Ilse Starkbiers Who´s Who in Simkea – Sammelkarte No. 3
Sein geübter Blick erspäht die Herde schon von weitem. Blaubeeren! Viele Blaubeeren. Einige frisch geschlüpfte Blaubeerchen kullern noch ungeschickt durch die hügelige Landschaft und werden von den besorgten Mutterbeeren wieder zurückgerollt. Hier und da versuchen sich ein paar übermütige Jungmännchen gegenseitig den Abhang runterzuschubsen. Ganz vorne an der Spitze der Herde aber rollt der stolze Blaubeerbock. Der muß seine gut 200 Pfund wiegen, denkt er. Das reicht für genügend Blaubeerbrand um über den Winter zu kommen.
Knorke Starkbier breitet seine mächtigen Schwingen aus, schraubt sich majestätisch in die Lüfte und stößt abrupt auf den kapitalen Bock nieder. Als dieser ihn – vom Schatten gewarnt – erspäht, öffnet er sein bezahntes Maul und schreit:
"TAUGENICHTS! SCHNARCHZAPFEN, ELENDIGER!"
Benommen schreckt Knorke aus seinem Traum auf und duckt sich gerade noch rechtzeitig, um einem heranfliegenden schweren Nagelstiefel zu entgehen.
"Pennt der Nichtsnutz am Küchentisch, während seine gebrechliche Ahnfrau des nagenden Hungers stürbt" hört er seine Großmutter Ilse Starkbier zetern, während sie mit einem Hufeisen nach einer verirrten Ratte wirft. "O undankbarer Jungspund, daß Du ungerührten Herzens dies Elend schaust! Eurer greisen Großmutter hüngert es, Herr Enkel!"
"Aber ich sah euch noch vor zwei Stunden am Marktplatz ein halbes Spanferkel direkt vom Spieß nagen" wirft Knorke zögerlich ein.
"Möchte Er mir damit etwas sagen, Herr Starkbier? Alte Menschen bedürfen einer reichlichen und gehaltvollen Kost! Das hat auch der Herr Doktor gesagt."
"Ähm, eigentlich …" erwidert Knorke "… hat er genau das Gegenteil gesagt. Erst nachdem ihr ihn an den Füßen gepackt, eine Viertelstunde geschüttelt und in den Marktstand von Herrn Sunmo geworfen hattet, änderte er seine Meinung in Richtung der Euren."
"Ach, was Ihr gescheit seid, Herr Enkel" poltert Ilse. "Höret jetzt Worte der Weisheit: Mit Akademikern ist es wie mit Erbseneintopf! Die stehen den ganzen Tag dumm rum und schließlich sind die gehaltvollen Ingredenzien nach unten gesunken und oben ist nur dünne Plörre! Wenn man so einen Doktor nicht ordentlich schüttelt, bekommt man nur dummes Zeug zu hören, weil all das hochgelehrte Wissen ihm über den verbummelten Tag in die Füße sedimentiert ist!"
"Jetzt genug der Widerworte, Herr Starkbier! Eilet in die Taverne, wo um diese Zeit das Fräulein Ninawe tätig ist. Es gelüstet mir nach ein oder zwei Dutzend ihrer hervorragenden Pfannkuchen. Hier ist Geld" brüllt die robuste Alte und wirft Knorke einen prallen Geldbeutel an den Kopf. "Untersteht Euch, bei geistigen Getränken am Tresen zu säumen, sondern kehrt in großen Eilmärschen zu Eurer darbenden Vorfahrin zurück!"
"Nun ja, es wird sicher etwas dauern, bis diese Menge Pfannkuchen gebacken und verpackt ist. Da kann ich die Zeit doch nutzen, einen kleinen Branntwein …" merkt Knorke vorsichtig an.
"NUTZEN! Da sagt Ihr was" kreischt Ilse und schwingt den verbliebenen Nagelstiefel. "Nehmt euren Malkasten mit und fertigt geschwind ein leidlich zutreffendes Portrait des Fräulein Ninawe an, auf daß wir endlich wieder eine Sammelkarte publizieren können. Los jetzt! Eins, zwei, eins, zwei …!"
Und so trollt sich Knorke, die Aufträge seiner Großmutter getreulich zu erledigen oder – wer weiß dies bei dem zottligen Bummelanten schon – das Essensgeld zu verzechen und dafür eine furchtbare Tracht Prügel von ihr zu erhalten.