Isimud verließ die Gasse, bog in die zum Stadttor führende Straße ein und spähte nach dem Blaupelz.
Ja, da stand das Monster noch, sein Revier im Auge haltend. Eine massive blaue Wand, die jeden, der zum Tor wollte, zwang, einen Umweg durch die gesamte Stadt zu nehmen. Später würde die Tschätt-Bande sicher Wegezoll verlangen, doch derzeit begnügten sich der Blaupelz damit, die Städter zu schikanieren - für seine grünen und gelben Artgenossen gestaltete sich das überaus unterhaltsam, für die Trenter weniger.
Isimud knurrte zornig. Er versuchte, sich auf leisen Sohlen so nah wie möglich an den Gegner heranzubringen, bevor er den Kampf eröffnete.
In Vollrüstung mit Sammelkorb über der Schulter war das nicht ganz so leicht. Schritt für Schritt näherte sich Isimud seinem Ziel, presste sich in
Hauseingänge, wenn der Tschätt in seine Richtung blickte und tappte vorsichtig näher auf ihn zu, wenn er sich durch das Anpöbeln von Passanten oder Pfeifen nach einer grünen Tschättin mit besonders krummen Säbelzähnen ablenken lies.
Was dem Krieger an Leichtfüßigkeit abging, machte er durch Geduld und Aufmerksamkeit wett, Tugenden, die für einen Monsterjäger überlebensnotwendig waren. Lieber einmal zu oft verharrt, als einen Schritt zu viel getan...
Isimuds Plan schien aufzugehen. Das leichte Klirren in seinem Rücken nahm das Monster zuerst kaum wahr. Erst, als es zu einem regelrechten Scheppern anwuchs und unmissverständlich Schritte zu hören waren, fuhr es herum. Doch da befand sich Isimud auch schon in Nahkampfreichweite!
Er holte mit dem Schwert aus. Dass das Monster zuschlagen konnte, das seinem die Luft wegblieb, hatte Isimud bereits vorhin erfahren. Nun zeigte sich, dass der Blaupelz auch gekonnt parieren konnte: Mit dem bloßen Arm wehrte er Isimuds Angriff ab. Er wischte die Schwertklinge zur Seite, als
bestünde sie aus Papier.
Doch Isimud war ebenfalls kein Anfänger mehr. Dass die dicke Haut des Blauen Tschätts eine vortreffliche natürliche Rüstung abgab, war ihm von Anfang an klar gewesen. Und deshalb hielt er in der anderen Hand plötzlich seinen guten alten Eiszauberstab! Mit diesem erwischte Isimud den Tschätt, der mit einem weiteren sinnlosen Schwerthieb gerechnet hatte, kalt - im wahrsten Sinne des Wortes.
Und während der Blaupelz sich noch die Eiskristalle aus dem Fell zupfte, huschte Isimud bereits an ihm vorbei,
aufs Stadttor zur. Denn diesen ungleichen Kampf bis zum Ende auszutragen, wäre Wahnsinn gleichgekommen, soviel begriff Isimud.
Entkommen zu sein, dem Gegner gar eine kleine Wunde zugefügt zu haben, durfte bereits als Sieg gewertet werden.
Irgendwann würde Isimud auch wieder nach Trent hinein müssen und dann würde ein ziemlich wütender, in seiner Ehre gekränkter Tschätt auf ihn warten. Doch diesen Gedanken versuchte der Kämpfer vorerst weit von sich zu schieben.
Er legte Schwert und Rüstung ab, bettete seine geschundenen Glieder auf ein weiches Moosbett und ruhte so eine Stunde oder auch etwas länger. Bunte Schmetterlinge umflatterten den Ausflügler, ein Wildpferd schubberte sich an der Rinde eines nahen Baumes und ein Ameisenspäher neigte neugierig seine Fühler über den dösenden Isimud.
"Hm? Ah, klar, du willst was Süßes, stimmts?"
