die Lequa'na - und war der Tag nicht dein Freund, so war er dein Lehrer

  • Als dem ältesten von sechs Kindern - vier Jungen, zwei Mädchen - war es Zihaani nach alter Sitte erlaubt, den Schutz der Sippe zu verlassen und die Lequa'na anzutreten, die große Reise in die Fremde, um das Leben unter Unbekannten zu erfahren, ein Handwerk zu erlernen und - so es denn sein soll - einen Gefährten zu finden.


    So begab es sich also, daß die Halbelfe am fünften Tag des neunten Mondes im Jahre 11 nach der großen Mondenwende die Stadt Trent erreichte.


    Vom Vater, einem stattlichen Elben, wohl Ausdauer und Agilität mit in die Wiege gelegt bekommen, verfügte sie über ihrer Mutter, einem anmutigen Menschenweib, Fingerfertigkeit und den Hang zu feineren, weniger kräftezehrenden Tätigkeiten.
    Vom Rathaus aus, wo sie sich im Bürgerverzeichnis eintragen ließ, begab sich Zihaani zum großen Marktplatz, um das hiesige Warenangebot in Augenschein nehmen zu können. Schließlich würde sie hier - wo sie eine Weile zu leben gedachte - ihr täglich Brot verdienen, einem Handwerk nachgehen müssen.
    Die Töpferei hatte es ihr angetan, Lehm mit etwas Geschick und einem ordentlichen Maß an Wasser in ansprechende Formen zu bringen, Trinkgefäße und andere Behältnisse zu fertigen, derer es im täglichen Leben bedurfte. Wie es ihr schien, wurden auch hier in Trent noch Töpferwaren benötigt, so war die Profession schnell gewählt, die Zihaani zu Speis' und Trank und früher oder später vielleicht einem Dach über dem Kopf verhelfen sollte. Doch erst einmal hieß es, sich umzusehen, die Stadt und das Umland kennenzulernen und auch den einen oder anderen Kontakt zu den Trenter Bürgern zu knüpfen.



    Trent ... ein belebtes Städtchen mit sehr herzlichen, freundlichen Einwohnern, die es Reisenden und Neubürgern leicht machten, sich schnell wohlzufühlen und einzuleben.
    Ein der Halbelfe zunächst etwas Unbehagen einflößendes Wesen, eine sogenannte Knochenspielerin, entpuppte sich bald als äußerst hilfsbereit und ermöglichte Zihaani die ersten selbstverdienten Heller.


    Selena bot ihr an, für den Bau ihres Hauses einige Arbeitsstunden abzuleisten und Lehm zu beschaffen ... was Zihaani gern annahm, würde sie den über kurz oder lang eh selbst benötigen.
    Als sie sich an der ihr beschriebenen Baustelle einfand, um den Lehm abzuliefern und einige einfache Arbeiten zu verrichten, schaute sich die Halbelfe genauer um und sah viele schöne Häuser, angefangen von einfachen Holzbehausungen bis hin zu geradezu hochherrschaftlich ausgebauten Steinhäusern mit Gärten.


    Und schon wurde ein Plan gefaßt: hier würde auch Zihaani sich ein Fleckchen Land aneignen, um ihr eigenes, kleines Heim zu erschaffen. Doch bis dahin würde sie noch viele Heller und Silberlinge verdienen müssen.


    Engel, eine herzensgute und begnadete Köchin verhalf der Halbelfe, ihrem Ziel wieder näher zu kommen. Sie schlug ihr vor, im Umland Früchte zu sammeln, die für die Zubereitung von begehrten, schmackhaften und sättigenden Speisen benötigt wurden. Lediglich ein großer Weidenkorb, gutes Schuhwerk und ein gerüttelt Maß an Ausdauer sei vonnöten, erklärte Engel freundlich lächelnd.
    Gab es eine bessere Möglichkeit, das Umland von Trent kennenzulernen?! So also verließ Zihaani die Sicherheit der befestigten Stadtmauern und erkundete die Landschaften außerhalb der Stadt, ihr Augenmerk fortwährend auf üppig bewachsene Blaubeersträucher und Apfelbäume gerichtet. Derart entspannt, geradezu mit Leichtigkeit ließen sich hier also Heller verdienen ... war das Leben nicht herrlich?! Schwester Mond schien ihr wahrlich gut gesonnen!


    Das Leben wird zu 10% davon bestimmt, was Dir widerfährt und zu 90% davon, wie Du darauf reagierst.

  • Seit Äonen huldigt Zihaanis Sippe den Monden Asmalys und Efeareene, in ihren Namen werden Bündnisse geschlossen, Neugeborene willkommen geheißen, ihnen dankt man für den Lauf der Jahreszeiten, dankt für ertragreiche Ernten und das für erfolgreiche Jagden gespendete Licht während der Nachtstunden. Sie bittet man um Schutz in der Dunkelheit und um Geleit während der Lequa'na.
    Die Halbelfe hörte von einer kleinen, hier ansässigen Gemeinschaft, die ebenso dem Lunatum folgt und erkundigte sich hier und dort, fing Gesprächsfetzen auf dem Marktplatz auf und wußte bald schon, an wen sie sich zu wenden hatte.
    Das Gespräch mit Bruder Carlos verlief freundlich und herzlich, beinahe wie mit einem langjährigen Freund und kurz darauf wurde Zihaani offziell in der ansässigen Gemeinschaft der Lunarier willkommen geheißen. Nicht, daß sie das Wissen um Glaubensgeschwister benötigte, um ihrem Glauben zu folgen, doch war sie erfreut und glücklich, Gleichgesinnte zu treffen.


    Vor allem zu Xora entwickelte sich alsbald ein sehr enges, freundschaftliches Verhältnis. Bei jeder sich ergebenden Gelegenheit saßen die beiden zusammen und schwatzten, tauschten Neuigkeiten aus und halfen sich aus, wo Hilfe nötig war. Es zeigte sich sehr schnell, daß Xora nicht nur Schwester im Geiste, auch Schwester im Herzen war.
    Auch nachdem die Freundin von Blackdragon offiziell zur Gemahlin auserwählt und somit einer nicht vermeidbaren, anfänglich milde erschreckenden Wandlung unterzogen wurde, sollte dieses Band nicht reißen. Es gab so Vieles, das Zihaani völlig fremd war, das erfasst und begriffen werden wollte, doch Xora erklärte der Halbelfe - die sich in diesem Moment ausgesprochen dumm und unerfahren vorkam - die Umstände der Wandlung und ihres "neuen Daseins". Und zugegeben: der Bund mit Black und die Wandlung hatten Xora in eine strahlende, charismatische Schönheit verwandelt. Nie hätte Zihaani so etwas für möglich gehalten. Wäre ihr so etwas wie Neid bekannt, gäbe es beinahe Anlaß, ihn ob der Erscheinung der Freundin an den Tag zu legen. Doch Zihaani freute sich mit Xora und dankte Schwester Mond für deren Glück, einen liebenden Gefährten gefunden zu haben.


    Wer weiß, ob ihr selbst solch ein Glück auch bestimmt sein würde?!


    Das Leben wird zu 10% davon bestimmt, was Dir widerfährt und zu 90% davon, wie Du darauf reagierst.

