Vergangenheit und Gegenwart - aber auch eine Zukunft?

  • Nur langsam kehren die Erinnerungen zurück, bruchstückhaft und verschwommen manche davon nur und gerade das stellt sich zunächst als Vorteil heraus, zu schmerzlich sind die Bilder die im Kopf erscheinen.
    Friedlich erstreckt sich ein weites grünes Tal ins Land hinein. Von einem hohen Berg herab ergießt sich ein Wasserfall in einen kristallklaren See. Seerosen blühen darauf, kleine Fische schwimmen darin und auf einem flachen Stein in der Mitte des Sees sitzt ein Neck. Die Nixen zu seinen Füßen lauschen andächtig seinen Erzählungen.
    Am Ufer, dicht beim Schilf, hat ein eigenartiges Wesen und mit einer Flöte in der Hand Platz genommen. Nicht weit davon auf der Wiese tummelt sich eine Gruppe Leimoniaden. Kichernd blicken sie zu dem Faun herüber, fordern ihn auf ein Lied zu spielen damit sie tanzen können. Der Spitzbärtige lässt sich nicht lange bitte und spielt eine fröhliche Weise.
    Sich an den Händen haltend tanzen die Nymphen über die Wiese. Ein leichter Windhauch trägt ihre hellen Stimmen bist hin zum Waldrand wo eine Gruppe Dryaden, den Bogen geschultert, ihnen einen Moment zusieht eh sie im Waldesinneren verschwinden und eins werden mit den satten Farben vom Baum und Strauch.


    Aus dem Wipfel eines Apfelbaumes blickt ein leuchtend grünes Augenpaar auf die Umgebung. Die kleine rothaarige Dryade sitzt beinebaumelnd auf einem Ast und verspeist eine der herrlich duftenden Früchte. Aufmerksam hält sie Ausschau nach ihrer Spielgefährtin und als sie ihrer ansichtig wird lässt sie ihr fröhliches Lachen erklingen.
    Doch die um einige Jahre jüngere Wiesennymphe hat ihre Augen auf einen bunten Schmetterling gerichtet dem sie hinterherläuft bis sie einen Hasen entdeckt, der in einem hohlen Baumstamm verschwindet. Sogleich wird ihm gefolgt, sich ebenfalls in den Spalt gezwängt. Nur langsam gewöhnen sich die Augen ans Dunkel, unheimlich ist es und vom Häschen keine Spur. Und so wird der Kopf wieder aus dem Stamm gesteckt und nun entdeckt sie auch die Rothhaarige im Baum, der wild zugewunken wird.
    Just in dem Moment weht ein eisiger Hauch durch das Tal und überzieht das Land mit einer weißen glitzernden Schicht.
    Das Lachen der Nymphe im Apfelbaum erstirbt und weicht einem spitzen Schrei. Die kleine Leimoniade im Stamm zieht den Kopf ein und weicht zurück ins Innere. Die Augen sind vor Schreck weit aufgerissen, sie sieht mit an wie innerhalb weniger Herzschläge ein Chaos ausbricht. Die Wiesennymphen, die eben noch tanzend über die Wiese gezogen sind, versuchen den Wald zu erreichen. Einige von ihnen schaffen es, die anderen erstarren mitten in der Bewegung. Auch bei den Wasserwesen ist Panik ausgebrochen. Nicht alle haben es rechtzeitig unters Wasser geschafft, das nun plötzlich erhärtet zu sein scheint.
    Die kleine Nymphe im Stamm hält es vor Angst nicht mehr aus und läuft hinüber zum Apfelbaum. „Pomela ....“ Wild rüttelt sie den leblosen Körper der Freundin, doch diese antwortet nicht. Die sonst so strahlenden grünen Augen blicken ausdruckslos gen Himmel, die Haut ist mit einer glitzernden weißen Schicht bedeckt.
    Verwirrt kniet die Leimoniade neben der Freundin, bis jemand sie hochreißt. „Lauf um dein Leben!“, ruft eine Stimme und sie gehorcht. Zurück in den Baumstamm, ganz weit nach hinten kriecht sie, hält sich die Ohren zu und schließt die Augen und irgendwann umhüllt sie ein tiefer Schlaf.

