Beiträge von Isimud

    "Oh je", schoss es Isimud durch den Kopf. War das nicht der Mann, von dem er erst gestern die Ersatztür gekauft hatte? Aber mit etwas Glück würde der andere das gar nicht wissen. Zwischen den beiden Käufen lag ja eine gewisse Zeit und überhaupt... Türen konnte man nie genug haben. An Truhen zum Beispiel. Wieso musste man die immer mit einem Deckel abschließen? Um einiges stilvoller war da eine Kleingartentür :P
    "Euch auch einen guten Abend", erwiderte der junge Mann freundlich, wenn auch ein wenig nervös.
    Eines hatte die kurze Episode aber bewirkt: JETZT fühlte er sich schon viel eher nach etwas Starkem zu Betrinken.

    (Forts.)


    Abkommandiert auf eine Plantage! Als Feldaufseher! Sonderlich viel tiefer konnte man nicht sinken, oder? Isimuds Träume von einer Piratenkarriere endeten dort, wo sie üblicherweise endeten: Auf einer Zuckerrohrplantage. Nah an den Subtropen gelegen ermöglichte das Klima der hiesigen Region das Wachstum dieser wichtigen Pflanze vorzüglich. Und nun stand der Urkhart´sche Erbe gegen die Wand des Schuppens, in dem die Pressen betrieben wurden, gelehnt, seinen Übungsbogen in der Hand und einen Tellerhelm auf dem Kopf, der ihm ständig ins Gesicht rutschte. Außerdem hatte ihn sein Vater mit einem Vorrat an Schriftrollen ausgestattet.
    Auf den Feldern schufteten die Sklaven: Menschen, Halblinge und andere zweigeschlechtliche Missgeburten der Natur. Jeder einzelne befand sich am Leben, benötigte Schlaf und musste zu Essen bekommen. Der Einsatz von nimmermüder Zombies in der Lebensmittelproduktion verbot sich von selbst, soviel verstand selbst der kleine Isimud bereits. Es war einfach unhygienisch! Zu den Aufgaben des Knaben gehörte es nicht nur, Fluchtversuche zu erkennen und zu vereiteln, sondern darüberhinaus einzuschätzen, welcher der Sklaven nicht mehr wirtschaftlich war. Dann musste er einen Trank vom Apothekarius holen und dem Betreffenden ins Essen schütten. Der Todeskandidat erfuhr nicht, was ihn erwartete und er würde, so hatte der Vater Isimud versichert, auch nicht leiden. Darauf war Nudimud besonders stolz: Niemand litt unnötige Qualen unter seiner Herrschaft. Dies redete der Burgherr sich und seiner Familie ein.
    Nach dem Trunk kam dann die Schriftrolle zum Einsatz, mittels derer auch ein nicht in der Nekromantie geschulter Leser einen Toten als Zombie auferstehen zu lassen vermochte - für Zombies gab es immer gut zahlende Abnehmer. Selbst ein Kind konnte die Schriftrolle benutzen. Alles, was man dazu beherrschen musste, war ein wenig Lesefertigkeit. "Du kannst das", hatte der Vater Isimud aufmunternd mit auf den Weg gegeben. "Du bist doch mein Großer!"


    Konnte er es wirklich? fragte sich der Junge. Denn der Tag, an dem er es herausfinden würde, war gekommen. Einer der Sklaven, ein Halbling, war seit Isimuds Ankunft täglich hinter der zu erbringenden Quote zurückgefallen. Eine Ausrede oder Rechtfertigung, länger zu Zögern, gab es nicht mehr. Heute Abend musste der Trank des Todes verabreicht werden. Isimud hatte bereits eine Phiole beim Meister Apothekarius abgeholt. Nun stand er in der Küche, das Gefäß in der einen Hand, eine Schale mit Reisbrei in der anderen. Mangobrocken schwammen im Reis. Es sah richtiggehend fröhlich aus...
    Plitsch! Der erste Tropfen Flüssigkeit fiel in das Essen. Salzig, heiß. Kein Gift, sondern eine Kinderträne. "Ich mache das ganz einfach nicht", flüsterte Isimud zu sich selbst. "Und zuhause sage ich, der Trank hat nicht gewirkt." Ob dann der Apotheker Ärger bekommen würde? Der war ja auch nur ein Sklave, wenngleich ein gebildeter. Der Halbling oder der Alchemist... beide befanden sich in Gefahr. In höchster Not, konnte man sagen...
    Isimud spürte ein leichtes Kribbeln auf dem Rücken, ziemlich weit oben, beinahe im Nacken. Das Kribbeln intensivierte sich zu einem Jucken. Das Kind kratzte sich mit den Fingernägeln. Es scharrte sich, als das nichts half, mit einem Stock zwischen den Schulterblättern. "Menno! Dafür habe ich jetzt absolut wirklich gar keine Zeit!" murrte Isimud. "Ich muss mir doch etwas einfallen lassen, wie ich die beiden Nicht-Anthronen rette! Sie sind in Not und ich bin ihre einzige Hoffnung!"
    Das war der Moment, in dem die Schmerzen einsetzten. Als wolle sich etwas unter seiner Haut Verborgenes einen Weg nach draußen bohren, drückte und schmerzte es in Isimuds Schulterbereich. Je intensiver er daran dachte, dem Halbling das Leben zu retten, umso stärker wurde der Schmerz. Das Kind krümmte sich zusammen, fiel zu Boden und wand sich dort weiter. Isimud wurde es schwarz vor Augen. Dann sah er sich selbst, wie der den alten Halbing durch die Lüfte transportierte. Der Mann war leicht und Isimud musste seine Schwingen nur wenig anstrengen. Er flog! Fort von der Plantage, fort von den Urkharts, auf eine Insel zu. Merkwürdige steinerne Gebilde standen dort. Waren das Säulen? Oder befand sich nicht auch eine Statue darunter?
    Eine ernste, aber auch liebevolle Stimme erklang im Kopf des Anthronenkindes: "Isimud Urkhart! Sei tapfer!"
    Doch die Schmerzen waren stärker als der Lockruf der Vision. An das Zahnen besaß Isimud keine bewusste Erinnerung, doch das ebenso schmerzhafte flügge werden ging über seine Kräfte. Das Kind gab seinen Rettungsplan auf.
    "Wir sehen uns wieder. Wenn du älter und bereit bist", meldete sich noch einmal die unbekannte Stimme. "So leicht geben wir in Simkea keinen der unseren auf!"
    Simkea? Isimud vergaß diesen merkwürdigen Namen wieder, kaum, dass er ihn vernommen hatte. Mühsam zog er sich am Tischbein hoch. Mit zitternden Fingern tastete er nach der Phiole, die noch immer dort oben stand. Leicht fiel es dem Kind nicht, doch je überzeugter er von seiner Sache war, umso mehr ebbte die Pein ab.
    Phiole - Halbling - Schriftrolle.
    Und Nudimud Urkhart war stolz auf sein mutiges und vernünftiges Kind.


    Simkea. Zurück in der Gegenwart.


    Isimud richtete sich im Gras auf. Sein Haar war zerzaust und seine Kleidung bot allerlei Krabbeltierchen eine übergangsweise Heimat, doch das spielte jetzt keine Rolle. Nichts war mehr, wie es zuvor gewesen war... nein, geschienen hatte. Isimud starrte ins Leere. Er war nicht als Opfer nach Simkea gekommen, wie all die anderen, sondern als Täter! Oder vielleicht war er ja beides gleichzeitig. Was sollte er nun tun? Wie sollte er mit diesem wissen weiterleben? Der Körper des Jünglings hatte seine eigene Antwort parat: Lautes Magenknurren veranlasste ihn, einen Apfel aus seinem Esskorb zu holen und zu verspeisen. Der Alltag, so begriff Isimud, übte eine extrem starke Macht aus.
    Zuerst zögerlich, dann immer überzeugter, schnürte der Anthron seinen Rucksack auf. Er suchte Mörser und Stößel, die er immer bei sich führte. Von seiner letzten Reise ins Adoragebirge trug er auch noch ein wenig Kohle mit sich herum. Eines dieser Bricketts zerrieb er nun in der Keramikschale. Beim ersten Mal fiel sie ihm aus den Händen und die Kohle verteilte sich auf seinem grasgrünen Umhang. Doch im zweiten Anlauf gelang es dem Hobbyfärber, zwei verwendbare Einheiten Farbpulver zu produzieren. Lange starrte Isimud auf das Ergebnis seiner Arbeit. Das Unmögliche war doch zu schaffen! Man musste nur... wollen? Nein, der Wunsch allein genügte nicht. Dranbleiben musste man und durfte nicht zurückschrecken, egal, wie steinig der Weg auch sein mochte. Und selbst dann gab es noch immer keine Garantie, das Ziel auch zu erreichen. Doch Isimud war sich an diesem Morgen absolut sicher: Eines Tages würde er doch noch fliegen lernen!
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    [Fußnote:
    Anthronenkinder nennen ihre Eltern nicht beim Vornamen. Sie benutzen zwei Worte, die "Meinvater" beziehungsweise "Deinemutter" und "Meinemutter" beziehungsweise "Deinvater" bedeuten. Das neutrale Wort "Elter" existiert zwar in ihrer Sprache, doch die Anthronen empfinden es als äußerst unhöflich, nicht zu unterscheiden, welches Elternteil denn nun das jeweilige Kind-Ei besamt und welches es letzten Endes gelegt hatte. Das Elter-Wort findet nur im Gespräch mit anderen Rassen Verwendung. Ein Anthron benutzt auf das eigene Volk bezogen auch niemals "er", "sie" oder "es", sondern ein viertes Pronom, das am besten mit "ersie" zu übersetzen ist.
    Isimud und Usumiya wuchsen zwar in der elterlichen Burg ein wenig hinterwäldlerisch auf, dennoch hatten die Zwillinge in ihrem Leben bereits mehrere andere Rassen gesehen. Manche zeigten sich nur selten, das waren die Lehnsherren, vor denen man buckelte. Dann sprach man so, wie diese es erwarteten und aus den Eltern wurden "Mutter" und "Vater". Isimuds Vater übernahm im Kontakt mit Nichtanthronen die männliche Rolle, weil ihm die Burg gehörte und er als Magiermeister die höhere soziale Stellung einnahm. So mochten es die Herren vom hohen Adel.
    Mit anderen Fremdwesen hatten die Urkharts täglich zu tun, doch diese waren die Sklaven, um deren Meinung man sich nicht scherte.]