  • Mehrere Male schon war Zihaani ein junger Kerl mit rotem Schopf in Trent aufgefallen. Doch offensichtlich war er entweder nicht Willens oder zu scheu, die Begegnungen über einen Blick und ein Lächeln hinauslaufen zu lassen. Am Brunnen schließlich wechselte man ein paar Worte, doch schien der Kerl in Eile oder tatsächlich nicht interessiert, so beschloß die Halbelfe, den Rotschopf Rotschopf bleiben zu lassen.
    Eines späten Vormittags zum Ende des Holzmondes hin begab es sich, daß Reto, der Patron der Taverne Zihaani um einen Gefallen bat, benötigte er doch einige Dinge, konnte aber die Schänke nicht verlassen. Zum Dank schenkte er ihr einen "Schnaps" aus. Nicht wissend, um was für ein Gebräu es sich handelte, leerte sie das kleine Gefäß mit einem Mal ... ihr stockte der Atem, sie hustete und rang nach Luft und schaute Reto überrascht und gleichzeitig verärgert an. "Himmel, was schenkt Ihr denn da aus, Kerl?" Ihr Husten wurde durch Retos Gelächter übertönt, Zihaani hatte nur noch den Wunsch, nach draußen an die frische Luft zu kommen.
    Doch das sollte sich wesentlich schwieriger gestalten als angedacht. Dieser "Schnaps" ließ sie unkontrolliert taumeln, machte die Zunge und Augen schwer und verursachte einen Übelkeit erregenden Schwindel. Was für ein Höllengebräu! Bis zum Marktplatz schaffte es Zihaani, wo sie sich mühevoll auf ein leeres Faß setzte. Nur zu gern hätte sie das Rufen der Marketender, laute Feilschen und die aberhunderten Gerüchen, die die Luft am Marktplatz schwängerten, hinter sich gelassen, doch ihre Beine wollten ihr nicht gehorchen. So blieb der Halbelfe zunächst keine andere Wahl, als abzuwarten, daß die Wirkung dieses Gebräus nachlassen würde.


    Eine Stimme riß sie aus ihren Gedanken und als Zihaani aufsah, erblickte sie den Rotschopf. Offensichtlich war nicht zu übersehen, daß es ihr nicht sonderlich gut ging und er fragte sie, ob er sie zu einem Spaziergang begleiten dürfe. 'Aber ja doch! Nichts lieber als das und zwar stehendes Fußes!' schrie jede Faser ihres Körpers und ebenso mühevoll und wankend wie sie das Faß bestiegen hatte hüpfte sie - sicher alles andere als anmutig - von demselben herunter.


    Der kleine Ausflug - während dem Galliard, wie der Rotschopf sich vorstellte, Zihaani zwei Male vor Schlimmerem bewahrte, als sie durch Schlaglöcher stolperte - führte die beiden in den kleinen Wildgarten im Nordwesten von Trent. Diese herrliche Oase der Ruhe inmitten der Stadtmauern hatte es ihr angetan, hierhin lenkten ihre Schritte sie des Öfteren. Offensichtlich erging es nicht nur ihr so.
    Lange saßen die beiden dort und unterhielten sich. Und nein, es war offensichtlich nicht Desinteresse des Rotschopfs gewesen, das ihn abgehalten hatte, sie vorher schon anzusprechen, das wurde ihr immer klarer.
    Bevor die Dämmerung über Trent und den Wildgarten hereinbrach, verabschiedeten sich Galliard und Zihaani voneinander, Letztere in der Gewissheit, den Rotschopf nach einer Reise, die er würde antreten müssen, wiederzusehen.



    Auf dem Weg zurück schien Zihaani wie im Rausch zu wandeln. Es war ein ähnliches Gefühl, wie das, was der Schnaps mit ihr angestellt hatte ... nur schöner, viel schöner! Sie konnte dem Drang kaum widerstehen, sich tanzend durch die Gassen Trents fortzubewegen. Doch da sie noch in der Töpferei zu tun hatte, erschwerte das Gewicht von Holz und Lehm eh einen allzu beschwingten Gang. Die Arbeiten wollten ihr nicht wirklich gut von der Hand gehen, zu ungeschickt stellte sie sich heute an, zu sehr war sie in Gedanken bei Galliard und dem Nachmittag im Wildgarten.


    Immer wieder sah sie sein leuchtend rotes Haar vor sich, eine Farbe, die sie nie zuvor gesehen hatte. Fortwährend glaubte sie seinen Duft riechen und seine warmen, weichen Lippen schmecken zu können.
    'Himmel, Zihaani, reiss dich zusammen' schalt sie sich immer wieder im Stillen. 'Du stellst dich an wie ein kleines Mädchen, das zum ersten Mal mit auf den Jahrmarkt gehen darf.'
    Doch so oft sie sich immer wieder versuchte auf den Lehmbrocken vor sich auf der Töpferscheibe zu konzentrieren, so oft sah sie Galliards Augen vor sich, die sie mit traurigem, sanftem doch auch wildem Blick fixierten und ihr Herz schien ihr wieder den Brustkorb sprengen zu wollen.


    Seufzend kehrte Zihaani die Scherben der verbrannten Tonwaren zusammen und packte den Lehm wieder in feuchtes Leinen. Es machte keinen Sinn, sich an der Töpferarbeit zu versuchen, ein Plausch auf dem Markt würde sie hoffentlich ablenken.


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  • Wie betäubt hatte Zihaani den Weg von der alten Brücke in Richtung Trent zurück angetreten. Ursprünglich auf dem Weg zum Holzfällerlager hatte sie in der Nähe der seltsamen Waldstelle Galliards Stimme gehört, die gerufen hatte "Weiter zur Brücke." Von Neugierde getrieben schaute sie sich um und sah noch, wie Galliard die Hand einer ihr aus der Töpferei bekannten Person ergriff: Alice. Flink wurden Essenskorb und sonstiger Ballast in einer hohlen Eiche versteckt, dann lief Zihaani los. Die Märsche mit ihrem Vater zahlten sich bei solchen Gelegenheiten aus. Beinahe mühelos flog sie förmlich auf versteckten Wegen über umgefallene Baumstämme und kleine Büsche und erreichte bald darauf die Brücke zur Nordschneise. Schwer atmend schaute sich die Halbelfe um und sah in einiger Entfernung Galliard und Alice auf sie zukommen. Als die beiden die Brücke ereichten, hatte Zihaani wieder ausreichend Atem geschöpft, um - so hoffte sie - einigermaßen gleichgültig zu erscheinen. Der Blick des jungen Nordmanns allerdings war weniger gleichgültig, ihm war das Zusammentreffen offensichtlich einigermaßen unangenehm gewesen. Umso erstaunter war Zihaani, als er sich gekonnt und zügig wieder faßte, als wäre die Situation alles andere als prekär.


    Sie war unfähig gewesen, Galliard noch an Ort und Stelle zur Rede zu stellen, so wie es ihr jetzt auch nicht gelang, einen klaren Gedanken zu fassen. Sollte sie sich derart täuschen lassen haben? Die Überreste einer verwesenden Kreatur, die einige Tage zuvor wohl von einem Jäger gestellt worden war, wurden in hohem Bogen in den nächsten Busch getreten. "Verdammt!!!" rief sie den Baumwipfeln entgegen, was einige Rehe veranlasste, Reißaus zu nehmen. Laub und Waldboden stoben auf und Zihaanis Blick wurde durch Tränen getrübt. Da musste sie sich doch durch den Tritt wohl Staub vom Dickicht in die Augen getrieben haben ...
    Verärgert wischte sie sich über die geschlossenen Lider. Sie verspürte einen unbändigen Drang, den beiden zur Stadtruine zu folgen. Doch etwas viel stärkeres als diese Neugierde hinderte sie daran und lenkte ihre Schritte fest und entschlossen gen Holzfällerlager: ihr Stolz!


    "Du hast Aufträge zu erledigen, sieh zu daß du an dein Holz kommst." mahnte sie sich halblaut. Kurz nur wandte sich Zihaani noch einmal zur Brücke um und fuhr sich mit der rechten Hand über den Nacken, eine Geste, die nur wenige kannten, eine Geste, die sich lediglich offenbarte, wenn die Halbelfe verunsichert war.


