Kapitel 22
Der Weg nach Ferdok
Die
vier Zwerge hatten sich verabschiedet und waren mit allerlei Proviant
und bis an die Zähne
bewaffnet aufgebrochen. Bis Ferdok war es
ein Marsch von circa drei Tagen, wenn nichts
dazwischen kam.
Zuerst gingen sie schweigend den Pass entlang. Der Warna nach Norden
folgend, überquerten sie einen kleinen Steg, vorbei an den
Ausläufern des Amboss Gebirges. Sie konnten schon die ersten
kleinen Waldgebiete erkennen, als Girlik ein zwergisches Marschlied
zu singen begann. Balum ging schweigend am Schluss des kleinen
Trupps, die Umgebung immer
beobachtend und raunte Klamdor zu:
„Das ist der Eberswald, etwas düster und Sagenumwoben.
Hier
sollen sogar Trolle hausen. Ich habe aber noch keinen gesehen.“
Klamdor
bemerkte, wie etwas auf sie zukam. Dann erkannte er Loulu als Krähe,
die auf sie zuflog
und beim Landen wieder ihre menschliche
Gestalt annahm. Es war immer wieder faszinierend es
mit
anzusehen. Sie lief noch ein paar Schritte auf die Zwerge zu, stoppte
vor Klamdor, grüßte die
Gruppe und küsste ihn. Klamdor
erwiderte den schnellen Kuss. Dann horchten sie aufmerksam, was Loulu
ihnen berichtete. Girlik grinste schon bei den Worten Orks. Seine
Hände glitten zu den
Wurfbeilen. Loulu verwandelte sich wieder
und flog wieder voraus. „Es ist wohl besser, wir sind
etwas
leiser und überraschen sie. Wir können uns keine Verletzungen
leisten. Lieber einmal aus dem Hinterhalt zuschlagen.“ Die
anderen nickten.
Sie
machten sich auf den Weg zur Lichtung und versuchten so leise, wie es
ihnen möglich war, zu
sein. Kurz bevor sie ihr Ziel erreichten,
hob Klamdor die Hand. Der Geruch des Feuers lag in der
Luft. Er
deutete auf Girlik und Balum: „Ihr beide umgeht die Orks, so dass
ihr im Rücken dieser
Kreaturen auftaucht. Barlok und ich
schleichen uns etwas näher heran.“ flüsterte Klamdor.
„Wenn
ihr dann soweit seid, schlagt ihr als erstes zu.“ Die beiden
nickten und machten sich davon.
Klamdor und Barlok schlichen
näher heran. Bald konnten sie die fünf am Lagerfeuer entdecken.
Auch der Geruch, der von den Orks ausging, stieg ihnen in die
Nase. Sie duckten sich hinter den Hollerbüschen, die hier wuchsen
und beobachteten das Geschehen. Ein Ork, es schien sich um den
Anführer zu handeln, wurde plötzlich unruhig. und blickte sich um.
Barlok flüsterte zu Klamdor: „Sie müssten es jetzt geschafft
haben.“ Klamdor nickte.
Dann
ging es blitzschnell. Balum schoss einen Bolzen mit seiner Armbrust
ab, während Girlik seine Wurfbeile einsetzte. Der erste Ork wurde
von dem Bolzen in den Hals getroffen und fiel gurgelnd in sich
zusammen noch bevor er sich erheben konnte. Girliks Wurfbeil blieb
zitternd im Hinterkopf des zweiten Orks stecken. Blut ergoss sich auf
die Erde. Die beiden anderen erhoben sich, der Anführer drehte sich
um, da fiel der dritte Ork nach hinten in das Feuer hinein. Aus
seiner Stirn ragte ein weiteres Wurfbeil. Klamdor und Barlok stürmten
aus ihrer Deckung und jagten auf die beiden übrigen zu. Die
Orks hatten vollkommen die Kontrolle verloren. Sie schrien auf und
wollten fliehen. Barlok und Klamdor waren schneller. Während
Barlok mit der Skraja den vierten Ork tötete, stürzte sich Klamdor
auf den vermeintlichen Anführer. Mit dem Orkenspalter schlug er zu
und köpfte ihn. Der Angriff hatte keine zwei Minuten gedauert.
