Ein Leben in einer fremden Welt

  • Die Abenteuer eines kleinen Katers (Fortsetzung)


    Einige Tage später versuchte sich Hanswalter daran, einen Eisenbarren anzufertigen. Mit viel Mühe und nach einigen Fehlversuchen gelang es ihm schließlich auch. Doch der fertige Barren, der nun vor ihm lag, musste noch irgendwie von der Schmiede zum Marktplatz transportiert werden.
    Glücklicherweise war gerade Dovol anwesend. Als Hanswalter ihm mit Gesten angedeutet hatte, dass er den Eisenbarren gerne am Marktplatz hätte, half er dem kleinen Kater und trug an seiner Stelle das schwere Stück zum Zielort.
    Am Marktplatz angekommen schob Hanswalter seinem Helfer zum Dank ein Stück Kohle zu, das vom Eisenschmelzen übrig geblieben war. Als Dovol daraufhin sein Fell kraulte, gesellte sich Artemis hinzu, um ihn ebenfalls zu kraulen. Da wurde Sally auf ihn aufmerksam und steckte auch ihre Hand in seinen Pelz. Dabei stellte sie kichernd fest, dass er doch ein verwöhntes Katerchen sei.
    Artemis fand das jedoch weniger amüsant. Murrend zog sie sich in Amalias Marktbude zurück.
    Hanswalter bemerkte ihre Abwesenheit sofort. Er sah sich nach ihr suchend um, doch er konnte sie nicht entdecken.
    Sally hatte hingegen beobachtet, wohin Artemis verschwunden war. Sie hob den Kater hoch und trug ihn zur Marktbude, um ihn der Vampirin zu reichen. Doch diese wollte vom ihm nichts mehr wissen.
    Hanswalter miaute sie an, aber sie fauchte nur zurück. Verwirrt fragte er sich, was los war.
    Sally wusste nichts anderes zu tun, als den Kater aufgrund der verweigerten Annahme wieder auf den Boden zu setzen. Nach einem weiteren „Miau“ fragte Artemis ihn zischelnd, was er denn wolle.
    An Hanswalters Stelle antwortete Sally, dass der Kater die Vampirin vermissen würde.
    Artemis glaubte ihr das nicht. Deutlich eifersüchtig beschwerte sie sich darüber, dass der Kater sich überall durchkraulen lassen würde.
    Sally meinte daraufhin, dass ihn nur alle kraulen wollten, weil er so niedlich sei.
    Hanswalter schaute gequält zu seiner Liebsten hoch und ließ die Öhrchen hängen.
    Artemis flüstert einige unverständliche Worte zu sich selbst, während ihr eine Träne die Wange herablief.
    Vorsichtig fragte Sally, ob sie ihr nun den kleinen Kater überreichen solle. Nach einem leichten Nicken der Vampirin tat sie dies schließlich.
    Als Artemis ihn in ihren Armen hielt, bat sie ihn um Verzeihung. Er sei ja niedlich als Kater, aber sie habe Angst, dass er immer so bleiben würde. Sie flüsterte ihm zu, wie sehr sie ihn liebte.
    Gerne hätte Hanswalter dies erwidert, doch er konnte nur miauen und sich an sie kuscheln. Er wusste, dass sie es auch so verstand.


    Es begab sich, dass zwei Redakteurinnen des Trenter Boten ihre Jubiläen der Ankunft in Simkea zu feiern hatten. Ein solches Jubiläum wurde im Volksmund gemeinhin auch als Simburtstag bezeichnet. Die beiden Jubilare Eluanda und Tonksi hatten sich für ihre Feierlichkeit eigens das Redaktionsgebäude bei ihrer Chefredakteurin Maddie Hayes angemietet.
    Viele Gäste waren erschienen, die mit zunehmender Uhrzeit immer ausgelassener feierten. Die Ausgelassenheit ging schließlich soweit, dass innerhalb des Gebäudes Feuerwerkskörper entzündet wurden.
    Vor den vielen Knallfröschen Schutz suchend versteckte sich Hanswalter in einer der Schubladen des Sekretärs, der das Redaktionsgebäude zierte. Maddie Hayes, die ihr geliebtes Möbelstück schützen wollte, warf sich darüber und wehrte elegant jeden sich nähernden Feuerwerkskörper ab. Für Hanswalter wäre der Tisch damit ein noch besseres Versteck gewesen, wenn die Chefredakteurin nicht versehentlich an seine Schublade gestoßen wäre.
    Doch der kleine Kater saß nicht lange im Dunkeln. Tonksi schaffte es sich an Maddie vorbeizudrängeln und zog die Schublade wieder auf. Hanswalter erhoffte sich schon seine Errettung aus der Dunkelheit, doch statt ihn zu befreien, steckte sie einen angezündeten Knallfrosch in die Schublade und schob sie wieder zu.
    Der Kater konnte sich gerade noch in die hinterste Ecke verkriechen und sich die Pfötchen vor das Gesicht halten, als der Knallfrosch auch schon losknatterte. Wie Nadelstiche bohrten sich die Ladungen des Feuerwerks in seinen Pelz. Der Geruch von verbrannten Haaren lag in seiner Nase.
    Nach einer endlos scheinenden Zeit war der Knallfrosch schließlich ausgebrannt und die Schublade wurde erneut aufgezogen. Zwei sanfte Hände hoben ihn hoch. Eluanda betrachtet ihn und fragte, ob alles in Ordnung sei. Von weiter weg hörte er Alessa Tonksi anfahren, wie sie denn so etwas nur tun könne. Tonksi hielt es daraufhin für eine gute Idee, den noch qualmenden Kater mit einem nassen Schwamm zu löschen.
    Hanswalter suchte nach der Dusche Schutz in Eluandas Armen. Diese meinte grinsend, dass sie eigentlich viel zu nett zu ihm sei, dafür, dass er sie einige Tage zuvor mit einem Schneeball eingeseift hatte. Dennoch kümmerte sie sich mütterlich um ihn und schmierte erst einmal eine Salbe auf seine Brandflecke.
    Hinter ihr tat Alessa alles dafür, um weitere Attentäter fernzuhalten. Hanswalter bekam nur Gesprächsfetzen mit, in denen es wohl darum ging, ob man eine Kerze mit einem Kater kombinieren könne. Er schob solche Ideen, wie auch Tonksis geglückten pyromanischen Kombinationsversuch, dem übermäßigen Alkoholkonsum zu.
    Den Rest des Abends verbrachte er überwiegend in Eluandas Nähe. Schon bald schaffte sie es, ihn von seinem schmerzenden Pelz abzulenken und wieder aufzumuntern.

    Hanswalter öffnet einen Glückskeks und liest folgenden Spruch: Wer zuletzt lacht, hat es als letzter verstanden.


    Falls jemand Langeweile hat: In Professor Blooms Bibliothek steht ein Werk in 4 Bänden zu der Vorgeschichte Hanswalters.

  • Die Abenteuer eines kleinen Katers (Fortsetzung)