    Mittlerweile war sie mehrfach beim Holzfällerlager gewesen, nachdem sie das Umland durchstreift hatte, doch traf sie nie denjenigen der Holzfäller an, den sie anzutreffen gehofft hatte. Sollte denn nach einem guten Start hier in Trent nun alles schief laufen?! Sie war versucht, das Holz eines anderen Arbeiters abzunehmen, aber sie hatte den Handel zugesagt ... und ein Wort war ein Wort!
    Ihr Vorrat war komplett aufgebraucht, ein Vorrat, der eigentlich noch einige Zeit hätte reichen müssen. Aber so ungeschickt, wie sie sich am gestrigen Tag am Brennofen angestellt hatte, waren sowohl Feuerholz als auch Lehmvorrat bald aufgebraucht ... oder eher im Nichts verraucht.
    Zum Töpfern war sie derzeit nicht zu gebrauchen, zu Späßen mit anderen Bewohnern am Markt war sie nicht aufgelegt, also verbrachte sie die meiste Zeit mit warten ... auf einem Baumstumpf am Rande des Holzfällerplatzes, in der Hoffnung, doch noch zu ihrem Feuerholz zu kommen.


    Sie hatte viel Zeit nachzudenken und immer wieder sah sie Galliards Gesicht vor sich, das Funkeln in seinen Iriden, hörte seine Stimme und roch den Duft des roten Haarschopfes, der sie zugegebenermaßen in seinen Bann gezogen hatte. Immer noch spürte sie seine warmen, weichen Lippen auf ihren und sah die Tränen in seinen Augen aufblitzen, als er von der grünen Insel erzählte.


    Sie musste ihn sprechen, musste ihm in die Augen sehen, sie musste Gewissheit haben.
    Zihaani legte die Stirn in Falten und schaute zu den Holzfällern, unter denen sie aber nicht die erhoffte Gestalt ausmachen konnte. "Verdammt..." knurrte sie leise und rutschte auf dem Baumstumpf herum, um etwas bequemer zu sitzen. "Ich gebe ihm noch Zeit bis zur Dämmerung..."


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  • Zihaani hatte Alice eine Nachricht zukommen lassen mit der Bitte um ein Treffen. Die junge Frau hatte zugesagt, nicht wissend, was für ein Gespräch bevorstand. Umso überraschter, erstaunter wurde sie allerdings, als Zihaani ihr von ihrem Treffen mit Galliard erzählte und der ´´Nebenbuhlerin´´ offensichltlich klarmachen konnte, daß dieser Lump mit falschen Karten spielte, unentschlossen seiner Gefühle wohl beide Frauen hofierte.
    Einige Zeit später war Alice ebenso verärgert wie Zihaani es war, beide wohl milde enttäuscht, doch in erster Linie wütend, derart hintergangen worden zu sein. Nein, sie würden nicht um Galliards Zuneigung kämpfen, keine von beiden würde um die falsche Liebe eines Mannes betteln wollen. Entschlossenen Blickes nickten sie sich zu, einen Pakt schließend, wie sie es Galliard würden heimzahlen können. Wie es im Inneren der beiden aussah, wusste wohl nur eine jede für sich, als Zihaani den Dämmerwald wieder verließ und sich langsam auf den Rückweg nach Trent machte.



    Was für ein Triumph! Sie hatten ihn auf dem Marktplatz vor den Augen von anwesenden Händlern, Bürgern, Reisenden bloßgestellt, jedermann sollte erfahren, was für ein verlogener Lump er war! Zihaani hatte Galliard all ihren Zorn entgegengeschmettert, all ihr Unverständnis ob eines solchen Verhaltens. Zwei Edelsteine mit unterschiedlichen Farben ... pah! Als seien sie totes Material, keine Weiber mit Gefühlen. Aber sie hatten ihm gezeigt, daß sie so nicht mit sich umgehen ließen. Als Galliard den Markt schließlich wieder verlassen hatte, reichten sich Alice und Zihaani - stolze Blicke tauschend - die Hand und gratulierten sich zu ihrem Sieg.


    Was für ein Triumph! Er fühlte sich an wie eine breiige Masse, die ihren Mundraum ausfüllte und nicht schmecken wollte, schien er doch gewürzt mit bitt´rem Sud von ... Niederlage.
    Zihaani durchschritt die Gassen von Trent, allein, schweigend, grübelnd. Es wollte einfach kein Siegesgefühl aufkommen. Es war hinterhältig gewesen, Galliard auf den Marktplatz zu locken.
    ´´Ah, er hat´s nicht anders verdient, der Lump!´´ redete die Halbelfe sich ein, was den faden Geschmack eigener Boshaftigkeit und das bittere Gefühl der Rachsucht allerdings nicht weichen lassen konnte.


    Die Idee hatte sich so richtig angefühlt, während sie mit Alice diesen Plan schmiedend im Dämmerwald gesessen hatte. Gegenseitig hatten die Frauen sich zugesprochen, waren sich einig und sicher, daß sie so und nicht anders vorgehen mussten, um diesem hinterhältigen Lump Einhalt zu gebieten.


    Tatsächlich war Zihaani nach wie vor überzeugt davon, daß kein Wesen, welcher Rasse auch immer, es verdient hat, derart hintergangen zu werden. Doch hätte es nicht auch ausgereicht, hätte es nicht ebenso den Zweck erfüllt, wenn sie Galliard zu einem Gespräch zu dritt aufgefordert hätten?
    Ihre Eltern wären sicher alles andere als stolz auf sie, wie sollten sie auch, wenn selbst ihr nun die Ehrhaftigkeit und Richtigkeit ihrer Vorgehensweise verschlossen blieb?!
    Um so bitterer noch wurde der Geschmack auf ihrer Zunge, breiiger noch der Kloß in ihrem Hals, als sie Galliards Lächeln vor sich sah.


    ´´Eines Tages werdet ihr wieder gut von mir denken.´´ hatte er gesagt und ihnen Glück gewünscht. Galliard schien tatsächlich völlig überzeugt von seinem Handeln gewesen zu sein, weder Reue noch Trauer waren in seinen Augen zu lesen gewesen, bevor Zihaani ihm den Rücken zugewandt hatte.


    Plötzlich brodelte es in ihrem Magen und sie beugte sich eilig über den nächsten Busch um kurz darauf die Überreste ihres Frühmahls im hohen Bogen auszuspucken.
    ´´Was für ein Triumph!´´ murmelte die Halbelfe bitter ironisch, als sie Trent verließ, um sich die Luft des Umlands um die Nase wehen zu lassen. Vielleicht würde so ja der Hauch eines Sieges zumindest über sie hinweg wehen.


    Das Leben wird zu 10% davon bestimmt, was Dir widerfährt und zu 90% davon, wie Du darauf reagierst.

  • Der Gilbhart zeigte sich von seiner herrlichsten Seite, die Tage waren schön, die Nächte wurden zunehmend kälter. Zihaani wollte sich sputen, ihr Heim so bald als möglich fertigzustellen, um sich ihr Nachtlager an der wärmenden Feuerstelle in der Stube eirichten zu können.
    Doch so einfach und zügig, wie die Halbelfe sich das vorgestellt hatte, sollte der Bau nicht fortschreiten.
    Es fehlte überwiegend an benötigten Hellern, denn Material wäre ausreichend verfügbar, zeigten sich die Trenter Mitbürger doch ausgesprochen hilfsbereit, erwähnte Zihaani auch nur den Bau ihres Heims.


    So verbrachte sie viel Zeit im Haus des Handwerks, ließ der Töpferscheibe kaum Ruhe und forderte auch den Brennofen nahezu ohne Unterlass. Immer wieder brachte sie Becher, Krüge und Teller zum Markt, verstaute die verdienten Heller sorgsam, im Stillen immer wieder nachrechnend und resignierend seufzend. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen vor dem Winter und ebenso würde es mit ihrem Häuschen voran gehen. Doch Zihaani wollte nicht klagen, sie fühlte sich wohl hier UND hatte bereits einiges erreicht. Der eine oder andere Rückschlag würde sie nicht verzweifeln lassen, so leicht war sie schließlich nicht aus der Bahn zu werfen.