Alle Orks lagen Tod auf der Erde, einer im Feuer. Diesem gab
Balum einen Tritt damit er aus der Glut heraus rollte.
Loulu
beobachtete das Kampfgeschehen aus der Luft und stelle zu ihrer
Zufriedenheit fest, dass die Zwerge die Situation im Griff
hatten. Als der letzte der fünf Orks durch Klamdors kräftigen
Schlag sein Leben ließ, beschloss sie, zur Mündung der Warna
vor zufliegen und dort auf die Zwerge zu warten.
Sie überflog
das weitläufige Waldgebiet, immer entlang der Warna, vorbei am
Städtchen
Warneburg und an mehreren kleinen Weilern und einem
recht wohlhabend anmutenden Dörfchen, das aus Schiefer gedeckten
Fachwerkhäusern bestand. Hier sah sie auch die kleine Burg
Sinterquell. Von
hier aus würde sie das Mündungsgebiet der Warna gut überblicken
können. So würde sie es sehen, wenn auch die Zwerge das erste
Etappenziel erreichen und rasten würden. Sie betrachtete die durch
den großen Fluss sehr fruchtbare Landschaft, die hier angebauten
Reben und verschiedenen Obstbäume und wartete auf die Zwerge.
Als die Dämmerung einsetzte, sah und hörte sie die kleine Gruppe,
und begab sich zu ihnen.
„Durchsucht
sie.“ rief Klamdor. Sie taten wie ihnen Klamdor befohlen hatte,
fanden aber keine
Hinweise. Girlik zog seine Wurfbeile aus den
Orks, reinigte sie notdürftig und stecke sie wieder in
seinen
Gürtel. Dabei grinste er zu Klamdor, „Davon kann man nie genug
haben.“ Während
Klamdor den Anführer durchsuchte fragte
Barlok. „Warum können diese Monster sich ungesehen
im
Zwergenreich aufhalten?“ „Da bin ich überfragt.“ antwortete
Klamdor. „Was ist denn das? Seit
wann haben Orks denn Phiolen
dabei?“ staunte Klamdor und hielt ein kleines Fläschchen in die
Höhe. Darin schimmerte eine gelbliche Flüssigkeit. Klamdor
traute sich nicht, sie zu öffnen. „Die
muss ich Loulu geben.
Vielleicht kann sie herausfinden, was das ist. Wir sollten weiter
gehen.“
„Was machen wir mit den Toten?“ fragte Balum. „Wir
überlassen sie den Bären oder was sonst hier rumläuft. Wir
haben keine Zeit zu verlieren.“ antwortete Klamdor.
Die
Zwerge gingen weiter dem Gebirgsbach entlang. Die Landschaft änderte
sich allmählich. Die
Büsche wichen immer mehr großen, starken
Eichen. Aber hier an der Warna war der Wald noch
nicht so dicht.
Am frühen Abend sahen sie die Mündung. Hier floss die Warna in den
Großen Fluss, wie er genannt wurde, weil er der längste Fluss
Aventuriens war. Sie hatten ihr erstes Etappenziel erreicht und
suchten sich eine geschützte Stelle. Diese war nur von der
Flussseite einsehbar. Ein paar Hollerbüsche, die kleine blaue
Früchte trugen, standen verloren zwischen den Felsen am Uferbereich. „Hier schlagen wir unser Lager auf. Und da kommt
auch schon Loulu geflogen.“ Klamdor deutete in die Luft und da
sahen auch die anderen die ihnen mittlerweile sehr bekannte Krähe
wie diese auf sie zuflog. Schon bald stand Loulu mitten unter den
Zwergen und unterhielt sich angeregt mit ihnen über die kurze
Kampfbegegnung, wenn auch wieder nur in gebrochenem Rogolan.
Sie
verzichteten auf ein Feuer, aßen getrockneten Fisch, dazu ebenfalls
getrocknete Pilze. Das
ganze spülten sie mit Zwergenbock nach.
„Wir halten abwechselnd Wache. Es ist schon seltsam,
dass sich
Orks im Zwergenreich aufhalten. Wir müssen auf der Hut sein.“
sagte Klamdor.