    ”Ich mag viele, aber eben nicht alle. Ich verzeihe viel, aber nicht alles. Ich vergesse schnell. aber nicht immer. Wen ich mag, der weiß es. Wen ich nicht mag, der spürt es.“


  • Erwachen aus der Starre


    Jahre sind ins Land gezogen, wie viele es waren vermochte niemand im Nachhinein zu sagen. Die Zeit hatte Wandlungen mit sich gebracht. Aus dem einst friedlichen grünen Tal war eine fruchtbare Ebene geworden, die Berge zu sanften Hügeln geschrumpft, der Wasserfall schlängelte sich nunmehr als Fluss durch das Land.


    Schlaftrunken öffnen sich bernsteinfarbene Augen, blinzeln und versuchen sich zu orientieren. Ein Sonnenstrahl fällt durch einen Spalt ins Dunkel, kitzelt die Nase und ein feines Niesen erklingt. Das Wesen reckt sich, stößt mit Kopf und Armen an ein Hindernis, sich aufzurichten ist unmöglich. Die Hände tasten vorsichtig die Umgebung ab, fühlen zum Teil morsches Holz, es hat den Anschein, als sei es im Inneren eines Baumes gefangen. Doch warum ist es hier eingesperrt und wie kommt es hinaus?
    Vergeblich versucht das Wesen sich durch den Spalt zu zwängen. Mit den Händen wird versucht den Durchschlupf zu erweitern, morsches Holz herausgebrochen, mit Füßen dagegen getreten. Irgendwann sind die Finger blutig, Tränen rollen über das Gesicht, noch ein energischer Tritt, endlich scheint das Loch groß genug. Dem Kopf folgen die Schultern, dann der Oberkörper - die Freiheit ist greifbar nah – da bleibt das Wesen stecken. Es gibt kein vor und kein zurück. Je mehr es zappelt um so aussichtsloser erscheint die Lage. Die Füße im Inneren stemmen sich in den Boden, draußen vor dem Baum krallen die Hände sich in das Gras. Zorn lodert auf und setzt ungeahnte Kräfte frei. Ein Ruck geht durch den schmächtigen Körper und mit einem Aufschrei landet das Wesen der Länge nach im Gras – endlich frei.
    Erschöpft bleibt es liegen. Die Hand streicht bedächtig über das Grün, tief wird der Duft der Erde eingesogen. Die Sinne erwachen zum Leben und nehmen die Umgebung wahr. Ganz in der Nähe steht ein alter knorriger Apfelbaum. Wie gebannt starrt das Wesen auf ihn, dann erhebt es sich und geht hinüber. Behutsam fahren die Finger über die zerfurchte Rinde, der Blick wandert hinauf ins Geäst. Mit einem Mal schieben sich grüne Triebe aus dem Holz, Blätter entwickeln sich und rosa angehauchte weiße Blüten öffnen ihre Knospen.
    Das Herz wird so schwer, Tränen rinnen dem Wesen übers Gesicht und durch den Kopf zucken Erinnerungsfetzen, ähnlich kleiner Blitze. Kurz werden die Augen geschlossen um Ordnung in das Gedankenchaos zu bringen. Ein spitzer Schrei tief im Unterbewusstsein lässt sie die Augen öffnen und als sie zum Baum blickt, steht dieser wieder kahl und knorzig wie zuvor da. Erneut streichen die Finger über den Stamm, doch diesmal ändert sich nichts.
    War alles nur eine Täuschung der Sinne? Langsam entfernt sich das Wesen vom Baum, doch ging der Blick noch einige Male ungläubig zurück.