    Seit einigen Wochen musste sich jeder, ob er es nun wollte oder nicht, anhören, dass Isimud Urkhart plante, einen Garten anzulegen. Das verwilderte Grundstück hinter seinem Haus erschien ihm dafür ideal und, so sagte er sich, so ein romantischer kleiner Garten erhöhte sicher auch die Chancen, ein Ehe- oder Zwillingspaar ins Heu... äh, nein, falsch, ins Herz natürlich! - zu bekommen.
    Eine der Stadtbewohnerinnen, die von den Plänen des Jünglings erfuhr, war Gypsy Rose, die Wanderrose. Über wieviele Ecken sie davon gehört hatte, dass dieser sich als Hobbyfärber betätigte, würde Isimud wohl nie erfahren (Eishexe Eisflackern erschien ihm allerdings als mögliche Quelle, immerhin war sie seine erste und einzige Kundin gewesen). Jedenfalls erkundigte sich die Frau freundlich, ob ihr Gegenüber ihr vielleicht einige Kleidungsstücke schwarz färben könne. "Ich benötige erst Farben", erwiderte Isimud. Er erklärte, kein besonders begabter Alchemist und daher auf Einkäufeangewiesen zu sein.
    Und damit hatte es sich... vorerst...


    Von allen möglichen Lebensstilen eines Simkeaners reizte der des Landmannes Isimud Urkhart am Wenigsten. Genaugenommen verabscheute er das Bauernleben. Das mochte daran liegen, dass ihm das Schlachten im Gegensatz zur Jagd zuwider war, aber ein paar in der Kindheit aufgeschnappte Vorurteile gegen die "niederen" Feldsklaven spielten sicher auch hinein. Doch für den Garten brauchte er Gras und das wuchs nun einmal am besten auf einer Wiese. Also hieß es: zwei Sicheln gekauft und ab zum Gutshof!
    Die Arbeit war eintönig und schwerer, als man denken sollte. Rechnete man noch das Unbehagen gegen die Landarbeit hinzu musste man sagen: unerträglich.
    Isimud versuchte, ein Spiel aus seiner Mühe zu machen. Erinnerte die Sichel nicht ein wenig an einen Krummsäbel, wie ihn die Mutter getragen hatte? Klar doch! Und die Grashalme waren ein feindliches Heer. Allein Isimud stand zwischen den finsteren Heerscharen und den unschuldigen Bürgern Trents. Feind um Feind stürzte unter seinen Hieben zu Boden und wurde als Gefangener in den Rucksack gestopft. Die "Kampf"bewegungen sahen tänzerisch und leicht aus, doch handelte es sich um das Ergebnis langen Trainings. Auf spielerische Weise verbesserte der Jüngling seine Geschicklichkeit, ohne es zu merken.
    Erschöpft lies sich Isimud am Ende des Tages ins Gras fallen, wo er gestanden hatte. Schlaf bemannte sich seiner, doch sollte nur der Körper, nicht der Geist, des Jugendlichen Erholung finden. Denn aus den Tiefen seines Unterbewusstseins stieg eine alte, beinahe vollständig verdrängte Erinnerung wieder nach oben. Und diese Erinnerung fügte der Lösung des Rätsels, wieso sich Isimud auf Feldern nicht wohl fühlte, das letzte Puzzleteil hinzu!


    Noröm. Etwa zehn Jahre zuvor.


    Zwei Kinder, Zwillinge von vielleicht neun oder zehn Jahren, tobten durch den Wald. Da es sich bei den menschenähnlich aussehenden Kindern um Angehörige des seltenen Anthronenvolkes handelte, die menschlichen Zweijährigen ebenbürtig aus Eiern schlüpften, konnten sie also in Wirklichkeit erst acht Jahre alt sein.
    Unter normalen Umständen wäre das Treiben der Geschwister gefährlich gewesen, doch Magie sorgte dafür, dass der Wald den Heranwachsenden nichts zuleide tat. Gegen den Urkharts feindlich gesinnte Durchreisende aber schützten die Kinder ihre Leibwächter, zwei Skelettkrieger, welche diese Aufgabe bereits zu ihren Lebzeiten für den Vater der Zwillinge erfüllt hatten.
    Doch ging die größte Gefahr stets vom Unbekannten aus und manchmal kam sie aus völlig unerwarteter Richtung.
    Schneller und schneller liefen die Jungen. Sie verliesen den Wald, sprinteten in die grasbewachsene Ebene hinaus bis zu den Klippen, die ins Meer hinein ragten. Die Geschwister machten ein Spiel daraus, wie weit sie sich dem Abgrund nähern konnten, ohne von ihren Beschützern aufgehalten zu werden. Irgendwann blieben sie stehen, grinsten sich an und genossen den ungehinderten Blick in den finsteren Himmel Noröms. Nur, dass dieser Himmel in der Umgebung des Urkhart´schen Familiensitzes gar nicht so finster war. Der Vater der Zwillinge hielt mithilfe seiner Magie eine künstliche Lichtquelle, eine beständig im Explodieren befindliche kleine Sonne, aufrecht. Zum einen natürlich für die Kinder, zum anderen aus Nostalgie, in Erinnerung an bessere Zeiten, und zum dritten, weil ohne Licht nun einmal nichts wuchs. Ohne Pflanzen aber gab es keine Nahrung, auch nicht für die ach so starken Fleischfresser. Die Urkhart-Ländereien stellten eine der letzten Kornkammern Noröms dar. Sie produzierten für die Armeen des Bösen ebenso wie für die zahllosen Sklaven - für die einen ein bißchen mehr und besser als für die anderen.
    Die Reichweite der magischen Sonne endete an den Klippen. Das Meer lag bereits wieder in Dunkelheit versunken. Isimud, das ältere der beiden Kinder, fühlte sich vom Meer beinahe magisch angezogen. Dass er einmal Seeräuber werden würde, daran gab es für ihn gar keinen Zweifel! "Ja", erklärte er seinem Bruder Usumiya. "Und dann schicke ich die untreuen Matrosen über die Planke. So hier!" Mit diesen Worten versetzte das Kind dem anderen einen Schubs. Usumiya stürzte über den Rand der Klippe und in die Tiefe. Ein selbstgefälliges Grinsen huschte über Isimuds Gesicht.


    Keine halbe Stunden später stand das Kind schmollend vor seinen Eltern.
    "Meinvater...", brummte Isimud. [Fußnote siehe unten]
    "Was hast du dir nur dabei gedacht?!" schimpfte der Vater. Nudimud Urkhart wurde nicht laut, das wurde er eigentlich nie. Viel stärker als Wut klang abgrundtiefe Enttäuschung aus den Worten des Erwachsenen. "Deinen Bruder ins Meer zu stoßen... Hätte ich nicht rechtzeitig mit dem Levitationszauber eingegriffen, wärst du jetzt ein Einzelkind! Wie ein dreckiger Mensch!" Der Zauberer blickte Isimud tief in die Augen. Der leichte Ansatz insektoider Facetten Augen, der bei älteren Individuen der Spezies bisweilen auftrat, ermöglichte ihm präzise Sicht, doch ins Herz seines Kindes vermochte auch Nudimud Urkhart nicht zu schauen. "Dabei sind wir alles, was wir noch haben", beschwor der Zauberer sein Kind. "Alles, was Damkina und ich zu tun gezwungen waren, das haben wir nur für unsere Familie getan. Verstehst du das denn nicht? All die Opfer, und die Befleckung... die Richtung, die meine Magie eingeschlagen hat - damit niemand auch nur daran denkt, euch etwas zuleide zu tun. Wir sind treue Diener des Schattens, aber treuer ist ein Urkhart den Seinen gegenüber!"
    "Ich dachte", erklärte Isimud trotzig, als Nudimud eine Atempause einlegte, "dass ich fliegen will! Es heißt doch, dass wir das können, wenn jemand in Not ist. Also hab ich halt dafür gesort, dass Usi in Not gerät. Hättest du dich nicht eingemischt, dann wären mir Flügel gewachsen und ich hätte meinen Bruder gerettet!"
    Dies war der Moment, in dem auch der sonst so ruhige Nudimud explodierte wie die Sonne, die er geschaffen hatte. Der Zauberer brüllte! "Zum letzten Mal! Dabei handelt es sich nur um eine dumme alte Legende! Anthronen können nicht fliegen! Versuch es gar nicht erst! Es... es würde nur..."
    "Ja?"
    "Nicht funktionieren", erwiderte Nudimud ausweichend. Statt weiter Isimuds Neugier zu befriedigen, kam er lieber ausführlich auf die dem Kinde zugedachte Strafe zu sprechen.