    Hanswalter hatte beschlossen, sich ein wenig die Welt anzuschauen. Um die weiten Strecken nicht zu Fuß laufen zu müssen, hatte er die Elbin Legolas gebeten, das Wildpferd zu zähmen, das er im Herbst von Tonksi zu seinem Simburtstag bekommen hatte.
    An dem Abend, an dem er die Rückkehr Legolas‘ mitsamt Pferd vom Gutshof erwartete, saß der kleine Kater auf dem Marktplatz und drehte Däumchen – oder eher Pfötchen.
    Maeve bemerkte ihn und nutzte die Gelegenheit, ihm seine bestellten Lederstücke auszuliefern. Sie begrub den kleinen Kater unter einen ganzen Berg von Leder. Als er sich wieder herausgewuselt hatte, kletterte er auf den Berg und verbeugte sich dankend. Bei der anschließenden Bezahlung der Ware entstand eine Uneinigkeit über den Preis. Nach den Berechnungen des Katers hatte Maeve einen viel zu geringen Betrag angesetzt. Er gab ihr daher einfach ein paar Münzen mehr. Doch diese Münzen reichte die Wiesennymphe sogleich wieder zurück. Erst beim zweiten Versuch blieben sie bei der angedachten Besitzerin.
    Maeve stellte dem Kater ein Schälchen mit Milch zur Stärkung hin, das er direkt leerschlabberte. Danach räkelte er sich auf dem großen Lederhaufen und ließ sich von seiner Schmiedekollegin Cleo streicheln.
    Bald war es jedoch an der Zeit, den Lederhaufen abzutragen und einzulagern. Maeve, die ihm dabei zusah, fragte, was ein Kater denn mit dem ganzen Leder anfangen wolle, ob er sich Lederstiefel à la Gestiefelter Kater zulegen wolle.
    Hanswalter schüttelte das Köpfchen und verschwand kurz im Marktstandlager, um mit einer einfachen Lederrüstung wieder aufzutauchen, die er stolz präsentierte. Auf Maeves Frage, ob dies nicht eine zu schwere Arbeit für ihn sei, musste er aber seufzend nicken. Sie kraulte ihn daraufhin aufmunternd zwischen den Ohren.
    Kurze Zeit später betrat die Bergnymphe Madanja den Marktplatz und kraulte ihn ebenfalls. Von zwei Nymphen zugleich gekrault werden... Jim der Siedler hätte ihn wohl beneidet. Hanswalter wäre jedoch noch lieber von einer anderen Person gekrault worden, die einige Tage zuvor in einen Dauertiefschlaf gefallen war. Am Morgen war er neben seiner geliebten Vampirin erwacht und hatte ihre Lebenszeichen prüfen wollen. Ihr Schnarchen hatte dies aber überflüssig gemacht.
    Es hätte ihn gefreut, wenn sie aufgestanden und am Markt erschienen wäre, aber damit rechnete er nicht. Womit er allerdings rechnete, war, dass Legolas langsam mal eintreffen müsste. Immer wieder schaute er sich nach ihr um.
    Madanja bemerkte dies und fragte ihn, ob er auf Artemis warten würde. Hanswalter wollte erst den Kopf schütteln, da er sich ja wegen jemand anderen umgesehen hatte. Er nickte dann aber doch, da er eigentlich auch gerne die Vampirin sehen wollte. Es war schwierig zu erklären, wenn man nicht sprechen konnte.
    Madanja überlegte kurz und meinte dann, dass der Kater die Worte doch auch aufschreiben könnte. Der Versuch Hanswalters, etwas mit einem Stock auf den Boden zu schreiben, scheiterte jedoch an den harten Pflastersteinen, mit denen der Marktplatz bedeckt war. Für einen weiteren Schreibversuch legte Maeve ihm ihre Schiefertafel und ein Stück Kreide vor die Nase.
    Hanswalter nahm die Kreide und hielt sie mit beiden Pfötchen umklammert, als er begann, den ersten Buchstaben auf die Tafel zu zeichnen. Er benötigte eine ganze Weile und den gesamten verfügbaren Platz, um die drei Buchstaben HAL zu schreiben.
    Madanja fragte scherzend, ob das bedeute, dass er auf den heiligen Al warte. Doch Hanswalter wischte die Buchstaben mit den Pfötchen wieder weg und schrieb zwei neue Buchstaben, LO, auf die Tafel. Maeve und Madanja rätselten unterdessen, was an dem werten Mitbürger Al Capone denn heilig sei.
    Als Madanja die neuen Buchstaben sah, meinte sie, dass ihr zu HAL nichts Besseres eingefallen sei und es niemand ahnen könne, dass der Kater nur „hallo“ sagen wollte, wo er doch einfach winken könne.
    Da musste Hanswalter ihr Recht geben. Er packte sich nur ans Köpfchen wegen seiner Unbedachtheit und wischte die Tafel wieder frei. Schließlich malte er mühevoll die drei Buschstaben LEG darauf.
    Maeve erriet sofort, dass damit Legolas mit dem Pferd gemeint war. Der Kater nickte eifrig. Leider musste er erfahren, dass die Elbin irgendwann früher am Tag bereits gesehen, oder vielmehr gehört, worden war. Der Kater hatte sie offenbar verpasst.
    Dafür hatte er jetzt aber eine Möglichkeit gefunden, sich besser mitzuteilen, auch wenn es mühselig war. Katzenpfoten eigneten sich nicht so gut dazu, ein Stück Kreide zu halten. Doch der kleine Kater überlegte schon, ob er seiner Liebsten nicht einen Liebesbrief auf den Marktplatz kritzeln sollte. Allerdings hätte ihn dann jeder lesen können und er hätte nur bis zum nächsten Regen gehalten. Aber vielleicht könnte er ein Schild aufstellen mit einer kurzen Botschaft? Eilig flitzte er zum Lagerhaus und holte ein Holzschild.
    Wieder am Markt legte er das Schild flach auf den Boden. Unter den neugierigen Augen der schmunzelnden Maeve begann er zu schreiben: Artemis, ich liebe dich. Anschließend malte er noch ein paar Herzchen an die Seitenränder und stellte das Schild so auf, dass Artemis es von Amalias Marktbude aus gut hätte sehen können.
    Doch erschrocken musste er feststellen, dass auf dem Schild nur Artemis und einige der Herzchen zu sehen waren. Offenbar hatte er die übrigen Zeilen verwischt, als er über das Schild getapst war, um die Herzchen zu malen. Er schaute etwas geknickt.
    Maeve tätschelte sein Köpfchen und meinte, dass Artemis es schon verstehen würde. Dann ging sie zu dem Schild und vergewisserte sich, dass es stabil und regengeschützt stand.
    Amalia, die das Schild von ihrer Marktbude aus bereits gut sehen konnte, meinte dass Artemis ja bald wieder da sein würde.
    Hanswalter schaute die beiden hoffnungsvoll an. Er wünschte sich sehr, dass sie Recht hatten.


    Viele seiner Artgenossen konnten sich stundenlang mit Wollknäulen oder dem Nachjagen von Lichtpunkten beschäftigen. Obwohl er diesen Spielereien aus ihm unerfindlichen Gründen nicht abgeneigt war, entdeckte Hanswalter jedoch eine andere, für Katzen eher untypische Freizeitbeschäftigung für sich.
    Eines Tages machte er am Markt darauf aufmerksam, dass er Weidenruten benötigte – wie genau er das ohne zu sprechen geschafft hatte, ließ sich anschließend nicht mehr rekonstruieren. Samuela fragte daraufhin, was denn ein kleiner Kater mit Weidenruten anfangen wolle. Auf ebenfalls nicht mehr nachvollziehbare Weise antwortete Hanswalter daraufhin, dass er nur Mikado spielen wolle. Dies war eigentlich ein Scherz, denn tatsächlich brauchte er die Weidenruten zur Produktion diverser Waren. Als Samuela ihm schließlich die Ruten verkaufte und ihm dabei viel Spaß beim Spielen wünschte, fragte er sich aber, warum er es eigentlich nicht einmal versuchen sollte.
    Er stellte das Bündel frisch geschnittener Ruten aufrecht hin und ließ es los. Die einzelnen Stöckchen fielen auseinander und bildeten einen wirren Haufen am Boden. Mit dem Einsatz all seiner Geschicklichkeit schaffte es Hanswalter, alle Stöckchen nacheinander aus dem Haufen zu ziehen, ohne das eines der anderen dabei wackelte. Samuela sah im dabei amüsiert zu.
    In den darauffolgenden Tagen konnte er ihr nicht über den Weg laufen, ohne dass sie ihm grinsend einen neuen Satz Mikado-Stäbchen schenkte, den er natürlich jedes Mal sofort ausprobierte.

    Hanswalter öffnet einen Glückskeks und liest folgenden Spruch: Wer zuletzt lacht, hat es als letzter verstanden.


    Falls jemand Langeweile hat: In Professor Blooms Bibliothek steht ein Werk in 4 Bänden zu der Vorgeschichte Hanswalters.