    Die Schritte werden zum Fluss gelenkt und sich am Ufer nieder gekniet. Vorsichtig berühren die Fingerspitzen die Wasseroberfläche und zucken zurück. Es ist eiskalt und genau diese Kälte sorgt dafür, dass ein Schauer über den Rücken läuft. Abermals flackern Erinnerungen auf, genauso undeutlich wie zuvor am Baum.
    Weit beugt sich das Wesen über das Wasser, so dass es sein Spiegelbild sehen kann. Das schmale Gesicht einer jungen Frau ist zu erkennen. Erschrocken patscht die Hand ins Wasser, das Abbild verzerrt und löst sich auf. Wer um alles in der Welt ist das?
    Nachdem die Wasserfläche zur Ruhe gekommen ist, blicken die Augen erneut aufs Wasser und wieder erscheint das Bildnis der Frau. Wenn sie dies ist, warum sind ihr dann die Gesichtszüge so fremd? Lediglich die Augen haben etwas bitter Vertrautes. Die Hand fährt über das Gesicht, schiebt die struppige Mähne zur Seite, gleitet am Hals hinab zu einer Kette und an den Anhänger. Das Metall ist mit einer glänzenden Schicht überzogen, welche in verschieden Lilatönen gehalten ist. Der Form nach ist es eine Blüte - eine Malvenblüte. Ein Name drängt sich ins Gedächtnis und setzt sich dort fest – Maeve.

    ”Ich mag viele, aber eben nicht alle. Ich verzeihe viel, aber nicht alles. Ich vergesse schnell. aber nicht immer. Wen ich mag, der weiß es. Wen ich nicht mag, der spürt es.“


    Einmal editiert, zuletzt von Maeve ()

  • Eine erste Begegnung mit den Menschen


    Es waren Stimmen die der Wind mit sich über den Fluss brachte und die Neugier weckte. Die junge Frau schaut sich suchend um, entdeckt eine Brücke und folgt dem Weg am anderen Ende bis hin zu einer Ansiedlung. Der Anblick der sich ihr bietet ist fremd, die Gerüche die ihr entgegenschlagen lassen den Magen rebellieren. Schon ist sie versucht sich zu entfernen, doch dann fällt der Blick auf eine Mutter die ihr Kind füttert. Erneut meldet sich der Magen, diesmal mit einem lauten Rumoren. Der Selbsterhaltungstrieb ist größer als die Angst und so wird sich zögerlich der Fremden genähert. Nur noch drei, vier Schritte ...
    Ein Kerl wie ein Bär versperrt den Weg, in der Hand hält er drohend einen Knüppel. Aufgebrachte Worte schallen ihr entgegen und auch wenn sie nicht verständlich sind, so weiß sie dass es besser ist zu gehen.
    Am Rande des Ortes, dort wo eine Weide ihre Äste bis weit zum Boden hängen hat, dorthin zieht sie sich zurück. Dicht werden die Beine an den schmächtigen Körper gezogen, die Arme um die Knie geschlungen und der Kopf aufgestützt. Immer wieder wandern die Augen zu den Häusern und ihren Bewohnern und Fragen kommen auf. Warum will man sie hier nicht haben? Gehört sie hier nicht her? Wo ist ihre Familie und warum ist sie nicht bei ihr?
    Die Augen werden schwer und fallen letztendlich zu. Unruhig ist der Schlaf, im Traum sieht sie den Kerl mit dem Knüppel vor sich aufgebaut stehen, der plötzlich ausholt. Mit einem Schrei fährt sie hoch und sieht sich der jungen Mutter gegenüber. Sanft blicken deren Augen sie an, deuten auf eine Schüssel mit Suppe die am Boden steht und dann reicht sie ihr einen Kanten Brot. Zögerlich wird nach dem Brot gegriffen, noch verhaltener abgebissen und gekaut. Der Geschmack ist vertraut und so wird erneut abgebissen, gierig gekaut und geschluckt. Die Suppe jedoch wird nicht angerührt, der Geruch der von ihr ausgeht ist fremd und noch ist der Drang nicht vorhanden jedem Verlangen des Magens nachzukommen.