    Das eine oder andere Mal traf sie Alice, die Frauen saßen dann einige Minuten beisammen, tauschten Neuigkeiten aus und plauderten. Obwohl von beiden wohl anfänglich immer vermieden, liefen die Gespräche doch später auf Galliard hinaus: wer von beiden ihn zu Gesicht bekommen habe, ob er sich noch einmal erklärt oder gar entschuldigt habe. Doch all diese Fragen mussten beide stets verneinen. Es schien, als wolle der junge Nordmann vorerst aus der "Schusslinie" bleiben. Doch wer wusste schon, ob er sich inzwischen nicht bereits mit einem anderen Weib tröstete.
    Augenscheinlich gleichgültig zuckte Zihaani mit den Schultern. Sollte er doch! Sie würde Jede warnen, die sie an des Lumps Seite sehen würde. Ansonsten würde sie ihr Leben leben, ihrem Tagwerk nachgehen und die Gesellschaft vieler äußerst herzlicher und freundlicher Trenter genießen.


    Nach wie vor dachte die Halbelfe an Galliard. Natürlich, diesen Vorfall würde sie so bald nicht vergessen.
    Doch sie war nicht mehr erfüllt von Groll und Unmut, das hatte sie hinter sich gelassen. Lediglich die leisen Zweifel an der eigenen Vorgehensweise schimmerten immer noch durch die an den Tag gelegte Gleichgültigkeit hindurch ... und das Gefühl, etwas verloren zu haben, das nicht einmal wirklich gewonnen war.


    Derart in Gedanken versunken schritt Zihaani durch den Wildgarten, bis sie von einem Bienenstock jäh aufgehalten wurde. Sie erschrak, die geflügelten Honigsammler wohl ebenso, was sie durch verärgertes Summen und Angriffe auf des Angreifers Wange, Stirn und Arm kundtaten.


    Laut fluchend ergriff die Halbelfe die Flucht, verließ den Garten und kühlte die Stiche am Brunnen.


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  • Zihaani hatte viel zu tun gehabt während der letzten Tage: noch einige Früchte für Engel pflücken, Teller für die Köchin vorbereiten und ihre Tonbecher verkauften sich auch recht zügig, so daß der Brennofen häufiger geschürt wurde. Allerdings nahm ihr Lehmvorrat in rasanter Geschwindigkeit ab und ihre Aushänge an der Auftragswand waren wohl zu klein oder hingen zu hoch, oder jemand anderes hatte seinen Aushang über den ihren platziert ... im Abhollager war jedenfalls kein Lehm für sie hinterlegt.


    Nun, es war nicht so, als sei sich Zihaani zu gut, den Lehm selbst zu sammeln. Doch seit geraumer Zeit überließ sie die Arbeit gern Neubürgern, die dankbar waren, wenn sie den einen oder anderen Heller verdienen konnten, wie sie selbst noch allzu gut wusste, so lang war ihre eigene Ankunft hier ja auch noch nicht her.


    Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich von Blueface die lehmverschmierte Schaufel zu holen und sich auf zum Schlammloch zu machen. Stiefel und Umhang hatte Zihaani in eine Ecke der Töpferei zurück gelassen, die würden nur hinderlich sein. Vier Säcke aus grobem Tuch wurden mitgenommen, in denen die Lehmbrocken transportiert und auch eine Weile gelagert werden konnten.



    An der Lehmkuhle angekommen machte die Halbelfe sich frisch ans Werk. Beinahe hatte sie schon vergessen, welch' herrliches Gefühl das war, wenn der Lehm kühl und schmatzend zwischen den Zehen durchquoll. Leise glucksend wurde die Schaufel kurzerhand beiseite gelegt und kurz darauf waren Zihaanis Fussabdrücke über die gesamte Lehmfläche verteilt, ihre Füße bis zu den Knöcheln mit Lehm bedeckt, während die Halbelfe den Rock ein wenig raffte und halblaut Lieder ihrer Sippe singend durch das Schlammloch tanzte.


    Mit einem heiteren Lachen wurde das Intermezzo schließlich beendet, denn noch waren die Säcke leer, die Zihaani eine geraume Zeit später einzeln, leise fluchend durch die Gassen Trents zum Haus des Handwerks schleppte.


    Als schließlich ausreichend Töpfermaterial gesammelt und zur Werkstatt gebracht war, machte sich die Halbelfe - mit einem großen Tonkrug ausgerüstet - zum Brunnen auf. Nun galt es, die Spuren ihres Ausflugs auf ihrer Haut und Kleidung zu entfernen, damit sie sich später auf dem Markt würde sehen lassen können.


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  • Allmählich ging der Bau ihres Heims voran, nach und nach konnte Zihaani von durch Töpferwaren verdienten Hellern die benötigten Materialien erstehen. Auf der Baustelle im 'Heilers End' stapelten sich Bretter und Balken, Werkzeuge und Seile lagen aufgereiht und griffbereit, fehlten noch helfende Hände, die mit dem nötigen, handwerklichen Geschick die Teile zu einem Ganzen zusammenfügen würden.


    Die Halbelfe hatte einen Aushang am Marktplatz hinterlassen, zudem wurde Bob, der Baumeister gebeten, sich nach fähigen Handwerkern umzusehen, die für das hier übliche Entgelt Hand anlegen würden.


    Einige Tage musste sie vergeblich warten, alle Handwerker schienen anderweitig beschäftigt, keiner schien Zeit zu haben, sich ihrem Häuschen zu widmen.
    Doch schließlich ließ Bob sie wissen, daß die ersten Handgriffe getan waren, es habe sich ein durchaus geschickter junger Kerl gefunden, der mit dem Entgelt offensichtlich zufrieden und emsig ans Werk gegangen war.


    Schon als Zihaani in die Gasse 'Heilers End' einbog, hallte ihr Hämmern und Klopfen entgegen, so daß sie ihre Schritte beschleunigte, erpicht darauf, den Fortschritt an ihrem Heim mit eig'nen Augen ansehen zu können.
    Die letzten, noch fehlenden Hanfseile hatte sie eben erstanden. Diese wurden nun über die Schulter gehängt und mit dem Arm festgeklemmt, so daß sie bei zügigem Tempo, beinahe Laufschritt nicht herunterfallen würden.


    Sie erreichte den Rohbau und glaubte, die Quelle des Hämmerns hinter einer bereits fertiggestellten Bretterwand ausmachen zu können.
    Gut gelaunt und mit fröhlichem Ton setzte sie an, den fleissigen Handwerker zu begrüßen. Doch als sie sah, wer sich da ans Werk gegeben hatte, verschlug es ihr zunächst die Sprache und sie wollte ihren Augen nicht recht trauen ...


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  • "Du hast Nerven!" raunte sie Galliard an, der mit einem breiten Grinsen von der Arbeit zu ihr auf sah.
    Und wie sich herausstellen sollte, war sein Nervenkostüm tatsächlich fester gewoben als das ihre, das mit jedem seiner Sätze dünner und löchriger wurde.
    Wieder war es ihr Stolz, der sie aber daran hinderte, dem ersten Impuls nachzugeben: auf dem Absatz kehrt machen und das Weite suchen. Schließlich war dies ihr Stück Land, ihr Heim würde in nicht allzu ferner Zukunft hier stehen! ... nun, würde, so sich denn Handwerker finden würden, denn ausser Galliard schien dem Arbeitsangebot niemand nachkommen zu wollen. Welch ein Desaster!


