

    Miriam wanderte von der Buchtseite zur Meerseite hinüber und hier erwartete sie eine weitere Überraschung: In Mitten eines verwilderten Gartens stand eine halb verfallene Hütte. Es schien schon lange niemand mehr hier gewesen zu sein, aber es war ein perfekter Platz für eine solche Hütte. Drinnen gab es einen großen Raum mit einem kleinen Kamin. Es war nichts Ausgefallenes, aber von der Tür aus hatte man einen wundervollen Blick über's Meer. Ein Apfelbaum spendete Schatten, und so saß Miriam dort lange tagträumend saß.

    Die Sonne war schon wieder deutlich über dem Zenit, als sie sich zusammenriss. Troubadix würde sich langsam Sorgen machen. Sie hatte zwar gesagt, dass sie nicht sofort wieder käme, aber fünf Tage war für ein paar Kirschen schon eine lange Zeit. Schweren Herzens machte Miriam sich auf und schwamm zurück zum Festland. Dort aß sie noch einmal gebratenen Fisch, bevor sie ihre Habseligkeiten zusammenräumte und sich wieder an den Aufstieg über die Klippen machte.

  • Am nächsten Morgen schaute Miriam noch einmal über die Bucht, bevor sie sich wieder durch den Dämmerpfad zurück ins Dunkel begab. Die Kirschkerne lagen noch an Ort und Stelle, so dass sie recht schnell den ersten markierten Baum wiederfand. Sie brachte hier noch eine zweite Markierung an, damit sie den Abzweig wiederfinden konnte. Danach nahm sie die systematische Suche nach den normalen Dämmerpfaden wieder auf.

    Irgendwann sah sie im Halbdunkel eine Jagdhütte und da atmete Miriam erleichtert auf. Hier war sie schon oft gewesen und der nächte Dämmerpfad in den hellen Teil des Waldes war nicht mehr fern. Es fühlte sich gut an, wieder zu wissen, wo sie war. kaum eine Stunde später war sie dann endlich wieder im Dämmerwald. Sie freute sich darauf, Troubadix alles zu erzählen, und so machte sich Miriam zu seiner Behausung auf. Dieser begrüßte sie freudig mit "Ich hatte schon langsam Angst bekommen". Miriam winkte großspurig ab: "Es gab einige Komplikationen aber ich habe eine großartige Geschichte, die ich Dir erzählen muss..."

  • Miriam hatte nicht wirklich gut geschlafen. Ihre Entdeckung war so unglaublich, dass sich ihre Gedanken immer noch im Kreis drehten. Auch Troubadix hatte sie mit ihrer Geschichte überrascht und dabei kannte dieser den restlichen Wald wie seine Westentasche.

    Wenn sie die Augen schloss, sah sie die Sonne über der Insel und im Wasser blitzen. Das Haus war genau so, wie sie sich es schon immer erträumt hatte. Troubadix setzte sich neben sie: "Was denkst du?" Miriam antwortete: "Ich möchte in das Haus ziehen. Es muss etwas repariert werden, aber so viel Handwerk kann ich allein, ich bin eine gute Gesellin." Sie lachte. "Nur es ist weit weg von allem." "Ist das schlimm?" fragte der Goblin. Miriam dachte darüber nach. "Weiß nicht. Ich bin dann auch weit weg von Trent und von meinen Freunden. Aber in letzter Zeit war ich in Trent und mit meiner Arbeit nicht mehr glücklich. Die letzten zwei Wochen haben mir gezeigt, dass ich hier viel glücklicher bin, auch wenn es bedeutet, dass ich mich in vielerlei Hinsicht einschränken musste. Wenn ich es mir also aus dieser Perspektive anschaue, dann wäre es nicht schlimm."Troubadix nickte."Also dann... Schreib doch Deinen Freunden, dass Du Deine Auszeit verlängerst und hinter das Dunkel ziehst." Troubadix musste über seine eigene Formulierung lachen und Miriam wurde davon angesteckt. Es war eine herzliche Freude und sie bemerkte in diesem Moment, wie glücklich sie sich fühlte. Sie schob ihre Zweifel beiseite und fing an, zusammen mit ihrem Freund die weiteren Schritte zu planen.



  • Miriam saß vor der Hütte und sah dem Sonnenaufgang zu. Dabei knabberte sie an einem Apfel, den sie frisch vom Baum gepfückt hatte. Ihr Bastrock raschelte, als sie sich etwas anders hinsetzte, um besser auf die See hinausgucken zu können.

    Sie wohnte auf den Tag genau zwei Jahre hier auf der Insel im "Hinterdunkel", wie sie es von Troubadix inspiriert getauft hatte. Außer diesem wusste keiner, wo sie war. Sie lebte von den Dingen, die ihr der Dämmerwald, die Insel und die See ihr boten. Sie hatte die Hütte sehr gemütlich hergerichtet, sich dabei aber auf das Notwenige beschränkt. Es war ein einfaches Leben, aber sie war glücklich. Vor ihrem "Ausstieg" hatte sie sich wie im Laufrad gefühlt, sie war immer schneller gelaufen, ohne die Bestätigung, wirklich einen Schritt voranzukommen. Sie war Camulos sehr dankbar, dass er ihr den Weg zu einem anderen Leben gezeigt hatte.

    Ein paar Mal im Jahr machte sie sich auf, um nach Trent zu gehen. Dort traf sie dann Freunde und stockte die Sachen auf, die es hier nicht gab. Sie liebte Simkea und auch die Geschäftigkeit aller Norömüberlebenden. Wenn sie jetzt nach Trent kam, dann konnte sie all die konstante Aktivität fleißiger "Bienen" genießen, ohne gleich zu denken, dass sie selbst zu wenig tat. Sie ließ sich davon eine Weile tragen oder machte Ausflüge in andere Bereiche Simkeas. Aber am Schluss kam sie immer wieder hierher auf die Insel zurück.

    Wie Miriam so darüber nachdachte, merkte sie, dass sie nicht mehr oft an die Schrecken aus Noröm dachte und endlich in der neuen Heimat angekommen war. Damit stand sie auf, zog die Rindenlatschen aus, sprang ins Wasser und schwamm ihre morgendliche Runde im Meer.


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