    ”Ich mag viele, aber eben nicht alle. Ich verzeihe viel, aber nicht alles. Ich vergesse schnell. aber nicht immer. Wen ich mag, der weiß es. Wen ich nicht mag, der spürt es.“


  • … wurde das merkwürdige Wesen in der menschlichen Gemeinschaft. Gar absonderlich musste es sein, denn warum sonst tuschelten die Menschen, kaum dass sie es erblickten?
    Dabei unterschied sich die junge Frau doch kaum von den anderen Frauen im Dorf. Von hohem, schlankem Wuchs war sie, der Gang aufrecht und fast ein wenig schwebend anmutend. Das Haar, nach dem es in mühevoller Arbeit entwirrt und gebürstet war, leuchtete in der Sonne wie poliertes Kupfer. Die Hände schmal und feingliedrig, man sah ihnen sofort an, dass sie nie fest zupacken mussten, ja wohl auch nicht für schwere Arbeit taugten.


    Arbeiten indess musste die junge Frau, wollte sie den stets hungrigen Magen füllen, ein Dach über dem Kopf haben und vernünftige Kleidung am Leib tragen. Doch wohin mit Jemandem, der scheinbar über zwei linke Hände verfügte, sich so dumm anstellte wie ein nichtwissendes Kind und nicht verstand was man von ihm wollte? Die Gänse und Ziegen hüten schien noch die Aufgabe zu sein, bei der nichts schief gehen konnte … und wehe am Abend fehlte auch nur ein Tier!
    So kam es, dass Maeve - wie sie sich selbst nannte – fortan ihren Lebensunterhalt mit dem Hüten der Tiere bestritt. Der karge Verdienst bescherte ihr zwar etwas zu Essen und ein paar abgetragene Kleidungsstücke, doch reichte es nicht um sich eine Unterkunft im Dorf zu nehmen. Erneut wird die alte Weide am Rand der Siedlung zu ihrem Rückzugsort. Der Frühling wartet zwar mit so manch kühler Nacht auf und auch der Regen tropft erbarmungslos durch das noch spärliche Grün, doch weiß man sich zu helfen. Die grazilen Finger flechten die herabhängenden Zweige und binden sie zu einem Dach. Mit Moos und Rinde und einem erbettelten Stück minderwertigem Ziegenleder wird es abgedichtet. Eine einfache Binsenmatte dient als Unterlage, mehr braucht es vorerst nicht.
    Die Leute im Dorf meiden fortan die Weide, um die herum bald bis dahin hier nicht gekannte Blumen ihre violetten Blütenköpfe gen Sonne strecken. Manch neugieriges Kind erhält einen Klaps hinter die Ohren vom Vater oder der Mutter, wenn es dennoch beim Umherlungern dort erwischt wird.


    Der Sommer löst das Frühjahr ab, bald darauf folgt der Herbst mit seinen satten Farben, der verschwenderisch die Natur in warme Rot- und Gelbtöne kleidet. Die Leute im Dorf sitzen nun oft nach des langen Tages Arbeit am Lagerfeuer, sie rösten Maronen oder halten Stöcke ins Feuer, die mit einem Teig umwickelt oder auf denen Kartoffeln aufgespießt sind. Geschichten werden erzählt und so manch Blick huscht dann hinüber zur Weide, wo einsam das merkwürdige Wesen sitzt.
    Wenn dann die Dunkelheit einsetzt und es ringsumher still wird, die Natur mit all seinem Leben sich zur Ruhe begibt, dann schleicht das junge Ding sich näher ans Feuer um den Erzählungen der Alten zu lauschen. Es sind Geschichten von Fabelwesen, von Elfen und Feen, von Drachen und Trollen. Manch einer der Geschichtenerzähler sagt, diese Wesen würden immer noch unter den Menschen leben und sich ihnen ab und an auch einmal zeigen.
    Dann trifft sie der Blick der Dorfbewohner und hinter vorgehaltener Hand wird leise „Sie ist ein Feenkind“ geflüstert.