    (Wegen Zeichenbegrenzung weiter im nächsten Post)

    Isimud betrat das Gasthaus. Ui, war das voll! Am liebsten wäre er sofort wieder umgekhert, aber das hätte lächerlich ausgesehen. Also Augen zu (natürlich nur bildlich) und eingetreten. Aus den Augenwinkeln bemerkte der Gast, wie eine Socke eine Katze durch den Raum jagte - waren es sonst nicht eher die Katzen, die hinter allem, was aus Wolle war, herstürzten? Vermutlich nannte man das ausgleichende Gerechtigkeit oder auch Karma.


    Der Ankömmling hatte sich kaum einen Platz gesucht, als auch schon der neue Kellner am Tisch stand. "Ich hätte gern eine große Schüssel Gulasch, einen Brocken Brot und dazu..." Hm, am liebsten natürlich Kirschsaft mit viel Fruchtfleisch. Aber Isimud war ja keine neun mehr, sondern neunzehn und befand sich in der Öffentlichkeit! Also sagte er: "... ein Dunkles."

    Seine Bekanntschaft mit Enpehzeh hatte Isimud vor Augen geführt, wie frei er eigentlich war. Frei von den Erwartungen anderer, besonders der Eltern und Lehrer, die ihm immer wieder durch Blicke und Seufzer zu verstehen gegeben hatten, dass aus ihm einmal "nichts Rechtes" würde. Aber auch frei von Existenzängsten, ernährte ihn sein Beruf ja nun nicht nur, sondern warf genug Geld ab, das der Jüngling in seine zahlreichen Hobbies stecken konnte: Kleidung seiner jeweiligen Stimmung gemäß zu färben, all die guten Sachen selbst zu kochen, die an den Marktständen verführerisch dufteten oder einfach die Zeit auf der Großwildjagd zu vertrödeln.
    Isimud ging seinem Handwerksberuf in dem Bewusstsein nach, das gefunden zu haben, das ihm am besten lag und nicht etwa - das war ein feiner Unterschied - weil er für keine intelektuell anspruchsvolle Tätigkeit geeignet war. Es stimmte zwar, doch war das eben nicht der Grund, weshalb Isimud Bergmann geworden war.


    Aber gerade, als alles hätte gut sein können, zogen erneut dunkle Wolken auf. Bei seiner Arbeit in der Gießerei begegnete Isimud eines Tages dem Pärchen Takezu und Maeve. Beide Liebenden trugen bedrohliche Waffen: der Halbelf sein Schwert und die Nymphe ein Kleinkind. Als Angehöriger einer Spezies von eierlegenden Nestflüchtern mied Isimud diese ihm so fremdartige Lebensform, wo er nur konnte. Babies machten ihn nervös, er neigte dazu, die Eltern zu verstören und das musste man ja beiden Seiten nicht antun.
    An jenem Tag überlebte Isimud die Begegnung, doch sie hinterließ ihn nachdenklich. Neunzehn Jahre zählte er nun, ohne auf eine Beziehung geschlechtlicher Natur zurückblicken zu können. Alb und Nymphe schienen gut zusammen zu passen, wie eigentlich Angehörige jeder Spezies, die sich in zwei distinktive Geschlechter teilte. Aber wo blieb Isimud bei der Sache? Auf den ersten Blick betrachtet standen ihm männliche und weibliche Partner offen, doch das funktionierte nur aus der Sicht eines Menschen. Denn ob er sich nun einen Freund oder Freundin suchte, Isimud würde im Liebesspiel entweder nur geben oder empfangen können. Aus der Sicht eines Anthronen blieb das nicht nur unbefriedigend, sondern wirkte zudem noch lächerlich! 'Soll ich vielleicht für immer eine halbe Jungfrau bleiben?!' dachte der Jüngling bei sich. Die einzige andere Alternative bestand darin, ein Pärchen in seinem Alter zu finden... Aber waren nicht drei stets einer zuviel? Würde das nicht zu nichts weiter als Eifersucht führen?


    Nur einer grinste in sich hinein (wenn auch unterlegt von Verständnis für den jungen Burschen): Camulos von Noröm, Isimuds Ausbilder. "Endlich hat der Kleine mal normale Probleme für jemand seines Alters!" Und das, so dumm sich das für Isimud auch anfühlte, war ja eigentlich eine gute Sache.

    "Simkea durch die Augen meines neuen Bekannten zu erleben, ist eine Herausforderung. Für mich, für die Städter und für den armen Kerl selbst. Heute habe ich ihm den Markt gezeigt und ihn nur für einen Augenblick aus den Augen gelassen, um bei bleedblue zwei Becher Dunkelbohnentrank zu kaufen. Schon brach ein kleiner Tumult aus.
    Was war geschehen? Der Neue, Enpehzeh lautet sein Name, hatte doch tatsächlich einen Händler des Betruges bezichtigt! Ein Zuchtei in den Händen trat er auf mich zu und verlangte, ich solle einschreiten. Was tun? Weit und breit keine Flummii, kein IceT oder ein anderer von den Veteranen. Der Markt war wie ausgestorben, mit Ausnahme der anonymen Masse der Bürger, die kein Wort mit mir wechseln. Es blieb wirklich an mir hängen, das Problem zu lösen. Also sah ich mir das Ei genauer an. Für meine Augen sah es völlig normal aus und würde einmal ein gesundes Kälbchen produzieren.
    "Der Kerl hat behauptet, aus diesem Ei schlüpfe eine Kuh!" brüllte Enpehzeh in einer Mischung aus bitterem Lachen und Wut über den Markt. Klar, jetzt, mehrere Stunden später, lachen wir beide darüber. Aber heute Morgen fing ich an, vom Synapsiden, dem gemeinsamen Vorfahren der Säugetiere und Reptilien zu sprechen. Hatten mir meine Hauslehrer ja mal pflichtschuldig eingetrichtert... Erst, als ich merkte, selbst nicht mehr zu verstehen, was ich da eigentlich erzählte, griff ich auf das gute alte "Das ist hier eben so" zurück. Das wirkte. Kühe, merkte sich mein Bekannter, schlüpfen aus Eiern. Ich schlug ihm auf die Schulter. "Besser verrückte Kühe, als ein tyrannischer Landesherr, ne?"


    Und nun sitze ich hier und denke über Simkeas Tierwelt nach, über Monster, um genau zu sein.
    Monster sind Tiere (Wahnsinnige Würmer), verzauberte Objekte (Belebte Vogelscheuchen) oder Kulturschaffende (Goblins). Ich schreibe hier nur über die ersten beiden Gruppen, weil ich noch keine Erfahrungen mit Goblins gesammelt habe.
    Diesen Monstern ist eigen, dass sie viel dreister als die sogenannten normalen Tiere sind und den Menschen gezielt angreifen. Aber sie tun das nicht aus Bosheit, sondern, weil sie stark genug sind, sich selbst als über uns in Nahrungskette stehend zu begreifen. Ist ein Wolf böse, wenn er ein Kaninchen fängt? Doch wohl eher nicht. Das kleinere Tier passt einfach in sein Beuteschema, so, wie wir in das jener Tiere, die wir deswegen als Monster bezeichnen. Nachdem ich das einmal begriffen habe, bin ich mir unsicher, ob ich mich weiter als Kämpfer betrachten sollte. Man denkt dabei an Soldaten und Söldner, an Kriege, Banditenüberfälle und dergleichen mehr. Das alles haben wir in Simkea glücklicherweise nicht. Womit wir uns herumschlagen müssen, sind die Monster. Wenn ich Enpezeh demnächst zum Gutshof eskortieren werde, dann werde ich natürlich meine Rüstung und Waffen dabeihaben. Mit normalen Jagdwaffen kommt man dem Großwild ("Monster") einfach nicht bei. Damit entspricht meine Funktion der eines Försters, der ja auch keine Kriege gegen Wölfe führt, sondern einfach nur darauf achtet, dass die Population nicht überhand nimmt (also das natürliche Gleichgewicht erhalten hilft) und Reisende beschützt. Naja, ehrlich gesagt würde ich gegen einen richtigen Förster ziemlich alt aussehen. Normale Wildtiere sind sowas von scheu, dass die schon geflohen sind, bevor ich auch nur einen Pfeil einlegen kann.
    Was aber bin ich dann? Ein Krieger sicher nicht, das hat sich als Irrtum herausgestellt. Monsterbezwinger will auch nicht mehr so richtig passen. Ich denke, ich werde mich als Großwildjäger bezeichnen. Aber wenn es doch mal notwendig würde, dann möchte ich schon gern ein Krieger sein...