    Die bisher verrichtete Arbeit betrachtend musste die Halbelfe eingestehen, dass dieser Kerl in der Tat handwerkliches Geschick an den Tag legte und würde sie den Winter nicht im Freien verbringen wollen, musste sie wohl hinnehmen, dass es Galliard sein würde, der sich den Lohn für die Arbeiten verdient hatte und wohl auch weiterhin verdienen würde.


    Eine Aussprache über das Geschehene ließ sich nicht vermeiden, auch lag Zihaani etwas daran, dem Rotschopf klarzumachen, dass sie sein Verhalten nach wie vor missbilligte, die Art und Weise jedoch, wie Alice und sie reagiert hatten sie auch nicht gerade mit Stolz erfüllte. Erklärungen, halblaut ausgesprochene Gedanken, erneute Erläuterungsversuche folgten, während derer die Halbelfe die Beweggründe von Galliards Vorgehen erfuhr und im Ansatz verstehen lernte - wenn sie sie auch nach wie vor nicht billigte. Ob der Nordkerl allerdings verstand, warum die beiden Frauen derart reagiert hatten, das vermochte Zihaani immer noch nicht zu sagen.
    "Dich trifft keine Schuld." hatte er schließlich erklärt und ihr verziehen, daß sie ihn vor den Augen halb Trents bloßgestellt hatte, womit er eine große Last von ihren Schultern nahm.


    Von dieser Last befreit war es Zihaani wieder möglich, das doch recht angenehme Leben hier bewußt zu leben und zu genießen, das Miteinander und den Handel mit lieben und herzlichen Trentern nicht nur auf den Austausch von Waren und Münzen zu beschränken.
    Selena hatte ihr Interesse an dem Flötenspiel geweckt, die Halbelfe konnte es kaum erwarten, solch ein wunderschönes Instrument in den Händen zu halten und ihm hoffentlich ebenso schöne Töne zu entlocken, wie Selena es vermochte.
    Eine warmherzige, weise Druidin hatte sie kennengelernt, offensichtlich wesentlich älter, als ihre Erscheinung es vermuten ließ. Valyndea, so deren Name, würde sie hoffentlich häufiger treffen, Zihaani mochte die Druidin, genoß die Gespräche mit ihr, fühlte von ihr Verstehen und Schutz ausgehen ... etwas, das ihr derzeit nicht wenig bedeutete, wurde sie doch ob ihres Glaubens bedroht, mit einem Hammer beworfen zu werden. Nirgends konnte man vor finst'ren Kreaturen sicher sein, doch hatte Zihaani nicht erwartet, daß sie so nah sein würden, sie so unmittelbar betroffen wäre.


    Am intensivsten jedoch kreisten der Halbelfe Gedanken um Galliard. Dadurch, daß er ihr vergeben und das schlechte Gewissen von ihr genommen hatte, traten Gefühle zu Tage, die sie verdrängt, nicht zugelassen hatte, aus Verärgerung und Wut dem Nordkerl gegenüber. Zur Hölle hatte sie ihn gewünscht, nun war sie ihm dankbar für seine Unterstützung. Zum Teufel wollte sie ihn gejagt haben, konnte mittlerweile aber kaum mehr die Wiedersehen abwarten ... und das nicht nur, weil die Nächte mit fortschreitendem Gilbhart kalt wurden und sie der Fertigstellung ihres Heims entgegenfieberte.


    Das Leben wird zu 10% davon bestimmt, was Dir widerfährt und zu 90% davon, wie Du darauf reagierst.

  • Der Gilbhart verabschiedete sich allmählich und der Nebling streckte die kalten Finger nach dem Land aus. Nach dem Frühjahr war dies die schönste Zeit des Jahres, wie Zihaani fand.
    Schwester Mond schien es gut mit ihr zu meinen, ging doch ihr Hausbau gut voran, es fanden sich immer mehr liebe Bekanntschaften, die sich im Ansatz durchaus schon zu Freundschaften entwickelt hatten und sie hatte sich - wenn die Heller auch anderweitig sicher notwendiger gewesen wären - endlich die von Selena geschnitzte Flöte leisten können.
    Das Instrument wurde gehütet wie ein Augapfel, manchmal nur, in ruhiger Stunde übte die Halbelfe ein wenig. Mit Finchen und Selena hatte sie bereits einen herrlichen Nachmittag und Abend am Brunnen verbracht, Selena und sie auf den Instrumenten spielend, alle um den Brunnen herum tanzend, lachend und schwatzend.
    Dabei hatte die Knochenschnitzerin berichtet, dass es demnächst wieder Anlass zum Feiern geben würde, denn bald würden zwei Hausanbauten fertig gestellt, was bei geselligem Miteinander bejubelt und bestaunt werden sollte. Würde das Haus der Halbelfe bis dahin fertig sein, wurde überlegt, die Festlichkeiten zu dritt auszutragen. Das würde ein Spaß werden!


    Allzu viel fehlte nicht mehr für die Fertigstellung ihres kleines Heims, jedoch wollten die Heller für das Fehlende noch verdient werden. So war Zihaani häufig an der Töpferscheibe zu sehen, die Lehmmasse knetend, formend, zu Bechern, Krügen, Tellern. Immer besser ging ihr die Töpferei von der Hand, sie empfand die Tätigkeit nicht als Arbeit, es bereitete ihr Spaß zu sehen, wie von eig'ner Hand mit etwas Geschick nützliche, schöne Dinge entstanden.
    Die fertigen Tonwaren brachte sie zum Markt. Neben dem geselligen Miteinander dort konnte sie so noch den einen oder anderen Heller zusammen bringen, das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.


    Der meiste Glück aber empfand Zihaani bei dem Gedanken an Galliard. Wohlige Schauer liefen ihr über den Rücken, wenn sie an seine Blicke und Berührungen dachte. Sie wollte zuversichtlich sein, daß die anfänglichen ... Missverständnisse eben nur das waren: Missverständnisse. Sie wollten in allem ehrlich zueinander sein und die Halbelfe vertraute auf sein Wort, wie sie auch das ihre zu halten entschlossen war.
    Während sie selbst sich überwiegend in Trent aufhielt, war der Nordkerl öfter über Tage hinweg im Norden auf dem Gutshof. Zurück in Trent brachte er dann häufig Kleinigkeiten mit, die ihr Freude bereiteten oder Leckereien, die sie noch nicht kannte. Wie diese Rosinen! Herrlich süß und unglaublich köstlich! Sie selbst stattete ihn dann mit neuen Bechern und Krügen aus, denn während den Reisen nahm das eine oder andere Behältnis schon 'mal Schaden. Doch so lang Galliard selbst wohlbehalten von den Reisen wiederkehrte, sollten die Tonwaren gern gefertigt werden.


    Das Leben wird zu 10% davon bestimmt, was Dir widerfährt und zu 90% davon, wie Du darauf reagierst.

  • Das kleine Heim war fertig gestellt ... den Abschluß hatte die Tür gebildet, die Zihaani bereits vor einiger Zeit bei Glen angefragt hatte. Nun sollte es so weit sein, daß sich der Zimmerer ans Werk begeben konnte. Glen ließ sie allerdings wissen, daß er noch im Gebirge sei, versprach aber, rechtzeitig zurück zu sein, um die Tür zu fertigen, damit die Hausfeierlichkeiten, die gemeinsam mit Selena und Xanatos geplant waren, rechtzeitig würden stattfinden können.
    Zihaani glaubte ihren Augen und Ohren nicht zu trauen, als Glen ihr die wunderbar gearbeitete Tür überreichte mit der Erklärung, sie als Geschenk von ihm und Schattenschwinge zu betrachten. Schwinge hatte die Metallteile gefertigt und Glen die Schreinerarbeiten vorgenommen, beide hatten dann wohl entschieden sich strikt zu weigern eine Entlohnung für ihre Arbeiten anzunehmen. Angerührt von so viel Herzlichkeit fiel die Halbelfe dem Zimmerer beinah um den Hals, konnte die Großzügigkeit der beiden kaum fassen. Bei Schwinge würde sie sich auch noch bedanken müssen ... viel lieber sogar noch als Glen würde Zihaani dem weichen, knuffeligen Fellknäuel mit der Stubsnase mit einer Umarmung danken.