  • Eine unerwartete Wandlung


    (In Zusammenarbeit mit Artemis)


    Hanswalter streckte seine Katzenglieder, als er vom Treiben am Markt geweckt wurde. Es war an der Zeit aufzustehen. Noch leicht verschlafen tapste er aus dem Katzenhäuschen heraus, das Artemis ihm geschenkt hatte, und sah sich um. Das Katzenhäuschen stand in Amalias Marktbude gleich neben der Liege, auf der Artemis geschlafen hatte. Seine Liebste war aber scheinbar schon vor einiger Zeit aufgestanden. Er hörte, wie sie vor der Marktbude die Waren in die Auslage räumte.
    Inzwischen gut darin geübt hopste der Kater auf den Tresen, um sich bemerkbar zu machen. Dabei riss er jedoch versehentlich ein lumpiges Stoffhemd herunter, das neben dem Tresen aufgehängt war. Er wurde gleich von den Stoffmassen begraben.
    Gerade wollte er sich wieder befreien, als er eine bekannte Stimme hörte. „Ihr seid Artemis, nicht wahr?“, fragte die Stimme. Hanswalter erinnerte sich an die Begegnung mit dem unheimlichen Mann und seinem Diener vor einigen Wochen, die zu seiner Verwandlung geführt hatte. Die Stimme gehörte eindeutig dem Mann, der ihn aus dem Weg räumen wollte, um an seine Frau heranzukommen. Merkwürdig war nur, dass er wieder verständlich sprechen konnte, wo Hanswalter ihm doch die meisten seiner Vorderzähne entfernt hatte.
    „Die bin ich“, antwortete Artemis. „Was kann ich für Euch tun?“
    „Erlaubt mir, mich vorzustellen. Mein Name ist Edmund von Gallenstein. Ich habe schon seit einiger Zeit ein Auge auf Euch geworfen.“
    Hanswalter wollte dem Mann am liebsten an die Gurgel springen. Doch in seiner Gestalt hätte das nicht viel bewirkt. Er entschied sich, lieber erst einmal in Deckung zu bleiben. Vorsichtig schob er den Stoff vor seinem Gesicht beiseite und schaute durch einen schmalen Spalt unter dem Hemd hervor. Artemis stand genau zwischen ihm und dem Mann. Um das Geschehen besser beobachten zu können musste er daher seine Position wechseln.
    Artemis musterte den Mann. „Ich kenne Euch nicht“, sagte sie abweisend, während hinter ihrem Rücken ein Stoffhemd über den Tresen wanderte. „Ich wüsste auch nicht, woher Ihr mich kennen solltet. Ihr könnt Euer Auge gern auf ein anderes weibliches Wesen werfen, denn ich bin glücklich verheiratet und an einer Liaison mit Euch sicherlich nicht interessiert.“
    „Ihr seid mit einem gewöhnlichen Menschen verheiratet, obwohl Ihr ein Vampir seid. Er ist unwürdig. Wählt lieber mich. Ich bin auch ein Vampir und wäre viel besser für Euch.“
    Kopfschüttelnd betrachtete sie den Vampir. „Wenn Ihr meint, er sei gewöhnlich, dann sagt mir doch, was Euch außergewöhnlich macht. Ich weiß, dass er mich über alles liebt, so wie ich ihn. Würde Euch etwas an mir liegen, so wärt Ihr hier nicht aufgetaucht, sondern würdet Euch für mein Glück freuen.“
    Dem Vampir gefiel diese Reaktion offenbar nicht. „Ich verstehe nicht, warum Ihr Euch so anstellt“, meinte er etwas ungehalten über ihre Uneinsichtigkeit. „Seht Ihr denn nicht, dass wir wie geschaffen füreinander sind? Ihr solltet Eurem Gatten nicht länger nachtrauern und endlich Eure Augen öffnen. Ich habe ihn bereits für Euch aus dem Weg geräumt. Euch hindert nichts mehr daran, Euch mit mir, einem reinrassigen Vampir, zu verbinden.“
    Ihre Augen weiteten sich, als ihr klar wurde, was der Vampir da sagte. Dass er schuld daran war, was mit ihrem Mann geschehen war. Leise fauchte sie ihn an: „Schert Euch von hier weg. Ich will mit Euch nichts zu tun haben. Ich pfeif‘ auf Eure Reinrassigkeit. Scheinbar hat sie Euch eh verblendet. Nun macht, dass ihr Land gewinnt und tretet mir nicht mehr unter die Augen.“ Am Ende bebte Ihre Stimme leicht aus der offensichtlichen Sorge um ihren Liebsten.
    „Schön, wenn Ihr zur Besinnung gekommen seid, könnt Ihr mich hier finden.“ Er knallte seine Visitenkarte knapp neben dem Stoffhemd auf den Tresen, drehte sich um und ging davon.
    Wütend und zugleich bekümmert sah Artemis auf das kleine Stück Pergament herab. In dem Moment kam Hanswalter unter dem Hemd hervorgekrochen und sah zu ihr hoch. Ein kleines Lächeln huschte über das Gesicht der Vampirin, als sie ihren Kater sah. Sie nahm ihn auf den Arm. „Guten Morgen, mein kleiner.“
    „Miau“, antwortete Hanswalter und schmiegte sich an sie.
    „Er war es also.“
    Der Kater schwenkte das Köpfchen und wedelte mit der Pfote.
    Artemis sah ihn fragend an. „Was möchtest du mir sagen?“
    „Miau.“
    „Vielleicht schreibst du es besser auf.“ Sie setzte ihn wieder auf dem Tresen ab und gab ihm ein Stück Kreide und eine der Schiefertafeln für die Preisaushänge.
    Der Kater legte gleich los. Inzwischen war er etwas geübt im Schreiben und konnte schon einige Buchstaben auf der Tafel unterbringen. In seinen Pfoten formte die Kreide die Worte Sein Diener ist Magier.
    „Sein Diener hat dich verwandelt?“, fragte Artemis daraufhin.
    Hanwalter nickte.
    „Dann kann er dich bestimmt auch wieder zurückverwandeln.“
    Wieder nickte der Kater.
    Sie nahm die Visitenkarte auf und betrachtete sie nachdenklich. „Vielleicht sollte ich ihn doch besuchen.“
    Zusammen entwarfen sie einen Plan, wie sie Hanswalters Rückverwandlung bewirken konnten. Artemis würde mit ihm den Vampir besuchen und vorgeben, ihre Meinung geändert zu haben. In einem geeigneten Moment würde sie dann den Diener überwältigen und ihn zwingen, den Kater wieder in den Menschen zu verwandeln, der er einst gewesen war.
    Noch am Abend desselben Tages brachen sie auf.

    Hanswalter öffnet einen Glückskeks und liest folgenden Spruch: Wer zuletzt lacht, hat es als letzter verstanden.


    Falls jemand Langeweile hat: In Professor Blooms Bibliothek steht ein Werk in 4 Bänden zu der Vorgeschichte Hanswalters.

  • Eine unerwartete Wandlung (Fortsetzung)