    Okay, Enpezeh wird unruhig. Ihm sind meine Nachdenkereien sowas von egal, er möchte nur bald sein neues Leben als Bauer anfangen. Für die Schweine und Kühe wird er dann das "Monster" darstellen, ohne wirklich böse zu sein.


    Es wird Zeit, aufzubrechen."


    - Aus Isimud Urkharts Tagebuchaufzeichnungen

    Sorry, aber da muss ich mich mal einklinken. Jede gerettete Seele ist ein Sieg, ob die nun eine noröm´sche oder eine aus weiter Ferne ist. Und ich kann nur hoffen, dass MX das genauso sieht und sich über die geretteten Fremden in Simkea ebenso freut wie über die Norömer (Ein bißchen Idealismus und Utopie darf man sich in einem Fantasyspiel ja wohl mal gönnen).
    Was die gefühlte Überzahl der Nicht-Norömer in Simkea angeht, so wird die sich ganz von allein nach unten korrigieren, wenn die Vorgeschichte erst einmal im Tutorial präsenter ist.

    Isimud hatte Trent beinahe erreicht, als er über einen Menschen stolperte. Man durfte das wörtlich nehmen, denn der Mann lag quer über den Pfad hingestreckt. Niemand, der so dalag, hatte sich vorher gemütlich zur Ruhe gebettet. Viel eher sah es so aus, als sei diese Person vor Erschöpfung kurz vor ihrem Ziel zusammengebrochen.
    Während er dem umsanft Geweckten aufhalf, betrachtete Isimud ihn sich näher. Zerlumpte Kleidung, ein Brotbeutel, das Klimpern von Blech in seinen Taschen... ohne Zweifel handelte es sich um einen weiteren Ankömmling von der Portalinsel. Doch bevor Isimud den anderen genauer nach dessen Herkunft ausfragen konnte, sah er sich gezwungen, ihm gleich noch einmal einen unsanften Schubbser zu versetzen.
    "Ab in Deckung mit dir! Da kommt ´ne Große Ameise!" zischte der Monsterjäger. Er riss sein Steinbeil vom Gürtel und stürzte sich auf das Ungeueher.
    Dann folgten die Hiebe blitzschnell aufeinander. Im Nu war die Bestie tot und der Menschenmann gerettet.
    Zufrieden sein Beil ums Handgelenk kreisen lassend kehrte Isimud zu seinem Schützling zurück.


    "Du bist also ein Jäger!" stellte der Fremde fest. Dabei hätte er im ersten Moment doch glatt auf Bergmann getippt!
    "Monsterbezwinger", stellte Isimud klar.
    Doch das schien seinem neuen Bekannten nicht sogleich einzuleuchten. "Die große Ameise ist doch hier nur herumgekrochen", meinte er. "Sie hat uns nicht angegriffen. Trotzdem bist du auf sie los und hast den Kadaver hinterher durchwühlt. Wie eben ein Jäger, wenn er ein Reh tötet und ausnimmt."
    "Aber das war kein Reh, sondern ein Ameisenspäher!" rief Isimud aus. "Ein Monster!"
    Der Menschenmann zuckte die Achseln.
    "Woher soll ich das wissen? Ich kenne dieses Land nicht und erst recht nicht seine Tierwelt, was da normal ist und was monströs.Ich mein, das Vieh hat dich nicht angegriffen..."
    "Das tun sie nie", nickte der Monsterjäger. "Weil es sich um Späher handelt. Wenn sie lohnende Beute ausfindig machen, alarmieren sie die echten Krieger - und wenn die angerauscht kommen, nehme auch ich meine Beine in die Hand."
    "Das wusste ich alles nicht", erwiderte der andere. "Mir wurde nur gesagt, dass ich jetzt in Simkea leben dürfe. Von einer, äh, Steinstatue."
    Der Fremde legte seinen Kopf ein wenig schräg und setzte ein ebenso schiefes Grinsen auf, das wohl "He, ich weiß ja selbst, wie merkwürdig das jetzt geklungen hat" besagen sollte.
    "Vom Wächter", korrigierte Isimud gestesabwesend. "Aus dem Mund einer Steinstatue."
    "Ah, so ist das." Besonders helle schien der Menschenmann nicht zu sein. Genaugenommen bewegte sich auch Isimud auf keinem höheren geisitgen Niveau. Er war nicht wirklich intelligent, nur hatten seine Eltern ihm ein wenig Bildung auswendig lernen lassen, die über diesen Umstand hinwegtäuschen sollte. Außerdem besaß Isimud bereits ein wenig Erfahrung das Leben in Simkea betreffend.
    "Als ich hier ankam, gab es noch keine Monster", teilte er eine dieser Erfahrungen. "Sie sind erst später aufgetaucht. Unser Wohlstand hat sie angelockt. Wie die Waschbären und Füchse, wenn sie bis in die Hinterhöfe reicher Leute kommen."
    Der Menschenmann schien Isimuds Begeisterung angesichts des Erscheinens menschenfressender Ungeheuer nicht so recht teilen zu wollen. Doch er hütete er sich, seinen Widerspruch gegenüber einem bewaffneten und gerüsteten Kerl laut zu äußern. Lediglich ein unverbindliches "Hrm" entschlüpfte seiner Kehle.


    "Jetzt bringen wir erstmal den restlichen Weg in die Stadt hinter uns", entschied Isimud. "Ich wohne in einer Hütte gleich am Stadttor, da kannst du übernachten. Morgen schaust du dir dann den Markt an, fragst Leute und so, um herauszufinden, welche Art von Leben du hier bei uns anfangen möchtest."
    "Ja, und euer Landesherr? Lassen wir den einfach so außen vor?"
    "Den Landesherren hast du schon kennengelernt. Durch die Statue, du erinnerst dich? Es gibt einige Leute in Trent, die Master X bei seiner Aufgabe, über unseren bunten Haufen zu herrschen, unterstützen, aber die darfst du dir nicht wie Fürsten vorstellen. Sie achten auf die Einhaltung der Gesetze, aber keiner schreibt dir vor, wo du zu wohnen hast, welchen Beruf du ausüben musst oder wen du heiraten darfst."
    Dass noch nicht einmal Steuern erhoben wurden, behielt Isimud lieber für sich. Der andere schwankte ohnehin schon zwischen Misstrauen und Flucht angesichts dieser Eröffnungen. Am Ende war er an einen gefährlichen Aufrührer geraten, der ihn in Schwierigkeiten bringen würde?!
    "Wie heißt du?" fragte Isimud rasch, um ein wenig Normalität in das Gespräch einfließen zu lassen. So etwas bot Erwachsenen... (Äh, den anderen Erwachsenen außer ihm natürlich!) erfahrungsgemäß Sicherheit.
    Der Flüchtling nannte seinen Namen.
    Isimud lächelte.
    "Das ist ein guter Anfang. Mehr verlange ich nicht dafür, dir fürs erste Unterkunft zu gewähren. Nur eine Geschichte über das Land, aus dem du kommst. Aus Noröm, soviel ist schon mal klar. Aber ist das auch deine richtige Heimat oder bist du vorher von woanders nach Noröm gekommen?"
    "Meine Heimat?" Der Menschenmann streckte sich. Er atmete die harzige Waldluft ein, lauschte den Geräuschen den Nachtvögel und lies sich erneut Isimuds Worte über die Regierungsform dieses seltsamen Landes durch den Kopf gehen. Eigentlich sah der Bursche nicht wie ein Lügner aus. Ein kleiner Aufschneider, das sicherlich, aber kein Betrüger.
    "Meine Heimat ist Simkea!" erklärte der Mann daher voller Überzeugung.

    Oh, Mann, wenn das umgesetzt werden könnte... mit passender Hintergrundmusik... *träum* :thumbsup::thumbup::nummer1:


    Wie lange ist das eigentlich alles her? Und ist es theorietisch möglich, dass an einem Tag ein Norömer aus dem Portal tritt, der den Untergang gerade miterlebt hat und am nächsten einer, für den der Krieg schon 10 Jahre her ist?

    Trent. Ein paar Tage später.


    Guter Dinge wanderte Isimud Urkhart durch das Stadttor zurück in die Wildnis. Er fragte sich, ob wohl jemand seinen ersten selbstgegossenen Goldbarren kaufen würde. Mangels anderer Goldverkäufer, an denen er sich orientieren konnte, hatte er einfach einen Preis geschätzt. Fröhlich klimperten auch ein paar Brocken Platinerz im Rucksack des Bergmannes. Wie er die zu Barren verarbeiten sollte, erschloss sich Isimud leider noch nicht. Der Prozess ging einfach über sein Verständnis. Doch allein die Tatsache, das Zeug endlich schürfen zu können, hatte seine Laune soweit gehoben, dass er wirklich einmal zu Auftragsarbeit bereit gewesen war. Dem Professor in der Bibliothek hatte er versprochen, ihm dessen verlorengegangene Brille zurückbringen und für Walter wollte er Ingedienzien für ein Rezept sammeln.