    So stand also den Festivitäten kaum noch etwas im Wege. Selena hatte die Einladungen verschickt, einige Zusagen waren auch schon eingetroffen, emsig wurden Speis´ und Trank zusammengetragen, Tonbecher gefertigt, Früchte gesammelt, gepresst, abgefüllt und sich auf das gemeinsame Fest gefreut ... lang würde es nicht mehr dauern.


    Galliard hatte auch nicht schlecht gestaunt, als Zihaani ihm von dem Geschenk der Freunde erzählt hatte.
    Sein ´´Einweihungsgeschenk´´ - wie er es nannte - übertraf aber alle noch so herrlich gefertigten Türen bei Weitem. Eine kleine Karte mit Galliards unverkennbarer Handschrift erklärte "Für meinen ganz persönlichen Engel, der mein Herz zum fliegen bringt. Möge es dein Heim bewachen!" Das Geschenkpapier neugierig von dem Präsent genestelt, japste die Halbelfe sprachlos, hielt sie doch eine wunderschöne Kristallskulptur in Gestalt eines Engels in Händen. Wie wunderschön sie war! Dafür musste er ein Vermögen aufgebracht haben!
    Die Skulptur wurde vorerst auf einen abgesägten Baumstumpf platziert, der in dem einzigen Raum des kleinen Heims als Tisch fungierte. Wenn das Heim irgendwann ausgebaut und Platz für eine Vitrine bieten würde, würde auch der Engel einen angemessenen Platz finden.


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  • Leise grummelnd zog sich Zihaani ihren zerschlissenen Umhang über den Kopf, der gleich neben dem Nachtlager lag.
    "Gib Ruhe, dummes Federvieh..." Doch der Hahn, der irgendwo in der näheren Umgebung den Sonnenaufgang ankündigte, ließ in seinem Bestreben nicht nach, diejenigen aus den Betten zu rufen, die ihr Tagwerk noch nicht angetreten hatten.


    Entnervt rollte sich die Halbelfe auf die andere Seite und fluchte leise. "Vermaledeites Vieh, eines Tages rupf' ich dich und verarbeite dein Fleisch in einem Eintopf..."Es half nichts, an Schlaf war nicht mehr zu denken, auch wenn sie den noch gut hätte brauchen können. In ihrem Kopf brummte es wie in einem Bienennest, ihre Glieder fühlten sich schwer an und das Kratzen in ihrem Hals zeugte von nichts Gutem.


    Zihaani krabbelte benommen von dem Lager. Nur in eines von Galliards Hemden bekleidet tappte sie zu der Waschschüssel, griff zu dem Tonkrug, um frisches Wasser in die Schüssel zu füllen ... um festzustellen, daß der Krug leer war.
    Mit einem milde entnervten Blick wurde das Innere des Krugs noch einmal überprüft ... doch es half nichts, dieser war und blieb leer. Der Brunnen war wenige Schritt von dem Häuschen entfernt, schnell zu erreichen. Die Tür des Hauses würde einen Spalt weit geöffnet und hinaus in die Gassen gelinst. Niemand war zu sehen, so konnte sich Zihaani im Hemd schnell zum Wasser schöpfen wagen.


    Barfuß tappte sie zum Brunnen, stellte den Krug auf dessen Rand ab und betätigte die Haspel. Leise quietschend wurde der gefüllte Eimer aus dem Schacht in die Höhe befördert, Wasser in den Krug gefüllt und schleunigst der Weg zurück zum Haus angetreten.
    Ein Fluch gefolgt von einem für zu Boden fallende Tonwaren typischen Klirren hallten durch die frühmorgendlichen Gassen, als eine Distel ihre feinen Dornen in die Fußsohle der Halbelfe bohrte. Weniger vor Schmerz denn vor Schreck zuckte Zihaani zusammen, ließ den Tonkrug fallen und hüpfte schimpfend und zeternd auf einem Bein, den malträtierten Fuß dabei mit einer Hand reibend. "Verdammtes Grünzeug! Na herrlich, der Krug ist hin."Ihr wurde bewusst, daß der Radau den einen oder anderen Nachbarn aus dem Bett hätte jagen können. Sie schaute sich prüfend um ... noch war niemand zu sehen. Hastig wurden die Scherben eingesammelt und nach wie vor leise fluchend ins Haus gebracht.
    "Na, der Tag kann nur noch besser werden..." grummelte Zihaani leise, während sie sich ankleidete. Noch einmal wollte sie nach dem Lärm nicht wagen, nur im Hemd zum Brunnen zu gehen. Sie fühlte sich wie gerädert und ärgerte sich maßlos darüber. Morgen sollte die Feier mit Selena und Xanatos stattfinden, sie würde heute noch einiges vorzubereiten haben. Eine Erkältung oder Fieber konnte sie nun beileibe nicht gebrauchen. Am besten würde sie die schweren Glieder ignorieren, den Hals mit einem Kräutertee beruhigen und den verpatzten Morgen vergessen.


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  • Für die Hausfeier waren Köstlichkeiten für jeden Geschmack aufgetragen worden, so dass alle Gäste mit Leibspeis' und -trank würden versorgt werden können. Aufgeregt und gespannt hatten Selena, Xanatos und Zihaani im Fuchslöcherweg gestanden und auf die Ankunft der ersten geladenen Freunde gewartet.
    Mit Hanswalter und Flummii hatte bereits ein geselliger und fröhlicher Abend begonnen, mit Flöten- und Würfelspiel, Tanz und Gelächter. Diese beiden Gästen von knapp zwei Dutzend geladenen waren schlussendlich die einzigen Besucher geblieben. Milde enttäuscht, dass Zusagen nicht eingehalten wurden, erfreut aber ob des dennoch schönen Abends hatten Selena und Zihaani gegen Mitternacht zusammengeräumt und sich voneinander verabschiedet.


    Der Alltag im neuen Heim war arbeitsam: Zihaani verbrachte viel Zeit an der Töpferscheibe, gab sich aber auch mit Eifer an die Schneiderei und das Färben von Gewandung. Galliard war selten in Trent, hatte er sich doch um seine Lämmer auf dem Gutshof zu kümmern. Jeden Tag, den er nicht bei ihr sein konnte, vermisste die Halbelfe ihren Liebsten unsagbar. Groß war die Freude, wenn er zurückkehrte. Es gab dann von beiden immer viel zu berichten, während kleine Geschenke ausgetauscht wurden.
    Zihaani genoß jeden Augenblick mit Galliard, doch wusste sie wohl, dass es für sie beide mehr als genug zu tun gab. Sie wollten eines Tages die Eisinseln und die Wüste bereisen und erforschen. Das aber musste sehr gut vorbereitet, angemessene Gewandung und Ausrüstung besorgt und Proviant angelegt werden.