    ”Ich mag viele, aber eben nicht alle. Ich verzeihe viel, aber nicht alles. Ich vergesse schnell. aber nicht immer. Wen ich mag, der weiß es. Wen ich nicht mag, der spürt es.“


  • Fortan bestimmen Fabelwesen die Träume der jungen Frau und lassen zumindest in der Nacht Gefühle der Geborgenheit aufkommen. Hoffnung keimt auf, selbst eines dieser Wesen zu treffen und dann mehr zu erfahren. Denn eines steht fest, sie stammt nicht von diesen Menschen ab, die hier leben. Feenkind … immer öfter wird ihr dies nun in den spürbar kälter werdenden Herbsttagen hinterhergeflüstert. Die Kluft zwischen den Menschen und ihr wird beständig größer.
    Bis eines Tages eine Gestalt aus dem Schatten der Weide an sie herantritt und sich zu ihr unter den Baum setzt, der nun ohne Blätter und somit ohne Schutz vor Regen und Kälte und den Blicken der Menschen dasteht. Uralt scheint das Mütterchen zu sein, tiefe Falten haben sich ins Gesicht eingegraben, die Hände sind knochig und zittern und doch ist etwas an der Gestalt, was so gar nicht zu ihr zu passen scheint – die Augen. Kaum dass das junge Ding in die tiefgründigen Seelenspiegel blickt, fühlt es eine unbekannte Vertrautheit zur Greisin. In diesen Augen, die mit einem Mal zu strahlen scheinen und die einer jungen Frau gehören mochten, in ihnen spiegelte sich die Seele des Wesens wieder. Und dann passierte es …


    „Schließ deine Augen und warte einen Moment eh du sie wieder öffnest“, sprach die Alte zur jungen Frau. Ihre runzelige Hand berührt leicht die der Anderen und dann, als jene die Augen wieder öffnet, glaubt sie an einen Zauber. Vor ihr saß kein altes Weib, sondern eine grazile junge Frau mit silberblondem Haar und grünen Augen. „Du träumst nicht mein Kind, du siehst nur was einmal war. Ich bin auch keine Fee, sondern ein Naturgeist - eine Dryade, die jener Weide unter der wir sitzen. Hab keine Angst.“
    Angst hat das junge Ding auch nicht, es saß nur da mit großen erstaunten Augen und dem Wunsch mehr zu erfahren. Ein warmes Lächeln wurde ihr vom Gegenüber geschenkt und dann begann die Dryade zu erzählen. Es war nicht die Art der wundersamen Geschichten der Alten am Feuer, es war die Lebensgeschichte der Dryade selbst. Gespannt lauscht die Jüngere und zuweilen glaubte sie etwas aus der Geschichte zu kennen, so als hätte sie es selbst erlebt. Als die Weidennymphe von der großen Kälte sprach, schaudert es der Zuhörerin und ein Zittern fuhr durch ihren Körper. Sie schloss die Augen und sah einen Apfelbaum vor sich, darunter den leblosen Körper einer kleinen Gestalt. Eine einzelne Träne bahnt sich den Wag über die Wange und tropft ins Gras. Als sie die Augen aufschlägt, blühte dort eine einzelne violette Malve. „Das ist dein Zauber, kleine Maeve“, hörte sie die Stimme der Dryade wispern. Sie schaut sich um, doch da war niemand mehr. „Geh fort von hier und suche einen Ort, der so wundersam ist, dass man ihn nur für ein Märchen hält. Dort findest du vielleicht noch Wesen, gleich deiner Art und Antworten auf deine Fragen. Geh, eh der Winter hereinbricht.“