    Also schritt Isimud munter aus. Zuerst durchs Umland. Dann durch den Dämmerwald - hin und wieder zurück. Schließlich kam er völlig erschöpft und auch ein wenig gereizt auf dem Gutshof an. Wieso befand sich das, wonach man suchte, immer am letzten Ort, den man aufsuchte?!
    Den Blick zu Boden gerichtet, stapfte Isimud über die Felder. "Versuchs mal da hinten, im Hanf", riet im eine weibliche Stimme. Und tatsächlich, in dem besagten Feld glitzerte endlich der Zwicker.
    "Der Schussel scheint seine Brille öfter zu verlieren, wenn offenbar jeder Bürger Trents schon mal danach gesucht hat", knurrte Isimud. Rechtschaffen müde von seiner Suche hatte er nicht wirklich Lust, jetzt auch noch das Gras für Walter zu rupfen. Simkeanisches Gras war zwar nicht vom Schatten befleckt, wie das in Noröm (das heißt, es griff eher selten Personen an, um diese langsam zu Tode zu würgen), doch wie alles pflanzliche Leben hierzulande zeichnete es sich durch eine extreme Widerstandsfähigkeit aus. Mit ein bißchen Zupfen war es da nicht getan. Glücklicherweise war ebene jene Person, von der Isimud gerade vorhin den Tipp für seine Suche erhalten hatte, auf der Wiese beschäftigt. Vielleicht lies sich die Sache ja abkürzen? Isimud trat auf die Frau - es handelte sich um eine junge Elfe - zu, und erkundigte sich, was wohl eine kleine Menge Gras kosten würde.
    "Ich verkaufe eigentlich kein Gras", erhielt er zur Antwort. Isimuds Gesicht musste wohl sehr deutlich seine Enttäuschung darüber verraten haben, nun doch selbst ernten zu müssen, denn plötzlich drückte ihm die Elfe, ihr Name lautete Mantega, doch noch ein Büschel frisch gemähten Grases in die Hände. Eine Gegenleistung erwartete sie nicht.


    Isimud hatte die Freigiebigkeit vieler Simkeaner schon oft erlebt. Auf Volksfesten sorgte er dafür, den Verkauf von Esskörben anzuburbeln, weil seine Augen größer als sein Magen waren und die Trenter Bürger hätten ihre Feuerstellen schon ummauern müssen, um sie vor Isimuds Zugriff zu schützen. Stand niemand direkt daneben, brannte in der Regel auch das Feuer nicht mehr lange... Doch wie Flummii es ihn in seiner ersten Woche in Simkea gelehrt hatte, lies Isimud stets ein letztes Feuer brennen. Andere hielten sich nicht an diesen Brauch. Es war noch nicht lange her, da hatte Grandlady Isimud wenig Stroh zum Neu Entzünden des Feuers in der Gießerei geschenkt.
    Aber die Elfe hier auf dem Gutshof war nicht Grandlady. Sie war jung. Sie war verflixt noch mal viel jünger als Isimud selbst! Und das funktionierte einfach nicht. Jedenfalls nicht in der Phantasie des jungen Anthronen, der keinen Schwächeren ausnutzen wollte. Er wollte sich sein Gras schon selbst verdienen, sei es nun durch Arbeit oder Kauf. Also schnippte er der Elfe einen Heller hin. Das Problem bestand nur darin, dass Mantega dies zum Anlass nahm, dem Kunden nun auch noch Fladenbrot, Milch und Bier zu überreichen.
    Schäbig kam sich der Bergmann vor, von einer viel jüngeren Simkeanerin so reichlich bedacht zu werden. Deswegen biss er zwar hungrig in eines der Brote, legte die anderen jedoch wieder zurück.
    "Bitte - das genügt."
    "Nimm nur", lächelte Mantega. "Und werde groß."
    Das war zu viel für den Heranwachsenden. War er nicht mittlerweile ein Meister seines Faches? Führte er nicht Waffen, die für Anfänger viel zu schwer waren? Er mochte weniger erwirtschaften als andere, war aber durchaus in der Lage, auf eigenen Füßen zu stehen und brauchte keine Starthilfe!
    "Ich bin viel älter als du!" entfuhr es Isimud daher schärfer als geplant.
    "Aber ich bin reicher", konterte die Elfe.
    Dies war Simkea, die neue Welt, die Welt, in der alles besser sein sollte, als in Noröm. Mantega war das perfekte Beispiel für eine dieser besseren Personen. Nicht nur konnte sie auf ein reiches Erbe zurückgreifen, sie war auch glücklich mit einem anderen Simkeaner verlobt. Aber das hatte sie nicht eingebildet werden lassen. Im Gegenteil, sie wollte nichts weiter, als ihren Reichtum mit dem fremden Jungen zu teilen, der da vor ihr auf der Wiese stand.
    Sie ist genau, was ich in Noröm war. Und was ich dachte, auch hier wieder werden zu können! durchzuckte es Isimud.
    "Hör auf!" presste er hervor, nur, um im nächsten Moment mit einem Tonkrug bedacht zu werden.
    Isimuds Gedanken rasten. Sein Gerechtigkeitsempfinden, sein Stolz sowie giftiger, grüner Neid trieben sie an.
    Ich will nicht! Bitte! Ich will nicht! Es muss doch etwas geben, mit dem ich mich revanchieren kann!
    Und es gab tatsächlich etwas. Das Platinerz! Rasch fingerte Isimud in seinem Rucksack nach dem Edelmetall. Er schloss seine Faust um eines der Klümpchen, warf es der Elfe mehr oder weniger zu, anstatt es zu überreichen und dann, ja, dann floh er. Rückwärts. In einem Sprung, der jedem Grashüpfer alle Ehre gemacht hätte. Zumindest, wenn dieser auch einen Krebs zu seinen Vorfahren hätte zählen dürfen.


    Sein Hüpfer lies Isimud beinahe auf Dunuins Rücken landen, welcher gerade nichtsahnend auf der Wiese beschäftigt war. Dem Treiben der beiden Jüngeren schenkte der Veteran keine Beachtung - vielleicht die vernünftigste Entscheidung überhaupt, die man treffen konnte, wenn der junge Isimud irgendwo auftauchte.


    Isimuds Herz klopfte bis in seine Kehle.
    Ich will kein Bettler sein, dachte er. Und nun, da die Elfe das Platin bekommen hatte, war er ja auch keiner mehr! Er durfte sich das restliche Brot schmecken lassen, die Milch und das Bier.
    Also trat er einen Schritt wieder auf Mantega zu, um die beiden Fladen wieder von der Wiese aufzulesen. Schwupps - befand sich auch das Platinerz wieder in seinem Rucksack.
    "Zwei, die geben wollen, sind schlimmer, als zwei, die nehmen wollen, was?" grinste Isimud.
    Zögerlich tauschte er danach seinen alten Krug gegen den, den ihm die Elfe angeboten hatte. Er wusste nicht, was er anderes hätte tun sollen. Wieder weglaufen etwa? Eigentlich wollte er ja nur mal mit jemand reden. Und das taten die beiden dann auch.
    Mantega wusste viel über den Professor und den säumigen Zwurf zu berichten und sie hatte ebenfalls schon einmal für Walter Besorgungen erledigt. Im Nachhinein fragten sich Mantega und Isimud, wie sie damals eigentlich den Schnee so lange hatten in festem Zustand halten können...


    Als es bereits dunkelte, brach Isimud auf.
    Das Gras wog schwer in seinem Rucksack, teilte es sich diesen ja nun wieder mit dem Platinerz und den restlichen Geschenken der Elfe. In einer separaten Tasche des Rucksacks ruhte Professor Blooms Zwicker, zusätzlich gepolstert durch ein Taschentuch, das nur ein ganz klein wenig mit Kohlestaub verunreinigt war.
    Eigentlich war es viel zu spät zum Reisen. Doch Isimud wollte so schnell wie möglich die Stadt erreichen, wollte weg vom Gutshof und, was viel wichtiger war, irgendwie auch weg von sich selbst.
    Camulos hat Recht gehabt, dachte er. Mein Stolz frisst mich auf. Schlimmer, er bringt mich dazu, andere zu verletzten, die es gut mit mir meinen. Arme Mantega... Musste ich sie wirklich so vor den Kopf stoßen? Sie wollte doch nur, dass es mir gut geht. Mein Problem, dass ich mich nur dann gut fühle, wenn ich den anderen überlegen bin. Meins allein, aber ich mache es zu dem der ganzen Stadt.
    Aber ich würde so gern... ich wäre so gern... und ich kann doch eigentlich etwas...