    Von Gallensteins Villa lag tief im dunklen Dämmerwald. Das Gebäude als baufällig zu bezeichnen, wäre maßlos untertrieben gewesen. Es glich eher der Ruine eines alten Spukschlosses. Das Dach über dem dritten Stockwerk war stellenweise eingebrochen, von den Fenstern war fast keines mehr heile und überall bröckelte der Putz vom Mauerwerk. Die Überreste der Mauer, die das Grundstück umgab, war kein Hindernis mehr für ungebetene Gäste, wobei Hanswalter sich fragte, wer sich überhaupt freiwillig in ein Gebäude trauen würde, bei dem einem jederzeit das Dach auf den Kopf fallen könnte. Das eiserne Tor, das einst die Mauer geziert hatte, lag flach auf dem Boden und war fast vollständig verrostet. Artemis marschierte einfach darüber hinweg. Einzig der Briefkasten an der Mauer schien neu zu sein. Das war auch gut so, denn ohne die darauf geschriebene Hausnummer hätten Artemis und Hanswalter stark daran gezweifelt, dass sie hier richtig waren.
    Vom Tor an der Mauer bis zur Tür der Villa waren es einige Schritte durch den mit Unkraut überwucherten Vorgarten. Artemis ging zielstrebig auf die Tür zu, Hanswalter sollte jedoch zunächst unentdeckt bleiben. Bei der Pflanzendichte in dem Vorgarten war das auch keine Schwierigkeit. Zwischen den teils mehrere Meter hohen Gewächsen hätte sich auch ein Kamel an das Haus heranschleichen können.
    Artemis bestieg die zwei breiten Stufen zur Tür und klopfte zögerlich an. Scheinbar fürchtete sie, dass sie versehentlich ein Loch hineinschlagen könnte, wenn sie zu fest klopfte. Nur wenige Augenblicke später schwang die Tür auf und von Gallenstein erschien darin. Ein strahlendes Lächeln legte sich auf sein Gesicht, als er Artemis erkannte.
    „Ihr habt Eure Meinung also doch geändert“, stellte er freudig fest.
    „Ja, ihr habt Recht. Ein Vampir sollte sich nur mit einem Vampir verbinden. Alles andere wäre unter unserer Würde.“
    „Das freut mich zu hören. Kommt doch herein.“ Er machte eine einladende Geste, bei der er einen Schritt zurück trat.
    Artemis ließ sich bewusst etwas Zeit beim durchschreiten der Tür. Sie sah von Gallenstein in die Augen und schenkte ihm ein Lächeln. Hanswalter erkannte, dass es nicht echt war, doch ihr Gegenüber war davon völlig hingerissen. Es reichte, dass er lange genug alles andere vergaß, damit der Kater unbemerkt hinter Artemis durch die Tür huschen konnte.
    Drinnen versteckte er sich schnell hinter einer verstaubten Vase, die dort auf dem Boden stand.
    „Willkommen in meinem bescheidenen Heim“, sagte von Gallenstein, während er Artemis den Flur entlang führte. „Ihr kommt gerade recht zum Abendessen. Ich werde nur schnell meinem Diener Bescheid sagen.“ Dann verschwand er kurz hinter einer großen Zimmertür.
    Hanswalter nutzte die Gelegenheit, um sein Versteck zu wechseln. Auf leisen Pfoten huschte er zu einer weiteren Vase in der Nähe seiner Liebsten und suchte dahinter Deckung.
    Von Gallenstein tauchte wieder auf und führte Artemis zu einer Treppe. „Ich werde Euch nun Euer Zimmer zeigen, in dem Ihr Euch von Eurer Reise ein wenig erholen könnt.“
    Die Stufen der Treppe knarzten beunruhigend, als die beiden Vampire hinaufgingen. Hanswalter wollte allein schon deswegen warten, bis die sie oben angekommen waren, bevor er einen Schritt auf die erste Stufe machte.
    Als auch er fast oben angekommen war, kauerte er sich dicht vor die letzte Stufe, sodass die Vampire ihn von ihrer Richtung aus nicht sehen konnten.
    „Hier ist es“, sagte von Gallenstein. „Ich werde mich eben frisch machen. Ich hole Euch dann hier wieder ab, wenn das Essen fertig ist.“
    Hanswalter hörte das Quietschen von alten Türscharnieren und die Schritte des Mannes, wie sie sich von ihm entfernten, bis abermals das Quietschen einer Tür zu hören war. Kurz darauf quietschte die erste Tür erneut.
    „Hanswalter“, flüsterte Artemis, „wo bist du?“
    Der Angesprochene streckte seinen Kopf hinter der Stufe hervor und miaute ganz leise. Das Lächeln, das sie ihm daraufhin schenkte, war nicht mit ihrem Lächeln an der Haustür zu vergleichen. „Das ist unsere Gelegenheit“, flüsterte sie weiter.
    Schnell und so lautlos, wie es die knarzenden Stufen zuließen, schlichen die beiden die Treppe hinunter zu der Zimmertür, hinter der sich offenbar Egon befand.
    „Warte hier“, meinte Artemis leise zu Hanswalter.
    Der Kater setzte sich brav hin und sah zu, wie Artemis die Tür öffnete und in den Raum trat. Sie zog die Tür hinter sich nicht ganz zu, sodass er durch den Spalt schlüpfen konnte, wenn es soweit war.
    „Artemis“, erklang die überraschte Stimme Egons. „Mein Meister hat Euch angekündigt. Das Essen ist gleich fertig.“
    „Macht Euch nur keine Umstände wegen mir“, erwiderte Artemis. „Obwohl... einen Gefallen könntet Ihr mir doch tun.“
    „Alles, was Ihr wünscht... hey... was...?“ Die restlichen Worte waren nur noch unverständlich.
    „Ihr könntet meinen Ehemann wieder zurückverwandeln“, sagte sie mit drohendem Unterton. Dann rief sie gedämpft: „Hanswalter!“

    Hanswalter öffnet einen Glückskeks und liest folgenden Spruch: Wer zuletzt lacht, hat es als letzter verstanden.


    Falls jemand Langeweile hat: In Professor Blooms Bibliothek steht ein Werk in 4 Bänden zu der Vorgeschichte Hanswalters.

  • Eine unerwartete Wandlung (Fortsetzung)


    Das war des Katers Stichwort. Er richtete sich auf und wollte gerade den ersten Schritt auf den Türspalt zu machen, als er plötzlich hochgehoben wurde. Er musste nicht nach hinten schauen, um zu wissen, dass es von Gallenstein war, in dessen Händen er sich befand.
    „Welch ein Zufall“ sagte der Vampir grinsend während er mit ihm durch die Tür ging. „Ich glaube, ich habe draußen jemanden gefunden, der auf diesen Namen hört.“ Er wirkte etwas irritiert, als er Artemis und Egon sah.
    Die Vampirin stand hinter dem Diener im Esszimmer, einen Arm um seinen Hals gelegt. Mit der freien Hand hielt sie seinen Mund zu. Ihrem Gesicht war abzulesen, dass von Gallenstein äußerst ungelegen im Raum erschienen war. Egon schien über diesen Umstand hingegen recht froh zu sein.
    „Was tut Ihr denn da?“, fragte von Gallenstein. „Wärt Ihr so freundlich, meinen Diener wieder loszulassen?“
    „Erst wenn er die Verwandlung rückgängig gemacht hat“, entgegnete Artemis scharf.
    Der Vampir schien zu verstehen, was hier los war. Auch er wurde unfreundlich. „Wenn Ihr nicht augenblicklich meinen Diener loslasst, werde ich Eurem kleinen Kater das Genick brechen.“
    Hanswalter schluckte und versuchte sich zu befreien, die Hände hielten ihn jedoch fest umklammert wie eine zu enge Plattenrüstung. Auch sein wildes Herumzappeln half ihm da nicht weiter.
    Eiskalt blickte Artemis dem Vampir in die Augen. Keine Regung verriet, was in ihr vorging. Dann machte sie mit Egon einen Schritt auf ihn zu. „Nehmt mich anstatt seiner. Ich bin es doch, die Ihr wollt. So lasst ihn gehen.“
    Von Gallenstein schien einen Moment darüber nachzudenken. „Na schön“, meinte er und ließ seine Hände samt Kater sinken. Artemis ließ daraufhin den Diener los. Doch noch bevor der Vierbeiner den modrigen Teppich unter seinen Füßen spüren konnte, hob der Vampir die Arme wieder. Während sein Diener fluchend auf Abstand ging, meinte er: „Ich habe eine bessere Idee.“
    Sein bösartiges Grinsen dabei ließ Hanswalter vermuten, dass er die Idee weniger gut finden würde. Wieder versuchte er sich zu befreien, doch diesmal nahm von Gallenstein ein Steakmesser vom halb gedeckten Esstisch und hielt es ihm ans Kinn.
    „Vorhin an der Tür habt Ihr mir versichert, dass Euer Gatte Eurer nicht würdig ist. Nun wollt Ihr aber, dass er zurückverwandelt wird. Das könnte mich doch stark an Eurer Aufrichtigkeit zweifeln lassen. Glücklicherweise habe ich jedoch eine Idee, wie Ihr Eure Worte unter Beweis stellen könnt. Trinkt das Blut dieses Katers. Ich werde ihn schon einmal für Euch anschneiden.“ Mit diesen Worten rückte er die Messerspitze vom Kinn des Katers näher zu dessen Kehle.
    Was dann geschah, war so schnell vorbei, dass es Hanswalter entgangen wäre, wenn er geblinzelt hätte. Er hatte schon von der übermenschlichen Geschwindigkeit der Vampire gehört, doch dass man so schnell ein Messer von einer Geisel abwenden und in den Brustkorb des Geiselnehmers treiben konnte, glaubte er auch noch nicht so recht, als er es mit eigenen Augen sah. Der Griff um seinen Körper lockerte sich noch während von Gallenstein zu Boden ging. Die Wucht, die den Vampir niederriss, ließ den Kater einige Meter durch den Raum fliegen. Dank seiner Fähigkeiten, die der Körper einer Katze so mit sich brachten, landete er jedoch unbeschadet auf allen vier Pfoten.
    Als er sich wieder dem Ort des Geschehens zuwandte, sah er Artemis über dem regungslosen Körper des anderen Vampirs hocken. Ihre Augen glühten förmlich in einem tiefen Rot. Ihre gebleckten Zähne waren blutverschmiert, so wie auch weite Teile ihres Gesichts. Ein bedrohliches Fauchen brachte ihre Wut zum Ausdruck, die schon an Raserei zu grenzen schien. So hatte Hanswalter seine Liebste noch nicht erlebt. Er hoffte nur, dass er sie nicht irgendwann mal so wütend machen würde.
    Im Gegensatz zu ihr lag von Gallenstein friedlich auf dem Boden und blutete vor sich hin. Die rote Lache um seinen Körper wurde kontinuierlich durch die Wunde in seiner Brust, in der noch immer das Steakmesser steckte, und durch eine weitere Wunde am Hals versorgt, die die Form eines Vampirgebisses hatte.