In seinem Gepäck wühlend, förderte Isimud eine Handvoll Marshmellows zutage. Diese hielt er dem Waldbewohner hin.
"Hier, nimm, und hau ab!"
Eiligst machte sich der Späher davon. Er war noch jung, hatte aber schon begriffen, dass man Hiebe kassierte, gar sein Leben riskierte, wenn man sich der Stadt näherte.
Genau in der Rolle eines kleinen Ameisenspähers fühlte sich allerdings auch Isimud Urkhart, wenn er an den Blauen Tschätt dachte.
Aber er würde ganz sicher keine Marschmellows annehmen, und dann wegschauen, wenn der Blaupelz irgendwelche Schandtaten direkt
vor seiner Haustür ausführte!
Doch als er am Abend wieder heimkehrte, hatte Isimud noch immer keine bessere Idee, als erneut auf Überraschung und einen schnellen Durchbruch zu hoffen. Da würde ihm helfen, seine Ausbeute an Früchten sicher heimzubringen, aber auf lange Sicht nicht die Straße sicher machen.
Schon von weitem erspähte Isimud seinen neuen Feind. Offenbar umgab der sich nun mit kleinen gelben Artgenossen.
"Auch das noch", stöhnte Isimud. "Da hat sich ja die ganze Sippschaft versammelt..."
Genaueres Hinsehen allerdings brachte ans Licht, dass es sich noch immer nur im ein einzelnes Monster handelte. Nur fehlte diesem nun an etlichen Stellen das Fell. Dort, wo jemand dem Tschätt übel mitgespielt hatte, schimmerte dessen gelber Unterpelz hervor. Für einen großen, bösen Blauen musste es enorm peinlich sein, mit gelben Flecken angetroffen zu werden...
Und tatsächlich, kaum wurde der Tschätt Isimuds gewahr, versuchte er gar nicht erst, ihn einzuschüchtern, sondern zog sich in einen Hausflur zurück, wo er seine "Schande" zu verbergen suchte.
Die Passanten konnten ungestört ihrer Wege gehen und so kehrte auch Isimud nach Hause zu seinen Fischen zurück.
Noch vor einem Jahr hätte es ihn gewurmt, einem anderen Kämpfer Dank schuldig zu sein. Diesmal war es anders. Diesmal spürte Isimud Erleichterung, Dankbarkeit und ein drittes, nicht in Worte zu fassendes Gefühl. Es war das Bedürfnis, nach seiner Flöte zu greifen, und
dem unbekannten Helfer eine Melodie, oder auch ein paar Versen zu widmen.
Wenn man nur wüsste, wie derjenige hieß...
Am nächsten Morgen war der Blaupelz ganz verschwunden. Das grüne Tschättmädchen mit ihren so feminin gebogenen Hauern schmollte darüber. Als sie ihren Frust an Passanten auslassen wollte, wies Isimud sie mittels einiger gezielter Schwerthiebe in ihre Schranken und die Welt war wieder in Ordnung. ZWar, das Mädel schaute daraufhin überaus interessiert auf die Zähne des Menschenartigen,
ob sich da eventuell etwas ergeben könnte, doch im Großen und Ganzen war alles gut. Es gab Helden in der Welt. Sie traten nicht ins Licht der Öffentlichkeit, um eine Kelleratte zu erschlagen, doch wenn wahrhaftige Not am Mann war, dann griffen sie ein.
"In der Straße stand ein Tschätt,
der war überhaupt nicht nett,
doch nun hat er weg sein Fett!"
...sangen die die Kinder sowie ein gelber Tschätt, der ebenso erleichtert über das Ausbleiben des Blaupelzes wie Menschen zwischen den Kleinen herumsprang.
Isimud nahm die Melodie auf und ging pfeifend seiner Wege.
(OOC: Gelber Unterpelz = der Tschätt befand sich im gelben Zustand, als ich an ihm vorbei ging)