    Isimud durchquerte den Wald zügig. Selbst in seinem aufgewühlten Zustand ließen ihn seine Überlebensinstinkte nicht im Stich. Sie verhinderten ein überhastetes Eilen mitten in die Gefahren des Trenter Umlandes hinein. Schon kam das Portal in Sicht, eine beständige Erinnerung daran, dass es immer Personen gab, denen es noch schlechter ging, als einem selbst.
    "Das Portal!" Isimuds Gesicht hellte sich auf. Spuckte das Portal nicht regelmäßig zerlumpte Flüchtlinge aus, die ein Starkapital von einigen Hellern gut gebrauchen konnten? Seinen Entschluss gefasst, nahm Isimud das Geräusch seines Platinerzes in seinem Rucksack wieder als fröhliches Klimpern wahr. "Hier trennen sich unsere Wege", erklärte der Bergmann den Steinbrocken, als er sie am Portal zurücklies.


    "Na also, geht doch", zischte der Anthrone, während er das Portal hinter sich ließ. Etwas, das der Wärme im Herzen, die auf eine gute Tat folgte, zum Verwechseln ähnelte, loderte in ihm auf. Und es brannte stetig...


    Nachsatz:
    "Es heißt, das Böse könne das Portal nicht durchqueren. Aber ich habe heute den jungen Isimud Urkhart kennengelernt und bin mir nun unserer Theorie nicht mehr so sicher. Richtig ist ohne Zweifel, dass kein offensichtlicher Scherge des Bösen am Wächter vorbeikommt. Doch stellen die Erfahrungen, die unsere geretteten Seelen aus der alten Heimat mitbringen, nicht eine zwar subtilere, aber dennoch durchaus vorhandene Gefahr dar? Ich kann nur hoffen, dass der Junge seinen Zorn bald in den Griff bekommt und werde ihn vorerst weiter beobachten."
    - Professor Bloom

    "Huh? Wie? Was?"
    Isimud rappelt sich auf. Er kann sich kaum erinnern, was er als Vorletztes getan hat. aber als Letztes, das wird ihm gerade klar, ist er wohl zufrieden auf seinem Stuhl weggedämmert. Der Gast versucht, sich daran zu erinnern, ob er schon bezahlt hat, stattdessen fällt ihm bloß sein letzter Traum vor dem Aufwachen ein. Aber das Essen war gut und er wird wiederkommen.

    Gut, dann eben ohne den Kampf.
    Doch dem sei, wie es sei, der Spieler sollte schon vorgeführt bekommen, welche düstere Welt er da verlässt. Aber bitte nicht durch Intro, das nur aus einem Filmchen besteht (Escape-Taste...). Der Spieler sollte aktiv etwas tun müssen, um das Gefühl zu bekommen, "He, das habe ICH selbst geleistet".

    Vielleicht könnte man die Hintergrundgeschichte im Tutorial mehr betonen. Als ich hier ankam, war alles ziemlich idyllisch und ich hatte nie wirklich das Gefühl, gerade aus einer Art Mordor entkommen zu sein. Wenn es nicht zu viel Aufwand ist, hätte ich folgenden Vorschlag:


    Der Spieler beginnt nicht mehr auf der Portalinsel, sondern in einer Sklavenkarawane in Noröm. Die rastet gerade auf dem Weg zu einem Bergwerk oder einem Opferaltar, jedenfalls zu einem Ort, an dem das restliche Leben des Helden sehr kurz wäre.


    Im Inventar hat der nackte Held er nur eine "Geknechtete Seele" und evtl. ein paar Fesseln. In der Beschreibung der Geknechteten Seele steht der Hintergrund noch mal in 4 Sätzen sowie ein Link zur Geschichte Noröms, versehen mit dem Hinweis, dass der Spieler die jederzeit auf der Loginseite nachlesen kann, er also nix verpasst, wenn er es nicht sofort tut.


    So, jetzt hört der Jungheld die Stimme von Master X in seinem Kopf, der ihn aus Simkea kontaktiert. MX erklärt, dass er endlich zu (Heldenname) durchdringen konnte und ihn retten will. Auf magische Weise springen die Fesseln auf. Der Spieler kann einige Fragen stellen (z.B. was mit den anderen Sklaven passiert, die noch unter geistiger Beherrschung stehen und ja nicht gerettet werden können - ein bißchen Melodramatik darf gern sein) und erhält schließlich den Auftrag, sich zur nahen Portalinsel zu flüchten. Evtl. findet man die ja nur, wenn man gerade in telepathischer Verbindung zu Master X steht.


    Auf dem Weg liegt ein nagelbewehrter Knüppel (Ist der noch in der Datenbank? Wäre praktisch, weil ja alle anderen Waffenskills erst erlernt werden müssen) und dann steht auch schon ein Scherge des Bösen im Weg, ein Söldner namens Usumija zum Beispiel (Der in Noröm zurückgebliebene böse Bruder meines Charakters *g*). MX stellt den Junghelden vor die Wahl, sich heimlich vorbeizuschleichen oder dem Kerl eins überzubraten - dann würde der aber zurückschlagen. Damit hätten wir gleich das Kampftutorial und den Hinweis, dass Kämpfe optional sind und man selbst auf Feldern mit Monstern beruhigt stehen kann.


    Der Jungheld erreicht dann die Portalinsel, wo er mit der Wächterstatue spricht. Von da an kann alles so weitergehen wie bisher.

    Plateauberg


    Da er ja Urlaub von allem nehmen sollte, was mit Kämpfen in Zusammenhang stand, hatte Isimud Urkhart die einfach zu erreichenden Eisenerzadern links liegen lassen und den Plateauberg bis fast zum Gipfel erklommen. Gold statt Eisen wollte er an diesem Tag schürfen. Gold eignete sich nicht für die Waffenherstellung, es war nur als Zierrat zu gebrauchen - und, um sich selbst zu beweisen, dass man es abbauen konnte! Isimud freute sich darauf, etwas Neues auszuprobieren. Wer weiß, vielleicht würde ihn die Arbeit an der Goldader lehren, wie man dem Fels selbst Platin abtrotzte. Der junge Bergknappe wusste seit langem, wo sich ein Vorkommen befand. Und er fühlte, dass er kurz vor dem entscheidenden Durchbruch stand.


    Doch obwohl er an diesem Arbeitstag Überstunden einlegte und eine Hacke ruinierte, gelang es ihm nicht, den fehlenden Kniff zu erlernen.
    Aber er hatte ja ohnehin vorgehabt, länger draußen zu bleiben und so pfiff er ganz zufrieden, als er sein Zelt aufbaute.


    Isimud zog die ernste Würde der Natur jederzeit dem hektischen, lauten Treiben auf dem Markt vor, was schon verwunderlich war, da weder "ernst" noch "würdevoll" als erstes in den Sinn kamen, wenn man an den Jugendlichen dachte. Dem sei, wie es sei, jedenfalls genoss der Bergknappe den Ausblick von hier oben. Es schien ihm, als könne er in jeden Winkel Simkeas schauen, bis zur Eisinsel und in noch nicht erschlossene Regionen. Obwohl Simkea kein besonders großes Land war, gab es überall so vieles zu entecken! Noröm war viel größer gewesen. Doch als er in noch in Noröm gelebt hatte, hatte Isimud gerade einmal die Gegend ein bis zwei Tagesreisen um die elterlichhe Burg herum gekannt. Allenfalls bis zum Weiher, in dem nun Sägeblattmonster und andere vom Schatten befleckte Kreaturen lebten, war er zum Angeln gereist. Es kam also gar nicht so darauf an, welches Land objektiv gesehen größer war, wenn man vom größeren ohnehin fast nichts zu Gesicht bekommen hatte.
    "Könnte ich doch fliegen!" wisperte Isimud zu sich selbst, wie er so über das Land schaute, das sich da so malerisch zu seinen Füßen erstreckte. Anthronen waren der Legende nach aufgrund ihres mutmaßlichen Engelserbes in höchster Not dazu fähig, obwohl sie keine Schwingen besaßen. "In der höchsten Not anderer", hatte Isimuds Vater spöttisch klargestellt, als das Kind ihn einmal danach befragt hatte. Und dann hatte er gelacht.


    Der Bergmann packte sein Abendessen aus. Wie meistens bestand es aus Fischsuppe, gegrilltem Fischfilet und Wasser. Als Koch fehlte Isimud einfach die Phantasie, er benötigte Rezepte, an die er sich halten konnte. Gegen Bibliotheksmarken sollten diese zu erwerben sein, doch so oft er den Professor in der Bibliothek aufsuchte, hatte Isimud ohne Marken wieder abziehen müssen. Vielleicht wurden diese nur an Interessenten verkauft, die vorher für den Professor gearbeitet hatten? Aufträge schien der ja genug zu haben... Doch der Sohn von Nudimud und Damkina Urkhart arbeitete nicht für andere Leute! Er verkaufte ja auch am Markt seine Erze und Metallbarren stets an unterschiedliche Kunden. Damit keiner leer ausging, hatte er bisher immer erklärt, aber nun fragte sich Isimud, ob es nicht noch einen Grund gab, der ihm selbst gar nicht bewusst gewesen war. Hatte Camulos am Ende Recht? Hatte Isimud Standesdünkel? Und wenn ja, aufgrund welchen Standes eigentlich? Er war doch vor dem Krieg viel zu klein gewesen, um sich noch an das alte Noröm zu erinnern, geschweige denn daran, welchen Platz seine Familie darin eingenommen hatte. Hochrangige Diener des Bösen waren seine Eltern ja erst später geworden... und sein Zwilling diente vielleicht gerade in diesem Moment als Sklavenaufseher oder Söldner. Isimuds Magen wollte bei diesem Gedanken nicht mehr so richtig arbeiten. Mit einem dicken, unsichtbaren Kloß in der Kehle packte er den Rest des Essens fort. Dennoch, die drei blieben seine Familie und was die Eltern getan hatten, das hatten sie doch sicher nur gemacht, damit es ihren Kindern besser ginge als denen der anderen, der versklavten, Norömer? Isimud war sich sicher, dass auch sie gerettet werden konnten!