    Hanswalter öffnet einen Glückskeks und liest folgenden Spruch: Wer zuletzt lacht, hat es als letzter verstanden.


    Falls jemand Langeweile hat: In Professor Blooms Bibliothek steht ein Werk in 4 Bänden zu der Vorgeschichte Hanswalters.

  • Eine unerwartete Wandlung (Fortsetzung)


    Hanswalter starrte noch einen Augenblick lang ungläubig die beiden Vampire an, dann wurde er von Egons Stimme aus seinen Gedanken gerissen.
    „Meister!“, rief er aufgebracht, bevor er auf Artemis zuging. „Das wirst du büßen.“ Er hob seine Arme in einer geübten Bewegung und ehe die Vampirin reagieren konnte, war es auch schon zu spät.
    Überall in ihrem Gesicht wuchsen dunkle Haare, während ihr gesamter Körper zu schrumpfen begann. Ihr Kopf verschwand in ihrer Tunika, die kurz darauf langsam zu Boden sank.
    Egon sah sich um und nahm dann ein weiteres Steakmesser vom Tisch. Wutschnaubend schritt er weiter auf den Ort zu, wo vor wenigen Augenblicken noch Artemis gehockt hatte und nun nur noch ihre Kleider auf dem Boden lagen. Seine Absichten waren eindeutig. Hanswalter musste ihn aufhalten.
    Er hopste auf den nächsten Stuhl und von dort aus auf die Platte des Esstisches. Er rannte das kurze Stück über die weiße, frisch gebügelte Tischdecke auf Egon zu, stieß sich kräftig von der Tischkante ab und landete dem Angreifer mitten im Gesicht. Mit seinen Krallen fand er Halt in der Haut. Er klammerte sich fest an den Kopf, direkt vor den Augen. Dann wandte er sich Artemis zu, die irgendwo unter ihren Kleidern stecken musste, und miaute, dass sie verschwinden solle.
    Egon griff nach dem Kater in seinem Gesicht und versuchte ihn loszureißen. Die Krallen fuhren bei jedem Versuch jedoch nur noch tiefer in seine Haut.
    Währenddessen kam unter der Tunika ein kleines schwarzes Fellknäul hervorgekrochen. Hanswalter musste erst ein zweites Mal hinsehen, um zu begreifen, dass es sich dabei um ein junges schwarzes Kätzchen mit Fledermausflügeln und spitzen Eckzähnchen handelte.
    Als Egon Anstalten machte, mit dem Steakmesser nach dem Kater in seinem Gesicht zu stechen, ließ dieser los. Er landete wieder auf allen vier Pfoten und rannte gleich zu dem Kätzchen. Er schaute ihr ins Gesicht. Sie schien noch nicht so recht begriffen zu haben, was ihr widerfahren war. Doch um ihr das zu erklären, war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Hanswalter deutete bestimmend mit dem Pfötchen auf die Tür. Sie verstand. Zusammen flitzen sie hinaus in den Flur, bevor Egon sie einholen konnte – er hatte noch immer mit der viel zu langen Robe zu kämpfen – und hielten auf die Haustür zu. Sie war geschlossen.
    Den beiden blieb nicht viel Zeit, lange zu überlegen, wie sie sie wieder aufbekommen würden. Sie mussten sich wohl einen anderen Fluchtweg suchen. Egon war ihnen schon gefährlich nahe, als Hanwalter sich plötzlich daran erinnerte, dass die meisten der Fenster des Gebäudes keine Scheiben mehr hatten. Das nächste beschädigte Fenster, das er entdecken konnte, befand sich an der Treppe, etwa auf halber Höhe. Es war klein, aber es würde ausreichen. Eilig rannte er mit Artemis darauf zu. Keinen Moment zu früh, denn dort wo er gerade noch gestanden hatte, schlug nun ein Steakmesser in den Boden.
    Im Gleichtakt hopsten die beiden Katzen die Treppe hinauf, Stufe für Stufe. Ihr Verfolger zog das Messer wieder aus dem Boden und folgte ihnen. Er kam gerade an der untersten Stufe an, als die beiden Flüchtigen das Fenster erreichten. Hanswalter deutete hinaus. Artemis wirkte etwas unsicher. Verständlicherweise. Dies würde ja ihr erster Katzensprung werden. Doch als Egon die Treppe hinaufstampfte, sprang sie. Hanswalter folgte ihr unmittelbar.
    Sie landeten weich auf moosbedecktem Boden. Hanswalter drehte sich kurz um. Aus dem Fenster ragte Egons Arm mit dem Steakmesser. Für den Rest des Körpers war das Fenster zu klein.
    Die beiden Katzen waren erst einmal entkommen, aber sie wollten keinen Moment länger hier verweilen. Auf schnellen Pfoten tapsten sie zurück nach Trent.

    Bilder

    Hanswalter öffnet einen Glückskeks und liest folgenden Spruch: Wer zuletzt lacht, hat es als letzter verstanden.


    Falls jemand Langeweile hat: In Professor Blooms Bibliothek steht ein Werk in 4 Bänden zu der Vorgeschichte Hanswalters.

  • Die Herrschaft des Vampirs


    (In Zusammenarbeit mit Artemis)