    ”Ich mag viele, aber eben nicht alle. Ich verzeihe viel, aber nicht alles. Ich vergesse schnell. aber nicht immer. Wen ich mag, der weiß es. Wen ich nicht mag, der spürt es.“


    2 Mal editiert, zuletzt von Maeve ()

  • „Geh fort von hier und suche einen Ort, der so wundersam ist, dass man ihn nur für ein Märchen hält.“ Dieser eine Satz bestimmt fortan die Gedankenwelt des scheuen jungen Weibes. Wie herrlich musste jener Ort doch sein im Gegensatz zu der Welt der lärmenden und groben Menschen hier. Sie würde dort auf Ihresgleichen treffen, vielleicht sogar auf ihre Familie und endlich all die quälenden Fragen beantwortet bekommen.
    Von nun an spart Maeve wo sie nur kann am kargen Lohn den sie erhält. Wie viele Meilen würde sie zurücklegen müssen, wie viele Paar Schuhe verschleißen, wie oft eine Herberge aufsuchen wenn kein schützender Wald oder eine verlassene Scheune rechtzeitig zur Dämmerung erreicht wurde? Würden Brot und Käse, vielleicht ein Zipfel Wurst und ab und an verdünnter Apfelmost günstig erstanden werden können? Würde die Kleidung sie ausreichend wärmen bis sie ihr Ziel … ihren Traum erreichte? Die alles entscheidende Frage jedoch war, würde sie überhaupt die Courage aufbringen ins Ungewisse aufzubrechen?

    Als die letzten Fischreiher über dem See kreisend den Ort verlassen, nahm Maeve all ihren Mut zusammen und verstaut die wenigen Habseligkeiten und ein bisschen Proviant in einer Kiepe, die sie auf dem Rücken tragen konnte. Die alte Weide unter der sie bislang hauste, überließ ihr die Ruten, aus der mehr schlecht als recht ein Korb geflochten war. Stets würde sie sich so an die Weidendryade erinnern und vielleicht, wenn die Ruten nicht völlig austrockneten, würde eine von ihnen, in die Erde der neuen Heimat gesetzt, Wurzeln schlagen. Der Gedanke war tröstlich.
    Im Morgengrauen verlässt die die Rotblonde - die kleine Ziegenherde vor sich her treibend -wie immer die kleine Siedlung. Niemand hält sie auf, als die unscheinbare Hirtin diesmal einen anderen Weg als üblich einschlägt. Die nackten Füße folgen dem Sandweg über die Brücke, dann am Fluss entlang hin zu dem Ort, der noch immer schmerzliche Erinnerungen weckt … so auch jetzt. Die Ziegen werden sich selbst und dem saftigen Gras in Ufernähe überlassen, die einst hier Heimische wendet sich dem windschiefen Apfelbaum zu. Ein letztes Mal streifen die Finger über scheinbar totes Holz, bis sie das Mysterium gewahr wird, an welches sie sich noch immer nicht gewöhnt hat: aus einen dünnen Ast schiebt sich frischgrünes Blattwerk. Maeve nimmt es als Zeichen, als Abschiedsgeschenk. Vorsichtig trennt sie den Ast ab, der sogleich wieder zu dem wird, was er vormals war … ein einfaches, vertrocknetes Stück Holz. Jedoch die Nymphe weiß es besser, er ist so viel mehr! Den Kloß im Hals herunterschluckend und der Tränen nah, ruhen die Bernsteinfarbenen auf dem Baum. „Leb wohl Pomela …“ Maeve wendet sich ab als ein leichter Wind aufkommt. Leises Wispern trägt er mit sich und nur die Leimoniade versteht die Worte „Lebe wohl Maeve …“

    ”Ich mag viele, aber eben nicht alle. Ich verzeihe viel, aber nicht alles. Ich vergesse schnell. aber nicht immer. Wen ich mag, der weiß es. Wen ich nicht mag, der spürt es.“