    Bevor der Nordmann sich erneut auf den Weg zum Gutshof und zur Nordschneise gemacht hatte, hatten sich Zihaani und er am Markt getroffen. Die Halbelfe hatte neue Beinkleider und ein warmes Hemd für ihren Liebsten gefertigt, die sie ihm vor der Reise noch geben wollte. Die Begrüßung der beiden hatte die Aufmerksamkeit der kleinen Georgie auf sich gelenkt: Galliard fand Gefallen daran, Zihaani hochzuheben und sich mit ihr im Kreis zu drehen. Gerade auf einem recht gut gefüllten Marktplatz sorgte dies schon für Aufsehen, doch so lang niemand verletzt und nichts beschädigt würde, war das den beiden recht einerlei.
    Verdutzt aber wurde auf Georgies Frage reagiert, ob Galliard und Zihaani denn bald auch eine eigene kleine Georgie haben würden, schließlich wünschte sich diese Spielkameraden. Schmunzelnd musste die Halbelfe die Kleine vorerst vertrösten, Spielkameraden waren bisher nicht geplant. Doch man würde sehen, was Schwester Mond vorgesehen haben würde, diese Entscheidung lag nicht an ihnen allein.


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  • Zihaani hatte den Nikolausabend am Marktplatz mit vielen anderen Mitbürgern und Freunden sehr genossen. Schöner noch aber hätte sie den Abend empfunden, wäre ihr Liebster an ihrer Seite gewesen.
    Galliards Geschenk vom Rotgewandeten wurde im Rucksack verstaut, neben etwas Wegzehrung und zwei Kleinigkeiten, die sie für ihr Herz schon seit einigen Tagen bei sich trug. Zu lang schon hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Während sie den wärmenden Glühwein geschlürft und sich am Anblick der vielen Geschenke und strahlenden Augen der Beschenkten erfreut hatte, hatte die Halbelfe den Entschluss gefasst, sich auf den Weg gen Norden zum Gutshof zu machen.


    Sie würde den weiten Weg zurück nach Trent am nächsten Tag wohl auch wieder allein antreten müssen, doch das war ihr einerlei. Zihaani wusste, Galliard würde sich noch einige Tage um das kranke Schaf Leesha kümmern müssen, viel Zeit würde er nicht für sie haben. Doch jede Minute, die sie ihn sehen würde, würde sie für die weite Strecke mehr als entschädigen.


    Schnell trugen weit ausholende Schritte sie durchs Umland nordwärts, Monstern und grimmig dreinschauenden Grinchs ausweichend, Rehe aufscheuchend, über die Eile aber die Aufmerksamkeit nicht vergessend. Nur eine kurze Rast gönnte sie sich, um sich an Äpfen gütlich zu tun, die einladend rot leuchtend vom Baum herunter strahlten.


    Zihaani betrat den Gutshof, wich Vogelscheuchen und kämpferischen Ameisen aus und bahnte sich den Weg zur Schafswiese, wo sie Galliard vermutete. Dort angekommen konnte sie ihren Liebsten aber nirgends entdecken. Sicher war er irgendwo auf dem Hof und würde über kurz oder lang wieder bei den Schafen auftauchen. So machte es sich die Halbelfe unter einem Baum gemütlich und wartete geduldig ... bis der Schlaf der Erschöpfung sie übermannte, sanft eingelullt vom leisen Blöken der Schafe.


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  • Jauchzend ließ sich die Halbelfe in das bezogene, neue Bett fallen. Welch herrliches Gefühl, wie gut musste man darin schlafen können! Es war ein schmales Bett, kaum für zwei geeignet, ein weiteres würde bald noch angeschafft werden müssen. Emsig hatte Zihaani während der letzten Tage an Laken, Decken und Kissen gearbeitet. Die mühseligste Arbeit war wohl das Befüllen des Kissens mit Hühnerdaunen, von denen sich - so empfand die Halbelfe es zumindest - mehr in ihren Haaren verfingen, als den Weg in die Stoffhülle zu finden. Schließlich aber wurde das Kissen mit letzten Nadelstichen verschlossen und stolz wurde das fertige Werk betrachtet.


    Nach und nach wurde das Haus zum Heim, dekoriert mit wunderschönen Geschenken, provisorischen Schemeln aus dicken Baumscheiben, einer - wenn auch nicht fest gemauerten, dennoch durchaus brauchbaren - Feuerstelle. Eifrig hatte Zihaani Krüge, Becher, Teller und Schalen getöpfert, ein geschmiedetes Dreibein ließ es leicht zu, Schalen oder Pfannen über dem Feuer zu platzieren, um ein warmes und sättigendes Mahl zu bereiten.
    Lediglich auf die Anwesenheit und Nähe von Galliard musste sie in letzter Zeit oft verzichten, zu beschäftigt war er mit den Lämmern, die teils kränkelnd sehr viel Aufmerksamkeit und Pflege benötigten, sie mussten geschoren und versorgt werden.
    Während sie an einem wärmenden Umhang arbeitete, dachte die Halbelfe lächelnd an die prall gefüllten Säcke mit Wolle, die ihr Liebster oft vom Gutshof mitbrachte. Er war wirklich sehr fleissig, legte immer wieder ohne Murren die weiten Strecken zurück und erfreute sie bei seiner Rückkehr mit lieben Kleinigkeiten, die ihr allerdings wesentlich weniger wichtig waren, als Galliards Gegenwart.


    Das alte Jahr hatte ein gutes, sehr zufriedenstellendes Ende gefunden und das neue Jahr versprach nicht minder erfreulich zu werden. Die Töpferarbeiten gingen Zihaani immer leichter von der Hand, lange schon durfte sie ihre Fertigkeit als meisterlich bezeichnen. Die Schneiderei würde noch viel Fleiß und Übung bedürfen, doch mit jedem gefertigten Gewandungsstück wurde sie geschickter.
    Zuversichtlich schaute die Halbelfe der Zukunft entgegen, das Heim und alles bisher Erreichte erfüllte sie mit Stolz und Galliards Liebe ließ jeden einzelnen Tag zum schönsten und glücklichsten werden.


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  • Das zweite Kälbchen an diesem Morgen satckste etwas wackelig auf seinen dürren Beinchen, und machte sich sofort auf der Suche nach seiner Nahrungsquelle. Galliard konnte nicht umhin zu grinsen, als er das feuchte Tierchen anschaute, dass gierig seine erste Milch aufsog, und seiner Mutter dabei unsanfte Kopfstöße verpasste. Und sein Grinsen wurde noch breiter und schelmischer, als seine Gedanken abschweiften...


    Er war ganz schon lange hier oben... Und trotz des Todes eines Kälbchens, hatte er in den letzten Wochen eine ganze Menge über seinen Beruf gelernt. Seine Tiere gediehen prächtig, und nachdem heute bereits zwei Kälbchen geschlüpft waren, da beschoß der rothaarige Jüngling, dass dies ein guter Tag war!


    Wie es wohl seinem Feuerchen ging!?
    Er hatte sie in den letzten Tage so selten gesehen, dass im das Herz vor Sehnsucht platze, wenn er nur an sie dachte.
    Er musste mal wieder zurück in die Stadt!! Vielleicht würde sie bald mal wieder daheim sein... Ja, sie sollten ja ein zweites Bett bekommen, dank der hervoragenden Kontakte Zihaanis. Er spürte, dass er stolz auf Sie war! RICHTIG stolz! Sein Feuerchen würde ihm keine Sorgen machen, sie würde immer bestehen. Auch wenn er eines Tages... Nein... seine Gedanken schweiften wieder in die Dunkelheit ab, zu einer finsteren Zukunft... NEIN! Das Lächeln war aus dem Gesicht des Jünglings verschwunden, doch er war mächtiger als seine Gedanken. Die Zeit an diesem Ort war seltsamer als zuhause, auf Aire. Und er würde sich auch seinen Dämonen stellen, wenn die Zeit dafür reif sein wird! Und Sie wird ... achwas! Kommt Zeit kommt Rat.


    Das zweite Bett ... Sie wird Federn brauchen. Die stolze Feentochter wird sicher versuchen, die Bettwäsche selbst zu nähen und die Kissen selbst zu stopfen! Und er sollte ihr Federn beschaffen! Was trieb wohl sein freches Mädchen!?


    Und sein Lächeln kehrte zurück.