    Einige Tage lang liefen Artemis und Hanswalter gemeinsam in Katzengestalt herum. Nach anfänglicher Verwirrung bei manchem Mitbürger, gewöhnte man sich jedoch schnell daran. Vor allem Samuela schien sich sogar zu freuen, nun gleich zwei Kätzchen kraulen zu können.
    Aber Artemis und Hanswalter hatten nicht vor, den Rest ihrer Tage als Katzen zu verbringen. Es brachte zwar einige Annehmlichkeiten mit sich, doch sie vermissten ihr altes Leben. Zudem waren sie unsicher, was Artemis‘ Schwangerschaft betraf. Sie hatten Glück gehabt, dass die Verwandlung keine negativen Auswirkungen darauf hatte. Vermutlich wurde das ungeborene Leben mit der werdenden Mutter zusammen verwandelt. Bei der Geburt wollte sie aber lieber wieder eine Vampirin sein.
    Hanswalter war der Ansicht, dass es für die Rückverwandlung die Hilfe eines Magiers bedurfte. Doch wie er bei seiner Gespensterrettungsaktion zu Halloween bereits erfahren hatte, gab es davon nicht sonderlich viele in Simkea. Er beschloss daher, sich diesmal gleich an Morena Schattenhand zu wenden, die ihm auch damals geholfen hatte. Er hatte die Nekromantin das erste Mal bei Zwurrf getroffen und hielt es für das Beste, erst einmal den Gnom über die Situation aufzuklären, damit er ein Treffen mit ihr arrangieren konnte.
    Also machten sich die beiden Katzen daran einen Brief aufzusetzen. Einige Tage zuvor hatte Hanswalter von der Katzendame Pytron das Sprechen und Verstehen der Katzensprache gelernt. So konnte er sich nach langer Zeit endlich wieder mit Artemis unterhalten, die ebenfalls dieser Sprache mächtig war. Für die Kommunikation mit Menschen – oder Gnomen und vielen anderen Wesen – war er jedoch noch immer auf die schriftliche Form angewiesen.
    Mit dem Brief im Mäulchen liefen die beiden Katzen zu Zwurrfs Hütte. Als der Gnom sie sah, strahlte er förmlich. Doch bevor er näher darüber nachdenken konnte, wie er ihre Körperteile verwerten sollte, reichte Hanswalter ihm den Brief. Zwurrf las ihn und das Lächeln verschwand. Hanswalter meinte sogar, einen Hauch von Enttäuschung zu erkennen.
    „Ich kann Euch nicht weiterhelfen“, meinte Zwurrf. „Die Nekromantin auch nicht. Hanswalter...“ Er stockte. „Wer von euch beiden ist eigentlich Hanswalter?“
    Der grau schwarz gestreifte Kater hob sein Pfötchen.
    „Hanswalter“, fuhr er an ihn gerichtet fort, „du hast Morena Schattenhand bereits kennengelernt. Sie ist sehr mächtig, aber für eine Tierverwandlung braucht ihr jemanden, der sich damit auskennt. Da kann euch die Nekromantie nicht weiterhelfen. An eurer Stelle würde ich es bei demjenigen versuchen, der euch verwandelt hat.“
    Hanswalter glaubte kaum, dass Egon sie freiwillig zurückverwandeln würde. Ihn aufzusuchen könnte eher sogar tödlich für die beiden Katzen enden.
    „Wer hat euch überhaupt verwandelt?“, fragte Zwurrf neugierig.
    Der Kater schwang die Pfote in der Luft.
    „Ah sicher, du brauchst etwas zum schreiben.“ Er sah sich um und fasste sich an die Taschen seiner Kleidung, fand aber nicht, was er suchte. „Kommt doch herein“, meinte er und zeigte auf seine Hütte.
    Drinnen hopsten die beiden Katzen auf einen Tisch und ließen sich Feder und Tinte geben. Artemis wendete den Brief auf die Rückseite und hielt ihn flach auf den Tisch gedrückt, während Hanswalter Buchstabe für Buchstabe die Namen von Gallenstein und Egon auf das Papier kritzelte.
    „Egon, den Namen habe ich neulich erst gehört“, meinte Zwurrf nachdenklich, als er die Worte las. „Ich weiß nur nicht mehr, wo das war. Wie sehen die beiden denn aus?“
    Hanswalter versuchte, den Vampir und seinen Diener auf das Papier zu malen, aber seine Kunstfertigkeit genügte offenbar nicht. Der Gnom zuckte nur mit den Schultern.
    Da seufzte Artemis und zeigte mit ihrer Pfote auf ihre spitzen Eckzähnchen. Dies schien Zwurrf zu verstehen.
    „Ein Vampir? Ja, so einen habe ich gesehen“, erinnerte er sich. „Groß, schmierig und begleitet von einem kleineren Diener?“
    Die beiden Katzen nickten eifrig.
    „Die beiden sind hier vor zwei Tagen herumgelaufen. Der Große hat den Kleinen immer mit Egon angesprochen. Seltsamer Name.“
    Hanswalter fand, dass Zwurrf nicht unbedingt viel besser war. Ihm fiel auch auf, dass von Gallenstein Artemis‘ Angriff scheinbar überlebt haben musste, wenn er erst vor zwei Tagen gesehen worden war.
    „Noch seltsamer war allerdings die dunkle magische Aura, die den Kleinen umgab. Meisterin Schattenhand hat sie bemerkt. Sie sagte, sie sei ungewöhnlich stark. Anschließend hatte sie tagelang über ihrem Zauberbuch gehangen. Sie hatte es sogar dabei, wenn sie zu Besuch kam.“ Er wirkte aufgebracht. „Man konnte mit ihr gar nicht mehr richtig arbeiten.“
    Hanswalter griff zur Feder. Zwurrf schwieg einen Moment und sah ihm zu, wie er einige Worte niederschrieb: Wo ist sie?
    „Keine Ahnung“, meinte der Gnom, „aber sie wird sicherlich bald wiederkommen. Bei ihrem letzten Besuch hat sie ihr Zauberbuch hier vergessen.“ Er wies auf einen Stapel Bücher, der neben den Katzen auf dem Tisch lag.
    Artemis und Hanswalter tapsten zu dem Stapel, doch Zwurrf hielt sie auf.
    „Oh nein“, sagte er. „Da darf niemand außer ihr drin lesen. Es stehen viele Dinge darin, die nicht für unbefugte Augen bestimmt sind.“
    Artemis schaute ihn mit großen Augen bittend an. Hanswalter setzte sich gleich neben sie und machte ein ähnliches Gesicht.
    „Das funktioniert bei mir nicht“, sagte Zwurrf kühl.
    Die beiden Katzen versuchten es dennoch eine ganze Weile lang, mussten dann aber einsehen, dass es wirklich nichts brachte. Sie würden wohl mit Morena sprechen müssen. Dazu mussten sie wohl die nächste Zeit in der Nähe der Hütte bleiben, um die Nekromantin bei ihrem nächsten Besuch abzufangen.
    Zumindest hatte Zwurrf ihnen ein kleines Stück weitergeholfen. Dankend verbeugten sie sich und verließen die Hütte.

    Hanswalter öffnet einen Glückskeks und liest folgenden Spruch: Wer zuletzt lacht, hat es als letzter verstanden.


    Falls jemand Langeweile hat: In Professor Blooms Bibliothek steht ein Werk in 4 Bänden zu der Vorgeschichte Hanswalters.

  • Die Herrschaft des Vampirs (Fortsetzung)


    Als die Sonne schon lange untergegangen und Morena noch immer nicht bei Zwurrf aufgetaucht war, fing Hanswalter an zu zweifeln, dass sie an dem Tag noch erscheinen würde. Vielleicht hatte sie noch gar nicht bemerkt, dass sie ihr Buch vergessen hatte. Oder sie suchte danach an anderen Orten. Wenn er gewusst hätte, wo sie wohnte, hätte er sie direkt aufsuchen können. So musste er aber warten, bis sie ihm zufällig über den Weg lief.
    Zumindest musste er nicht alleine warten. Artemis, die mit ihm in einem Busch etwa zwanzig Meter vor Zwurrfs Hütte hockte, war ebenso ungeduldig wie er. Sie saßen nun auch schon einige Stunden hier.
    Als in der Hütte die letzten Lichter erloschen, fand Hanswalter, dass sie genug gewartet hatten. Er miaute zu Artemis, dass er nun versuchen wolle, in die Hütte zu schleichen, um einen Blick in Morenas Buch zu werfen. Dann machte er vorsichtig einen Schritt aus dem Busch heraus. Er sah sich nach seiner Liebsten um.
    Sie miaute, dass sie mitkommen würde, und erhob sich ebenfalls.
    Leise schlichen sie um die Hütte herum. Sie suchten eine Möglichkeit, hineinzugelangen, doch auch als sie mehrmals drum herumgeschlichen waren, konnten sie keine finden. Alle Fenster und Türen waren verschlossen. Ratlos setzten sie sich vor die Hütte.
    Da entdeckte Artemis aber doch noch eine Möglichkeit. Sie zeigte auf das Fenster, hinter dem der Tisch stand, auf dem die beiden bei ihrem Besuch gesessen hatten. Hanswalter sah sie fragend an, woraufhin sie leise meinte, dass er sich dort hinbegeben und warten solle. Schulterzuckend tat er es dann auch. Er setzte sich auf die Fensterbank vor dem Fenster und schaute zu seiner Liebsten hinüber.
    Artemis breitete ihre Flügelchen aus und begann kräftig damit zu schlagen. Langsam erhob sie sich vom Boden. Sie flog ein paar Meter, bis Hanswalter sie über der Dachkante verschwinden sah.
    Dann schaute er durch das Fenster ins Innere. Um besser sehen zu können musste er seine Nase an die Scheibe drücken und mit den Pfötchen das Mondlicht von seinen Augen abschatten. Einen Moment saß er so da und wartete darauf, dass drinnen etwas passieren würde.
    Plötzlich wirbelte in der Hütte Staub auf. Der Grund dafür war schnell gefunden. Ein kleines schwarzes Kätzchen hopste aus dem Kamin heraus, schüttelte sich und tapste auf den Tisch vor dem Fenster zu. Es hopste auf die Tischplatte und kam zum Fenster herüber.
    Hanswalter grinste seine Liebste durch die Glasscheibe an. Sie grinste zurück und löste den Riegel. Als das Fenster offen war, huschte er hinein. Im Vorbeigehen pustete er ihr einmal kräftig ins Fell. Staub wirbelte auf und sie musste niesen. Der Kater kicherte. Sie fauchte ihn kurz an, wirkte dabei aber eher selbst belustigt als verärgert.
    Gemeinsam tapsten sie auf den Bücherstapel zu, neben dem sie einige Stunden zuvor gesessen hatten. Zwurrf schien in einem der anderen Räume fest zu schlafen. Von ihm war nichts zu hören oder zu sehen. So wagten die beiden Katzen es, sich über den Bücherstapel herzumachen.
    Hanswalter setzte sich davor und las die Titel auf den Buchrücken. Zumindest versuchte er es. Für ihn war es unverständlich, dass der Buchrücken in den meisten Fällen von unten nach oben beschriftet wurde. Wie sollte man ihn denn dann vernünftig lesen, wenn das Buch auf einem Tisch lag? Auch die meisten der Bücher in diesem Stapel waren auf diese Weise beschriften worden. Der Kater überlegte erst, ob er sich nicht auf den Stapel setzen und die Titel von oben her lesen sollte, doch Artemis hatte bereits mit dem Lesen von unten her begonnen und so setzte er sich einfach zu ihr.
    Er las einen Titel nach dem anderen, aber nichts wies auf das Zauberbuch der Nekromantin hin. Das große Hexenwerk und Zwurrfs kleine Geheimnisse kamen dafür genauso wenig in Frage wie Nekromantie für Dummies oder Handbuch für Leichenfledderer. Doch dann fiel Hanswalter ein Buch auf, das nicht beschriftet war. Es war das zweite von oben, gleich unter Wie erschaffe ich einen Zombie – der große Ratgeber. Er zeigte mit der Pfote darauf.
    Zusammen schoben sie das oberste Buch vom Stapel hinunter. Es polterte für Hanswalters Empfinden schon ein wenig zu laut, als es auf die Tischplatte fiel. Einen Moment horchten die beiden Katzen nach einem Zeichen von Zwurrf, doch es blieb ruhig in der Hütte.
    Vorsichtig schoben sie daraufhin das nächste Buch hinunter. Es fiel auf das erste mit einem wesentlich geräuschloseren Aufprall. Dennoch horchten die beiden Katzen auch diesmal in die Stille.
    Als sich wieder nichts rührte, wandten sie sich dem Buch zu. Es war eines der größeren in dem Stapel gewesen. Sein Einband bestand aus schwarzem Leder. Auch auf der Vorderseite stand kein Titel geschrieben. Dort befand sich allerdings eine große silberne Prägung in Form eines Pentagramms.
    Hanswalter starrte die Prägung an. Er konnte gar nicht mehr wegsehen. In irgendeiner Weise hatte sie ihn in ihren Bann gezogen. Zugleich spürte er ein steigendes Unwohlsein. Sein Magen verkrampfte sich und das Atmen fiel ihm schwer. Er zweifelte nicht daran, dass dies das gesuchte Buch war, doch nun wollte er lieber doch nicht mehr darin blättern.