Loulus Wache sollte die Letzte dieser Nacht sein
und als die Sonne aufging, weckte sie Klamdor
mit einem sanften
Kuss. „Aufwachen, mein Lieber.“ Klamdor nuschelte ein
verschlafenes „Guten
Morgen, Liebes.“ in seinen Bart. Loulu
machte sich bereit für die nächste Verwandlung und erklärte
Klamdor: „Ich werde mich gleich auf den Weg machen und vor
fliegen. Wenn es ruhig ist unterwegs, komme ich nicht zurück, sondern warte in Nadoret auf euch. Wir sehen uns später.“ Dann
nahm sie ihre Krähengestalt an und erhob sich in die Lüfte.
Sie
folge dem Lauf des Großen Flusses, entlang dem Treidelpfad. Sie
pausierte kurz um der
beeindruckenden Arbeit einer kleinen Gruppe
Menschen zuzusehen. Ein dickes Tau reichte von
einem Schiff zu
der Gruppe, wo es um die Taillen der Menschen gebunden war. Sie zogen
das
Schiff flussaufwärts. Loulu setzte ihren Weg weiter fort und
überflog Felder und Weiden. Auf einigen wurde gearbeitet, was in
dieser spätsommerlichen Jahreszeit nicht verwunderlich war, denn es
war Erntezeit. Das Land entlang des großen Flusses schien
tatsächlich sehr fruchtbar zu sein. Vorbei an einigen größeren
Ortschaften und kleineren Zuflüssen des Großen Flusses, sah sie
nach einigen Stunden die Stadtmauern von Nadoret und als sie die
Stadt erreichte, überflog sie das Stadtgebiet um einen guten
Aussichtspunkt zu finden, an dem sie auf die Zwerge warten konnte.
Sie musste nicht lange nach dem höchsten Punkt in der Stadt suchen.
Es handelte sich um einen Hügel, an dessen Hang viele Häuser
standen. Auf dem Hügel war ein prächtiger Praiostempel errichtet
worden war. Hier konnte sie sich niederlassen und ein wenig ausruhen.
Klamdor
weckte die anderen Zwerge. Verschlafen schauten sie sich um und
Klamdor erklärte ihnen, dass Loulu den Weg vorab erkundete. Sie
nahmen, ein für Angroschim karges Frühstück, bestehend aus
Dörrfleisch und Brot, ein. Danach packten sie ihre Sachen und
machten sich auf den Weg. Jeder hing seinen Gedanken nach und sie
hatten keine Augen für die Schönheit des Landes. Ihre Reise verlief
ohne Zwischenfall und bald schon konnten sie die Stadtmauern von
Nadoret sehen.
Nadoret
war ein beschauliches Hafenstädtchen am Ostufer des Großen Flusses.
Umgeben von dichten Wäldern und steilen Felsen, die sich über dem
Flussufer auftürmten, schmiegen sich die Häuser an den Hang eines
Hügels. Die vier beschlossen das Gasthaus „Zum sanften Ochsen“
aufzusuchen. Hier sollte es laut Girlik besonders leckere
Schweinshaxen und ein gutes Bier geben. Das Gasthaus lag außerhalb
der Stadtmauern, was den Zwergen naturgemäß behaglicher schien.
Auch konnten sie dort unter freien Himmel speisen und auch etwas
abseits übernachten. Klamdor hielt Ausschau nach Loulu, als sie der
Bedienung ihre Wünsche äußerten. Da kam sie auch schon um die
Ecke. „Ich musste erst einen ruhigen Platz finden um mich zu
verwandeln. Es würde wohl großes Aufsehen erregen, wenn ich dies
inmitten der Leute tun würde,“ sagte sie und küsste Klamdor. Auch
sie bestellte die Haxe und das Bier. Während sie aßen schaute
Klamdor plötzlich auf. „Das hab ich total vergessen gestern Abend.
Hier ...“ Klamdor suchte in seiner Tasche nach etwas und zog es
dann hervor. „Diese Phiole fand ich bei einem der Orks. Ich habe
mich nicht getraut sie zu öffnen. Vielleicht kannst du etwas damit
anfangen. Du bist ja in Alchemie bewandert.“
Klamdor übergab Loulu
die Phiole mit der gelblichen Flüssigkeit.
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