  • Endlich war es so weit! Die lange schon geplante Reise in und durch die Wüste war vorbereitet, Proviant gekauft, leichte Gewandung gefertigt, benötigte Ausrüstung zu gelegt, so konnte es endlich losgehen.
    Noch einmal wurde alles überprüft: Nahrung, Wasserschäuche, Strohhut, schützender Umhang, einige wenige der wichtigsten Dinge für diesen Exkurs.
    Oft schon hatte Zihaani am Gebirgspfad gestanden und der heisse Wüstenwind war ihr ins Gesicht geweht, jetzt war es also so weit ...


    Die Wüste ... so weit das Auge reichte Sanddünen, flirrende Hitze, blauer Himmel. Hatte man sich erst einmal an die trock'ne heisse Luft gewöhnt, fiel auch das Atmen nicht mehr so schwer. Nachts sollte es hier sehr kalt werden. Zihaani konnte sich das kaum vorstellen, fühlte sie sich doch wie im Brennofen, als sie langsam auf dem Rücken des gemieteten Kamels Galliard folgte. Ein wenig unwohl war ihr schon. Vielleicht wäre es wohl besser umzukehren. Ungefährlich ist die Wüste nicht, wer weiss, was ihnen bevorstehen würde?!


    Galliard verschwand aus dem Blickfeld der Halbelfe, sie musste sich beinahe verrenken, um ihn sehen zu können.
    "Heeeeey, dummes Vieh ... in die andere Richtung! Verdammt ... dort lang. Haaaalt!" Der Nordkerl lachte, als er ihre Schimpftiraden hörte ... und die sollten während des Ausflugs öfter zu hören sein, hatte Zihaani wohl doch ein ausgesprochen eigensinniges Exemplar eines Wüstenschiffs ausgehändigt bekommen. Na, das würde ja heiter werden. Immer wieder musste sie die Kamelstute laut schimpfend, an den Zügeln zerrend, das Tier in die Flanken tretend dazu bewegen, die Richtung wieder zu ändern, so dass sie Galliard nicht verlieren würde.


    Doch das liess sich nicht vermeiden! Wenn zwei Kamele ihre mucksige Laune und ihren Stursinn im selben Moment ausleben, bleibt den Reitern nichts anderes als sich zuzurufen "Die Oase! ... Wir treffen uns an der Oase! Gib auf dich Acht!"


    Und zur Oase findet man immer ... beziehungsweise die Kamele! So träge und stumpfsinnig sie während ihres Trotts scheinen mögen, so schnell überqueren sie Düne um Düne, wenn sie die Oase und Wasser wittern. Da gilt es nur noch, sich so gut wie möglich festzuhalten, möchte man nicht aus dem Sattel geworfen werfen und dem Tier zu Fuß folgen.


    ... was man im übrigen tunlichst unterlassen sollte. Tückischer Treibsand macht es teilweise selbst den Kamelen unmöglich, sich weiter fortzubewegen. Nur mit antreibenden Rufen, Tritten, unter Zuhilfenahme eines zugeworfenen Seils des nicht minder erschrocken dreinschauenden Nordkerls konnte Zihaani eins ums andere Mal den sandigen Fallen entkommen.


    Faszination Wüste! Ist man ordentlich ausgerüstet, kann solch eine Reise durchaus interessant, lehrreich, erfreulich sein. Datteln und Kaktusfeigen ... im Stillen dankte Zihaani billa immer wieder für die ledernen Handschuhe, die ihre Hände weitestgehend vor den langen, sehr harten und sehr, sehr schmerzhaften Dornen der Kakteen schützten.
    Aggressive Hamster und hamsterähnliche Tiere mit riesigen Augen, Skorpione, Aasgeier - hässliche und Unwohlsein schürende Vögel, die einen unwillkürlich zu schnellerem Ritt antrieben -, wunderschöne Dattelpalmen, erbärmlich stinkende Aasblumen und Sand ... so weit das Auge reichte.
    Die Neugierde trieb sie immer weiter in die Wüste hinein, schwindendes Zeitgefühl und der Verdacht, dass die Kamele dringend mehrtägige Erholung brauchen würden, liessen Zihaani und Galliard den Weg gen Westen wieder antreten, in der Hoffnung, dort den Bergpfad wieder zu finden.


    Als Wüstenschiffe und Reiter wohlbehalten den Pfad zum Trenter Umland passiert hatten, das Gepäck von Reittier auf Reiter umgeladen und Vincent noch einmal gedankt war, schauten die Halbelfe und der Nordkerl sich mit funkelnden Augen an und nickten. "Das machen wir noch einmal!" Doch der nächste angedachte Ausflug sollte ins andere Extrem führen: auf die Eisinseln.


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  • Galliard war häufig zum Gutshof unterwegs, Zihaani somit auf sich gestellt. Nicht, dass sie mit diesem Umstand nicht klar käme, aber unwohl war ihr ab und an schon, wenn sie allein im Umland, im Wald oder auf der Sumpfinsel unterwegs war. Lang schon schwirrte ihr der Gedanke im Kopf herum, sich im Umgang mit einer leichten Waffe - etwa einem Dolch - trainieren zu lassen. "Schaden kann's nicht..." dachte die Halbelfe immer wieder im Stillen, doch waren es Ausflüge, Töpferaufträge, Näharbeiten, die die Waffenübungen immer wieder ins Hintertreffen geraten liessen.


    Als Zihaani gerade wieder einmal den Marktplatz passierte, hörte sie den Wirt der Taverne, Reto, laut schimpfen. "Verdammte Mistviecher, wird man euch denn nie los?!" Sie lenkte ihren Blick zur Taverne und sah den Patron einige Ratten mit Hilfe eines Reisigbesens durch die Tür scheuchen, ihnen Schimpftiraden mit auf den Weg gebend. Langsam näherte sich Zihaani Reto und sie kamen ins Gespräch. Der Wirt klagte sein Leid: der Weinkeller wurde von Ratten bevölkert, es wurden immer mehr, er wurde ihrer kaum noch Herr und würde wohl die Hilfe eines Kammerjägers benötigen, der zumindest mit einem Dolch verstünde umzugehen.


    So war der Entschluss endgültig gefasst und die Halbelfe suchte Camulos auf. Nach einem kurzen Gespräch befand man, dass tatsächlich der Dolch für den Anfang die günstigste Waffe für sie sei. Ein eben solcher wurde besorgt und die nächsten Tage liess sich Zihaani in den Umgang mit der Waffe einweisen. Camulos war ein geduldiger Lehrmeister, schließlich aber entließ er sie mit der Bestätigung, dass weitere Fortbildung nunmehr im Kampf zu erlangen sei.


    Zihaani pirschte durch die Gassen Trents, wohl darauf bedacht, unbeobachtet zu bleiben. Obwohl sie häufig das Gefühl hatte, dass sich hinter der einen oder anderen Hausecke Bob der Baumeister versteckte, sie beobachtete und sich ob ihrer anfänglich disaströsen Auseinandersetzungen mit Ratten und gefrässigen Tschätts königlich amüsierte. Schließlich aber fühlte sich Zihaani sicher genug, vor Reto zu treten und ihm ihre Hilfe anzubieten.


    Was wohl Galliard dazu sagen würde?! Sie wollte keinesfalls, dass er gekränkt sein würde, schliesslich war ja er als Kerl immer um ihren Schutz gedacht. Andererseits war er häufig nicht bei ihr. Ob er ihren Entschluss verstehen würde? Bei nächster Gelegenheit würde Zihaani ihm von ihren - wenn bisher auch spärlichen - Kampferfolgen berichten. Retos Anliegen war ein guter Ansatz und Vorwand.


    Das Leben wird zu 10% davon bestimmt, was Dir widerfährt und zu 90% davon, wie Du darauf reagierst.