    Hanswalter öffnet einen Glückskeks und liest folgenden Spruch: Wer zuletzt lacht, hat es als letzter verstanden.


    Falls jemand Langeweile hat: In Professor Blooms Bibliothek steht ein Werk in 4 Bänden zu der Vorgeschichte Hanswalters.

  • Die Herrschaft des Vampirs (Fortsetzung)


    Artemis befreite ihn aus dem Bann, indem sie das Buch einfach aufschlug, wodurch das Pentagramm nun zur Tischplatte zeigte. Sie schaute ihren Liebsten an, als wollte sie fragen, was mit ihm los sei. Hanswalter schüttelte nur den Kopf. Er würde es ihr später erklären. Nun war er darauf bedacht, möglichst keine Geräusche von sich zu geben. Die polternden Bücher hatten schon genug Lärm verursacht.
    Mit dem Pentagramm hatte Morena offenbar eine Sicherheitsvorkehrung getroffen, um das Buch vor unbefugten Blicken zu schützen. Artemis hatte es nicht so direkt angesehen wie er und hatte daher von der Wirkung nichts mitbekommen. Hanswalter hoffte nur, dass es nicht noch mehr dieser Schutzmaßnahmen in dem Buch gab. Sicherheitshalber wollte er lieber alleine in dem Buch lesen. Er miaute Artemis nun doch kurz zu, dass das Buch verzaubert sei und sie nicht hineinsehen solle. Sie solle einfach immer nur weiterblättern.
    Erneut sah sie ihn fragend an, setzte sich dann aber an das obere Ende des Buches und blätterte die erste Seite um. Hanswalter saß am unteren Ende und las. Für seine Katzenaugen reichte das Mondlicht dazu völlig aus. Um die ganze Seite überblicken zu können, stellte er sich auf seine Hinterpfoten. Auf der ersten Seite war nichts Interessantes zu sehen und er gab Artemis ein Zeichen weiterzublättern.
    Seite für Seite suchten sie so das Buch nach einem Hinweis ab, was die Nekromantin darin gesucht haben könnte. Doch auch als Artemis schon mehr als das halbe Buch umgeblättert hatte, blieb die Suche noch erfolglos. Glücklicherweise fanden sich aber auch keine weiteren Sicherheitsmaßnahmen.
    Als sie jedoch die nächste Seite umblätterte, entdeckte Hanswalter ein kleines Stück Papier, das zwischen die Seiten gelegt worden war. Es waren einige Zahlen und kryptische Zeichnungen darauf zu sehen, mit denen er nichts anfangen konnte. Scheinbar hatte die Nekromantin hier nur ein paar Notizen gemacht.
    Artemis wollte gerade den Zettel beiseiteschieben, um die Buchseite darunter vollständig aufzudecken, als Hanswalter eine Reihe von Wörtern darauf entdeckte: Der Vampir ist es nicht.
    Er legte seine Pfote auf die Zeile, um sie Artemis zu zeigen.
    Sie las es und schaute ihn an. „Miau“, meinte sie aufgeregt in Flüsterlautstärke.
    Hanswalter war ganz ihrer Meinung. Dies musste die Seite sein, die sie gesucht hatten. So viele Vampire gab es Simkea nicht. Wer außer Edmund von Gallenstein sollte sonst damit gemeint sein?
    Während der Kater auf der Buchseite las, verdichtete sich sein Verdacht immer weiter. Es war dort ein Zauber beschrieben, der den Geist eines Wesens vernebeln könne. Man könne es damit völlig willenlos machen und versklaven. Zu erkennen sei das betroffene Wesen an einer dunklen Aura mit einer typischen magischen Signatur.
    Der Kater zeigte auf die Seite. „Miau“, meinte er leise zu Artemis.
    Sie tapste daraufhin um das Buch herum zu ihm und las die Zeilen ebenfalls. „Miau“, meinte auch sie.
    Offenbar dachte Morena, dass Egon mit diesem Zauber belegt worden war. Laut Zwurrf hatte sie bei ihm ja eine dunkle Aura bemerkt. Ihren Notizen zufolge war es aber nicht von Gallenstein, der ihn verzaubert hatte. Hanswalter hätte dem Vampir auch alles Mögliche zugetraut, aber magisch begabt war er sicherlich nicht.
    Wenn auf Egon also ein Zauber lag, teilte er möglicherweise die finsteren Absichten seines Meisters gar nicht. Vielleicht würde er die beiden Katzen sogar zurückverwandeln, wenn er frei von dem Zauber wäre. Zumindest – da war sich Hanswalter sicher – würde er auf von Gallenstein nicht gut zu sprechen sein. Alleine deswegen schon wollte der Kater ihn befreien.
    Doch zunächst musste er herausfinden, wie man dies bewerkstelligen konnte. Auf Morena wollte er nicht warten. Wer wusste schon, wann sie wieder auftauchen würde? In dem Buch musste doch auch etwas dazu stehen.
    Er schaute noch einmal auf die Seite und fand die passenden Zeilen dazu. Dort hieß es, dass für die Aufhebung des Zaubers die üblichen Mittel verwendet werden konnten. Einige davon waren darunter aufgelistet, er hatte aber keine Ahnung, was damit gemeint war. Nur mit einem Punkt konnte er etwas anfangen: Bannung durch Lichtmagie (siehe Seite 53).
    Er zeigte auf die Seitenzahl und begann damit, in dem Buch zurückzublättern. Dazu wälzte er den größten Teil der Seiten wieder um, die Artemis zuvor in die entgegengesetzte Richtung geblättert hatte.
    Auf Seite 53 standen wieder viele Dinge geschrieben, von denen Hanswalter nichts verstand. Was er jedoch herausfand, war, dass es für die Bannung dunkler Magie viele Zauber gab, von denen einige auch auf Gegenstände gelegt werden konnten. Er las eine Liste, in der scheinbar die gängigsten Beispiele aufgeführt waren, und plötzlich wusste er, was Artemis und er tun mussten. Er zeigte Artemis die Textstelle und sie miaute zustimmend.
    Sie klappten das Buch zu, wobei Hanswalter Artemis zuvor zu verstehen gab, dass sie nicht auf das Pentagramm schauen sollte. Dieses und das andere Buch hatten die beiden Katzen eigentlich wieder auf den Stapel legen wollen, doch sie waren ihnen zu schwer, um sie hochzuheben. Damit das gefährliche Symbol dennoch nicht so offen herumlag, beschlossen sie, ein weiteres Buch vom Stapel darauf zu schieben.
    Dann krochen sie beide durch das Fenster hinaus und schoben es wieder zu. Verriegeln konnten sie es von außen nicht. Hanswalter hoffte einfach, dass Zwurrf annehmen würde, er selbst hätte vergessen es zu verriegeln. Ähnliches erhoffte er sich auch bezüglich der zwei Bücherstapel auf dem Tisch.
    Auf schnellen Pfoten liefen die beiden Katzen zu ihrem Haus. In seiner Truhe im Keller fand Hanswalter den Gegenstand, der ihnen hoffentlich weiterhelfen würde: eine kleine Phiole mit einer klaren Flüssigkeit.
    Der Kater hatte sie von einem Bekannten bekommen, als er noch ein Mensch war. Die Flüssigkeit darin war Wasser, das mit der Magie des Lichts verzaubert worden war. Es hatte ihn vor den Gefahren der dunklen Magie schützen sollen, mit deren Hilfe er zu Halloween eine Horde Gespenster in das Jenseits befördert hatte. Gebraucht hatte er das Wasser dabei aber nicht. Lady Sharina hatte es letztendlich übernommen, alle Gefahren abzuwenden.
    Dieses verzauberte Wasser war auch auf Seite 53 in Morenas Buch aufgeführt gewesen. Hanswalter wollte versuchen, es Egon im Schlaf einzuflößen. Es blieb nur zu hoffen, dass es den dunklen Zauber wirklich brechen würde.
    Der Kater steckte die Phiole in seinen Geldbeutel, der ihm als Rucksack diente, und brach zusammen mit dem kleinen Vampirkätzchen auf zum Dämmerwald.

