Die Nacht ist hereingebrochen, sommerlich und doch weht ein frischer Wind.
Hier und da ein paar Geräusche und Schatten, ein schnarchender Bergdrache, eine Katze mit
rotem Fell und... was ist das? Ein Waschbär mit Rucksack. Aus einer Taverne dringen Licht
und gedämpfte Gespräche. Eine dunkle Gestalt bewegt sich darauf zu, schlank, hochgewachsen
und mit schwebend anmutenden Bewegungen. Ein Dunkelelf.
Als er die Tür zur Taverne öffnet, macht er erst einmal einen Schritt rückwärts.
Das Licht und der Lärm bilden einen starken Kontrast zu der Stille und Dunkelheit, die draussen herrschen.
Also holt er noch einmal tief Luft und geht hinein. Das, was er sieht, ist atemberaubend. So viele
verschiedene Rassen, zusammen auf engstem Raum, ohne sich an die Gurgel gehen zu wollen.
Von Skeletten aller Art über Menschen, Gnome, und Zwerge. Aus dem Augenwinkel sieht er
noch eine wunderschöne Dryade, sie redet als würde sie nichts anderes lieber tun.
"Wieso ist so etwas dort, wo ich herkomme, nicht möglich?" Der Dunkelelf setzt sich an einen leeren Tisch.
Der Wirt kommt sofort und schaut ihn freundlich an. "Was darf es denn sein, Herr Dunkelelf?"
Keine Angst oder Widerwillen im Blick, nur Freundlichkeit. Frieden, das ist es,
was sie in diese Stimmung versetzt. In Noröm gab es so was nicht.
"Nur etwas zu trinken, bitte."
"Für mich dasselbe" Ein Hauch von Waldluft steigt dem Dunkelelfen in die Nase, und die Dryade setzt sich zu ihm.
"Ich bin Diodon und wie heißt du? Na, bist du neu hier? Kommst du zurecht? Wie bist du durch das Portal gelangt?
Erzählst du mir deine Geschichte?" Mit einem neugierigen Funkeln in den Augen sieht sie den Dunkelelfen erwartungsvoll an.
"Ich heiß Onoakuma. Meine Geschichte wird dir nicht gefallen, doch ich erzähle sie dir trotzdem, sonst gibst du ja doch keine Ruhe...
Ich sehe aus wie ein Dunkelelf, gehe, laufe und kämpfe wie einer und doch bin ich keiner, zumindest nicht ganz.
Meine Mutter war zur Hälfte Mensch und hat mir ihre Menschlichkeit vererbt. Doch sie starb bei meiner Geburt
und ich wurde von meinem Vater erzogen. Ich hasse ihn und das, was er aus mir gemacht hat.
Als ich 6 wurde begann meine Ausbildung. Ich lernte zu Töten, ohne einen Gegenschlag einstecken zu müssen.
Zuerst ein Mensch dann zwei, drei, vier, und so ging es weiter bis ich 12 wurde. Bald war ich besser geworden als die
Erwachsenen, schneller und tödlicher. Mein Vater war stolz auf mich, doch es reichte ihm nicht, er wollte mehr.
Und so zogen wir los, mein Vater an der Spitze und ich neben ihm, gefolgt von dreien seiner engsten Freunde.
Zuerst zogen wir gegen die Menschen. Kleine Dörfer und Gehöfte, was mein Vater als "Aufwärmübungen" abtat.
Anfangs machte es auch mir Spaß, aber mehr und mehr fühlte ich den Drang, damit aufzuhören, das Morden
hinter mir zu lassen, ohne zu wissen wieso. Als ich mit meinem Vater darüber sprach, übergab er sich fast und schaute
mich mit einem Funkeln in den Augen an, das mich wage an das erinnerte, welches er gegenüber den Menschen zeigt.
"Willst du mir etwa erzählen, du empfindest Mitleid für diese Insekten, du, der einzige Sohn von Sisaroth, dem Gründer und
Herrscher von Taoum Bal, der mächtigsten Dunkelelf-Siedlung in ganz Süd-Noröm?"
"Nein Vater, ich empfinde kein Mitleid, ich kann dieses Gefühl nur nicht richtig einordnen."
"Dann ignoriere es und mach weiter wie bisher. Morgen greifen wir eine Menschenstadt an. Dortha hat in der
Stadt einige magischen Artefakte und Waffen ausfindig gemach, doch sie werden von einem mächtigen Zauberer bewacht.