    Willkommen zum Tagebuch meines Chars Isimud Urkhart!
    Leider habe ich erst mit dem Aufschreiben begonnen, als ich schon eine Weile in Simkea lebte und mir einen Beruf gesucht hatte, allerdings noch immer viel zu lernen hatte. Weiter hinten im Thread erinnert sich Isi an seine Anfänge - aber jetzt gehts erstmal mitten rein ins Leben eines jungen Bergknappen und Teilzeitkämpfers. Viel Spaß!


    Kurzprofil:


    Isimud wird den meisten Bürgern Trents nur als ein etwas naiver und unbeholfener, aber stets höflicher Jüngling erscheinen. Allenfalls werden sie über ihn zu sagen wissen, dass er ein begeisterter Kämpfer ist, sich in der Natur wohler als in der Stadt fühlt und einer etwas verwirrenden zweigeschlechtlichen Spezies angehört, die man selbst in Noröm selten zu Gesicht bekam.

    Isimuds Familie, die Urkharts, gehörten zum niederen Adel, waren gerade einmal im Besitz einer Burg, einiger Zuckerrohrfelder und Rumpressen, aber so stolz, als gehöre ihnen das gesamte Königreich. Als das Böse Noröm überrante, versuchten sie zuerst zu fliehen. Da ihnen das nicht gelang, arrangierten sie sich mit den neuen Machthabern und wurden zu loyalen Dienern des Bösen. In diese Verhältnisse wuchsen Isimud und sein Zwilling Usumiya hinein. Sie luden Schuld auf sich, doch wusste MasterX, dass Isis Seele noch zu retten war, weshalb er ihn nach Simkea lenkte.

    Isimud gelangte als verwöhntes Burgfräulein, das nicht einmal wusste, dass man einen Fisch vor dem Braten ausnimmt und abschuppt, nach Trent. Seine Zuwendung zum Kämpferleben geht auf eine Mischung aus Standesdünkel und Schuldbewusstsein zurück, seither hat er allerdings ein wenig Abstand gewinnen können.
    Vom Kämpfen abgesehen fühlt er sich bei jeder Tätigkeit wohl, die grobmotorisches Draufhauen erfordert und genießt es, in Simkea nicht in eine vom sozialen Stand vorgezeichnete Rolle gepresst zu werden – ein Urkhart als einfacher Bergmann? Das wäre in Noröm selbst vor dem Einfall der Horden des Bösen undenkbar gewesen!


    Kapitel 1


    In den ehrwürdigen Monumenthallten, im Hauptquartier der Trenter Miliz, schlug Isimud Urkhart seine Augen auf (oder ihre, das war schwer zu sagen). Nicht, dass es etwas genützt hätte... Der Schleier, durch den der Jüngling die Welt sah, lies lediglich die Unterscheidung in Farben und gröbste Formen zu und selbst die verschwammen nach einer Weile miteinander. In dem vergeblichen Versuch, mit dem Durcheinander aufzuräumen, produzierte Isimuds Kopf das einzig Angemessene: Schmerz.
    "Leg dich wieder hin und mach die Augen zu", sagte der Kopf.
    "Urgh...!" machte Isimud.
    Camulos von Noröm sagte nichts. Der Kriegerveteran deutete nur mit dem Kopf an, wo ein Eimer stand, in dem sich das Sekunden später das "Urgh" wiederfand.


    "Du siehst nur aus wie einer, aber du bist kein Mensch", rügte der Krieger seinen jungen Schützling nach dem Brechanfall. "Also sei in Zukunft bitte vorsichtiger mit menschlichen Genussmitteln! Ganz besonders mit solchen, die wir Menschen selbst nicht im Griff haben."
    Doch der Mann wusste, noch während die Worte seinen Mund verließen, er hätte sich die Mühe sparen und stattdessen ein Frühlingslied singen können. Offenbar gehörte zum gesunden Aufwachsen eines Jugendlichen jeden Volkes mindestens ein ungesunder ein Vollrausch dazu.


    "Ich bin der Einzige meiner Art in Simkea", wisperte Isimud, als ihm seine Kehle wieder gehorchte. Der Neunzehnjährige gehörte einem Volk zwiegeschlechtlicher Eierleger an, dessen Anblick selbst in Noröm selten gewesen war. Anthronen fühlten sich von den auf Geschlecht beruhenden Differenzen der Menschen irritiert, sowohl von Vorurteilen und Unterdrückung, als auch von harmlosen, spaßigen Frotzeleien zwischen Mann und Frau. Gewissermaßen zum Ausgleich dafür litten sie unter Stress ganz anderer Art: Jeder einzelne Artgenosse stellte einen potentiellen Gefährten als auch Nebenbuhler dar. Das waren die Gedanken, die einen normalen Heranwachsenden beschäftigen sollten, dachte Camulos bei sich. Isimuds Hintergrund als Kriegsflüchtling und noch dazu einziger seiner Art erlaubte ihm allerdings nicht, dieses normale Leben zu führen. An manchen Tagen konnte man zu dem Eindruck gelangen, der Bursche sperre sich ganz einfach selbst dagegen...
    So wie heute.


    "Mein Volk ist gespalten", fuhr Isimud leise fort. "Die einen dienen dem Bösen als Schergen, die anderen leisten Widerstand, solange sie noch Herren ihrer Sinne sind. Nur ich, ich bin weggelaufen."
    Camulos schüttelte den Kopf. "Du wurdest gerettet", korrigierte er. "Das ist ein Unterschied."
    "Gerettet wofür?!" fuhr Isimud auf. Rasch hielt er die Hand vor den Mund, nicht vor Schreck über seinen unangemessenen Tonfall gegenüber dem Vorgesetzten, sondern, um einen erneuten Übelkeitsanfall abzuwehren.
    "Damit ich mir ein schönes Leben mache?" klagte der Jüngling weiter, zuerst noch durch die Finger gedämpft, dann heftiger. "Während sich die Anthronen zuhause gegenseitig blutig abschlachten, bis ich womöglich der Letzte bin?"
    Der Kriegerveteran hatte dem Jungen keinen Trost anzubieten. Allein der Versuch hätte hohl und lächerlich geklungen, war die von Isimud heraufbeschworene Gefahr ja nicht von der Hand zu weisen. Möglicherweise befand sich der Anthron wirklich nur als letzte Erinnerung an sein Volk in Simkea und eines Tages würde lediglich eine Grabinschrift an die einstige die Vielfalt Welt Noröm erinnern. Doch dieses Schicksal teilte der Jüngling Isimud mit vielen anderen Kreaturen Simkeas. Sie alle versuchten, diesen Fakt im Alltag so gut es ging zu verdrängen. Was für ein Dank an Master X wäre es denn, sich tagtäglich die Lebensfreude durch Schuldgefühle zerstören zu lassen? Es wäre kein besseres Leben als das unter der Knute des Bösen und nichts wäre gewonnen gewesen.


    Also äußerste sich Camulos ersteinmal nicht weiter zu dem Thema. Stattdessen holte er einen dünnen Briefumschlag aus seinem Schreibtisch hervor. Er überreichte ihn Isimud mit den Worten: "Vielleicht ist das hier ja die Antwort auf dein Dilemma."
    Isimud erkannte seinen Vor- und den Nachnamen, den kaum jemand in Trent kannte, auf dem Umschlag. Als er ihn öffnete, fiel ihm eine kleine Anstecknadel in die Hände. Er nahm sie zwischen zwei Finger und im Nu hellte sich sein Gesicht auf.
    "Das ist ein Weihnachtspin! Bei meinen Ahnen, Camulos, der kommt von Master X persönlich!"
    Dabei mochte es sich um eine besondere Ehre handeln, die den an der Vertreibung des Grinch beteiligten Bürgern zuteil wurde, doch eine größere Ehre war es für den Kriegerveteranen, den Pin seinem Schüler eigenhändig anzustecken.


    Camulos zählte im Stillen bis zwölf. Erfahrungsgemäß setzten spätestens zwölf Sekunden nach einem schönen Erlebnis die Selbstzweifel des Jungen wieder ein - und mit ihnen das Genörgel.
    "Hm", machte Isimud. "Wisst Ihr, Camulos, manche Bürger Trents verachten uns Kämpfer dafür, dass wir die Waffen aufgenommen haben... Aber ich mache das doch nicht aus Spaß an Gewalt, sondern, damit die anderen ihr Leben in Frieden fortführen können! Wenn Kämpfen befleckt, dann nehme ich das auf mich, damit sie´s nicht müssen."
    Camulos Blick ruhte prüfend auf dem Milizmann.
    "Ist das wahr? Tust es wirklich für die anderen?"
    Ismud hatte den Fehler begangen, seinen Lehrer anzusehen, als dieser ihn ansprach. Nach wenigen Sekunden gelang es ihm nicht mehr, den Blickkontakt aufrechtzuerhalten.
    "Nein...", murmelte er.
    "Eben", nickte der Krieger. "Du ziehst keine Befriedigung aus deiner selbstgewählten Aufgabe, Isimud, sondern Stolz. Fühlst dich überlegen."
    Camulos legte eine Pause ein.
    "Und deswegen", erklärte er dann, "bist du bis auf Weiteres beurlaubt!"


    "Nein!!!"
    Isimuds Protestschrei hallte von den Wänden der Monumenthalle wieder.
    Camulos lauschte darauf, zu wie vielen Teilen Verzweiflung und zu wie vielen Trotz darin lag. Denn es gab, wie er wusste, härtere Kämpfe als die mit Schwert oder Bogen gegen Monster. Erwachsen zu werden gehörte zu jenen Questen und so sehr man es sich als ein Veteran dieser "Schlacht" wünschte, am Ende vermochte die nur jeder neue "Rekrut" allein zu bestreiten.


    (Wird fortgesetzt)

    Von allen Bürgern Trents kam Camulos von Noröm einer Vaterfigur für den jungen Monsterjäger am nächsten. So war es auch nicht verwunderlich, dass der Krieger seinen Schüler aus Retos Taverne abholte. Während er den Betrunkenen in Richtung Brunnen hinter vor sich her schob, fiel Isimuds Blick auf die vielen Weihnachtsbäumchen, welche die Bürger in den Straßen aufgestellt hatten.
    "Camulos! Papier! Tinte! Sofort! Ich muss... muss sie alle warnen! Die vielen Tauben..."
    Völlig überrumpelt reichte der Krieger Isimud das Gewünschte, so dass die Nachwelt nun in den zweifelhaften Genuss einer weiteren Folge seiner Erkenntnisse gelangen kann:


    2. Die Ökologie des Weihnachtsbaums (auch "Schlagloch der Lüfte")


    Schon die Semantik liefert uns hier einen deutlichen Hinweis, womit wir es zu tun haben: "Wei(h)n- acht(s) - Baum". Lassen wir mal das h als Längenzeichen und das s als grammatisches Morpehm weg, so ergibt sich "Achtung, Baum, der dich zum Weinen bringt!" Dabei sehen sie für uns Bodenbewohner doch so hübsch aus! Ja, für uns...
    In der Tat ist der Weihnachtsbaum das einzige bekannte Lebewesen, das sowohl symbiotisch als auch parasitisch zugleich lebt. Von den Bodenbewohnern lässt er sich geduldig schmücken und erfreut sie zum Dank mit Tannennadelduft und einem hübschen Anblick. Doch das Blinken jener Baumkugeln in Kombination mit dem altbekannten Allee-Effekt mehrerer Bäume auf dem selben Feld kann fliegende Wesen verwirren! Sie werden geblendet, verlieren die Orientierung und trudeln direkt in die Äste des Weihnachtsbaumes hinein. Dabei kann es zu schweren Verletzungen kommen.
    Der gesamte Austausch von Nachrichten via Brieftauben wird durch das Jagdverhalten des Weihnachtsbaums arg gestört! Wie hypnotisiert vom Baumschmuck gelingt es dem Vogel nämlich trotz seiner Wunden nicht mehr, sich aus der tödlichen Falle zu lösen. Er wird selbst Teil des Baumschuckarrangements, während der Baum die Beinchen seines Opfers in Klemmen umwandelt.
    Solcherat festgehaltene Vögelchen scheinen (im Gegensatz zu den Gefangenen eines Schlaglochs) keinen Schmerz und keine Wut mehr zu spüren. Nein, sie sind sogar richtigghend entspannt. Sehr entspannt... so sehr, dass sie... äh, nun ja, gehen wir besser nicht so stark ins Detail. Es genügt, festzuhalten, dass es zur Düngung des Baumes kommen kann.
    Gibt es Hoffnung für die an den Ästen feststeckenden sedierten Vögel? Die Antwort lautet: Ja. Jedes Jahr um den Dreikönigstag herum entlässt der Weihnachtsbaum seine Opfer wieder und zieht sich gesättigt in sein Lager tief im Dungeon zurück.
    Während seiner Zeit im Freien aber strahlt er reine Freude aus. Alle negativen Gefühle sind beim Anblick eines Weihnachtsbäumchens wie weggeblasen, weshalb es sich empfiehlt, eines direkt in jedes Schlagloch zu pflanzen.

    Danke, Leute ^^
    Als nächstes nehme ich mir morgen den Weihnachtsbaum vor (der arme Donald für diese Inspiration Federn hat lassen müssen...).
    Wem inzwischen noch was zu den anderen Monstern einfällt, immer fleißig hier rein posten!


    1. Die Ökologie des Schlaglochs (auch "Beating Hole" bzw. "Foramen pugnax")


    Das Schlagloch ist das einzige bisher bekannte Monster Simkeas, welches aktiv angreift, und das auch noch besonders rücksichtslos. Dies mag damit zusammenhängen, dass das Schlagloch älter als die anderen Monster ist. Gewissermaßen muss es so aggressiv reagieren, um sich als Generalist gegen die auf ein oder zwei Schadensarten spezialisierten Neuankömmlinge wie die Kellerratte behaupten zu können.


    Das gewöhnliche Schlagloch tritt glücklicherweise nur in Trent auf. Seine Populationsgröße ist kleiner als die der Kellerratte, aber größer als die der gefräßigen Chats. Doch während denen mit Waffengewalt beizukommen ist, trifft dies auf das Schlagloch NICHT zu. Weder hilft euch gegen das Schlagloch Kampfenergie aus der Rüstung, noch fügen eure Waffen dem Loch Schaden zu. Am besten, ihr lasst das Geraffel gleich stecken. Das einziges, was zuverlässig gegen diese Plage hilft, ist, das Loch weiträumig zu umgehen.


    Was, so mag man sich fragen, ist dann das Gefährliche an einem solchen Loch, wenn es zwar angreift, aber keinen Schaden zufügt? Oberflächlich gesehen entstehen ja keine Wunden. Doch wie so oft trügt der Schein hier. Schlaglöcher ernähren sich nämlich von der Lebensfreude ihrer Opfer!
    Nachdem es seine Beute gestellt hat, hält das Loch diese fest und koppeln psionisch an ihren Geist an. Dieser Vorgang ist äußerst schmerzhaft. Jeder, der schon ein einmal als Wirt für ein Schlagloch dienen musste, wird das bezeugen können. Selbst die gestandensten Recken können unter den Qualen nicht mehr an sich halten und lassen ihre Selbstbeherrschung fahren. Dann gellen ihre Schreie durch ganz Trent! Dass neben Klagelauten auch derbste Flüche zu hören sind, mag mit der geistigen Verbindung zwischen Jäger und Beute in Zusammenhang stehen. Hass und Gewaltbereitschaft des Schlaglochs werden dabei anteilig auf den Wirt übertragen.


    (Exkurs:
    Bisher sind übrigens nur wenige Fälle bekannt, in denen Schlaglöcher und andere Monster gemeinsam auftraten. Das mag daran liegen, dass die anderen Kreaturen instinktiv spüren, wie gefährlich und bösartig so ein Schlagloch ist. In der freien Wildbahn halten sich Tiere ja auch instinktiv von verdrehten, verrückten Exemplaren fern. Eines Tages wird ein anderes Monster lernen, dass der Schrei eines Schlaglochopfers bedeutet, dass hier wehrlose Beute zur Verfügung steht und sich dadurch angelockt fühlen. Doch sprechen wir hier von Lernprozessen, die gut und gern noch einige Jahrzehnte in Anspruch nehmen werden.)


    Nachdem das Schlagloch genügend positive Energie aus seinem Opfer abgesaugt hat, löst es die Umklammerung. Meist passiert das nach etwa 60 Sekunden. Das arme Wesen nimmt dann völlig verstört seine normale Routine wieder auf, wobei es jedoch noch eine Weile von düsteren Gefühlen beherrscht wird, als da wären: Minderwertigkeitskomplexe, Versagensängste, peinliche Berührtheit, Rachedurst und so weiter.
    Es steht zu vermuten, dass Schlaglöcher mit uns zusammen aus Noröm in Simkea ankamen, jedoch schon zu stark vom Bösen berührt waren.

    Soweit der Text als solcher, angefertigt in Retos Taverne.
    Wozu Reto anmerken möchte, dass das Bier in seiner Wirtschaft frei von halluzinogenen Stoffen ist. Wenn aber gewisse Möchtegernmonsterjäger ein dezentrales Nervensystem statt eines Gehirns aufweisen, dann sollten sie vielleicht in Zukunft nichts mehr trinken, womit dieses Knotengeflecht nicht fertig wird.
    Worauf der Verfasser antwortete "Is guuuuuuuuuder sdoff..." und vornüber auf sein Manuskript kippte.