Ihn zu Erledigen erfordert höchste Konzentration, also vergiss deine Gefühle - oder du wirst sterben."
Er drehte sich um, ohne eine Antwort abzuwarten, und ging zu Arothor, der sich gerade um die Pferde kümmerte.
Als die Nacht hereinbrach, weckte Asarth mich, damit wir uns auf den Weg machten. Ich nahm meine Waffen
und bemerkte neben meinen beiden Halbmonden eine Axt. Sie war nicht länger als mein Unterarm,
mit einem merkwürdig geformten Kopf, ähnlich einem doppelten Schädel, jeder in eine andere Richtung blickend.
Ich hob sie auf. Sie war erstaunlich schwer für ihre Größe, fast so als wäre sie aus Blei. Ein einziger Schlag, und man könnte damit
einen Drachenschädel spalten, aber leider nicht wendig genug. Ich steckte sie dennoch in meinen Gürtel und begab mich zu meinem Pferd.
"Gefällt dir mein Geschenk?"
Ich sah meinen Vater fragend an.
"Die Axt."
"Ja sie ist schön, nur ein bisschen unpraktisch für einen schnellen Kampf".
"Glaub mir, Sohn, du wirst sie mögen"
Was meinte er damit? Wenn ich es gewusst hätte, wäre ich sofort umgekehrt,
aber unwissend ritt ich neben meinem Vater in die Richtung der Malachit-Stadt.
Vor der Stadt angekommen, saß Dortha ab. Geschickt und geräuschlos machte sie sich an die Arbeit, ging zum Mauertor,
das zur gut bewachten Stadtmauer führte, holte ihr Werkzeug heraus und schloss das Tor auf. Wir saßen ab, stiegen die Treppen
hinauf und trennten uns wortlos. Arothor und Asarth liefen jeweils eine der beiden Richtungen der Stadtmauer ab und töteten die Wachen,
schneller und leiser als ein Mensch es je vermocht hätte. Mein Vater und ich begaben uns nach unten und erledigten blitzschnell die Wachen
vor dem Haupttor, damit wir schneller aus der Stadt gelangten, sobald wir die Artefakte hatten.
Als wir vor dem Marktplatz ankamen, gesellten sich auch gleich Arothor und Asarth zu uns. "Es gab erstaunlich wenige Wachen.
Entweder fühlen sich die Menschen zu sicher hinter ihren Mauern oder wir wurden bereits erwartet."
"Ihr seid nicht nur schnell und lautlos, ihr seid auch noch klug."
Schnell suchten wir nach der Quelle der Stimme, die von überall gleichzeitig zu kommen schien, als auf einmal hunderte
schwer gerüstete Soldaten erschienen, als wären sie von einem unsichtbaren Schleier bedeckt gewesen.
Nur ein Mann unterschied sich von den anderen. Der Magier."Habt ihr gedacht, ihr könnt ungestraft meine Soldaten töten,
meine Artefakte stehlen und verschwinden? Ich bin Eldrin, Magier der Malachit-Stadt und ihr entkommt mir nicht."
Eldrin begann, unverständlich vor sich hinzumurmeln und langsam Runen in die Luft zu zeichnen.
"Er will zaubern! Lasst ihm keine Zeit, den Spruch zu beenden!"
Gleichzeitig stürmten wir los, doch die Soldaten versperrten uns den Weg. Wir kämpften uns voran, aber dies waren keine
einfachen Menschen mehr. Auf ihren Rüstungen und Waffen leuchteten Runen, die sie schneller, stärker und wendiger machten.
Sie waren zwar immer noch nicht stärker als Dunkelelfen, doch es waren hunderte von ihnen.
Plötzlich teilte sich die Masse von Menschen auf, Eldrin war wieder zu sehen. Er hatte die Hand in unsere Richtung ausgestreckt,
die Finger leuchteten in einem seltsam blau-weissen Licht. Mein Vater stürmte los, doch vergeblich. Fünf grelle Blitze schlängelten
auf uns zu. Alles schien langsamer geworden zu sein und ich kreuzte meine Waffen zum Schutz vor mir und bemerkte, dass ich die
Axt in der rechten Hand hielt. „Wann hatte ich meinen Halbmond abgelegt? Haben die Augen der Schädel schon vorher rot geleuchtet?“
Dann wurde alles schwarz.