    Hanswalter öffnet einen Glückskeks und liest folgenden Spruch: Wer zuletzt lacht, hat es als letzter verstanden.


    Falls jemand Langeweile hat: In Professor Blooms Bibliothek steht ein Werk in 4 Bänden zu der Vorgeschichte Hanswalters.

  • Die Herrschaft des Vampirs (Fortsetzung)


    Die Nacht näherte sich ihrem Ende, als Artemis und Hanswalter an der Villa im Wald eintrafen. Der Himmel hatte bereits begonnen heller zu werden und der Sonnenaufgang war nicht mehr fern.
    Die beiden Katzen suchten nach einer Möglichkeit hineinzugelangen. Fenster ohne Scheiben gab es ja genug. Die meisten befanden sich allerdings zu hoch über dem Boden, als dass Hanswalter hinaufspringen konnte. Artemis miaute, dass sie versuchen könne, mit ihm hinaufzufliegen. Doch er zweifelte, dass sie das schaffen würde. Seit er ein Kater war, hatte er durch die Zuwendungen von Nahrungsmitteln, die er von den Leuten am Markt bei jeder Gelegenheit bekam, ein wenig zugenommen.
    Ein Baum, der nah am Haus stand, bot eine Alternative. Einer der Äste ragte weit genug an ein Fenster im ersten Stock heran. Die beiden Katzen kletterten den Baum hinauf und sprangen von dem Ast aus durch das Fenster. Sie landeten auf weichem Teppichboden.
    Hanswalter sah sich um. In dem Zimmer, in dem sie gelandet waren, stand ein großes Himmelbett. Darin lag jemand und schlief. Der lange rote Umhang, der an der Wand hing, ließ darauf schließen, dass dies von Gallensteins Zimmer war. Auf dem Nachtisch neben dem Bett stand ein mit Wasser gefülltes Glas, in dem etwas gewölbtes Weißes lag. Bei genauerer Betrachtung fiel Hanswalter auf, dass es sich dabei um eine Zahnprothese handelte. Er hatte sich schon gefragt, wieso das Gebiss des Vampirs wieder vollständig war, wo er ihm doch einen beträchtlichen Teil der Zähne entfernt hatte.
    Mit einem gedämpften Miauen erinnerte Artemis ihn daran, dass sie hier in dem falschen Zimmer waren. Leise schlichen sie weiter zur Zimmertür. Glücklicherweise stand sie einen kleinen Spalt weit offen, sodass die beiden Katzen hindurchschlüpfen konnten.
    Egons Zimmer zu finden war gar nicht so leicht. Auf dem Flur gab es viele Türen und alle waren geschlossen. Nur das Zimmer, das der Vampir Artemis angeboten hatte, ließ sich neben seinem eigenen ausschließen. So mussten die beiden Katzen nacheinander an jeder der übrigen Türen nach einem Lebenszeichen des Dieners horchen. Sie teilten die Türen dazu untereinander auf. Artemis horchte auf der einen Seite des Flurs, Hanswalter auf der anderen.
    Als Artemis vor ihrer zweiten Tür stand, miaute sie leise. Hanswalter lief gleich zu ihr. Sie deutete mit dem Pfötchen auf die Tür. In dem Zimmer musste also Egon liegen. Nun mussten sie nur irgendwie die Tür aufbekommen. Hanswalter hatte auch schon eine Idee.
    Er legte seinen Rucksack ab und zeigte Artemis, dass sie sich mit ihrem ganzen Körper gegen das Türblatt lehnen sollte. Während sie dies tat, sprang er hinauf und klammerte sich mit den Vorderpfoten an die Türklinke. Doch sie gab kein Bisschen nach. Erst als der Kater auf und ab ruckelte, bewegte sie sich Stück für Stück nach unten. Jetzt war Hanswalter froh darum, dass er in den letzten Wochen zugenommen hatte.
    Die Türklinke neigte sich soweit nach unten, dass der er allmählich abzurutschen drohte. Immer wieder musste er sich daran hinaufhangeln. Doch dann war der Punkt endlich erreicht, an dem der Riegel vollständig aus dem Türrahmen gezogen war und die Tür unter Artemis‘ Gewicht langsam aufschwang.
    Länger konnte Hanswalter sich auch nicht mehr halten. Er rutschte ab und fiel zu Boden, woraufhin die Türklinke geräuschvoll in ihre Ausgangsstellung zurückschlug. Schnell schnappte er sich seinen Rucksack und huschte mit Artemis ins Zimmer, wo sie sich in der Dunkelheit versteckten. Einen Moment lang warteten sie ab, ob Egon von dem Krach aufgewacht war, doch in dem Bett rührte sich nichts. Außer dem ruhigen Atmen eines tief Schlafenden war nichts zu hören.
    Leise schlichen die beiden Katzen an das Bett heran und hüpften hinauf. Das dürre vernarbte Gesicht, das ihnen dort begegnete, gehörte eindeutig zu Egon. Er lag auf der Seite, wodurch es schwierig sein würde, ihm das magische Wasser in den Mund zu kippen. Der Kopf musste zunächst ein Stück weit gedreht werden, sodass die Flüssigkeit nicht sofort wieder aus dem Mund herauslief.
    Hanswalter wies Artemis mit einer Geste seiner Pfötchen darauf hin.
    Vorsichtig näherten sie sich dem Gesicht des schlafenden Dieners. Artemis tapste dabei über seine Hand, die auf dem Kissen lag. Plötzlich griff diese Hand nach ihr. Sie umfasste den Rücken des Kätzchens und schob es zu dem Gesicht hin. Für einen Moment, dachte Hanswalter, dass sie erwischt worden wären. Doch scheinbar hatte Egon Artemis nur mit einem Plüschtier verwechselt. Seelig weiterschlafend kuschelte er sich an ihr weiches Fell.
    Artemis sah hilfesuchend zu Hanswalter, der ein Kichern hinter seinem Pfötchen verbarg. Er eilte seiner Liebsten jedoch gleich darauf zur Hilfe. Fingerweise löste er die Hand von ihrem Rücken, bis sie wieder frei war. Anstelle ihres Rückens drückte er seinen Rucksack in die Hand. Die Phiole nahm er noch schnell heraus.
    Dann stemmten sich die beiden Kätzchen gegen Egons Kopf. Hanswalter packte dazu die Nase und versuchte sie mit aller Kraft anzuheben. Artemis hatte ihre Pfötchen an die Stirn gedrückt. Es war recht mühselig, doch schließlich schafften sie es, den Kopf mit der Nase nach oben zu drehen.
    Während Artemis sich nun gegen die Wange stemmte, entkorkte Hanswalter die Phiole. Er klemmte sie sich unter den Arm, den Flaschenhals an Egons Mund gelegt. Mit der freien Pfote schob er die Lippen auseinander und stopfte den Flaschenhals dazwischen. Dann hob er den Flaschenboden an, sodass der Inhalt in den Mund floss. Mit beiden ausgestreckten Pfötchen hielt er die Phiole, die nun senkrecht in Egons Mund steckte. Er hörte, wie er mehrmals schluckte. Dann schlug der Diener plötzlich die Augen auf.
    Schnell ließ Hanswalter die Phiole los und sprang mit Artemis vom Bett herunter. Die erstbeste Versteckmöglichkeit nutzend verkrochen sie sich darunter. Über ihnen hustete Egon.
    Hanswalter überlegte, was als nächstes zu tun war. Bevor er sich nicht sicher darüber war, dass der dunkle Zauber gebrochen war, konnten Artemis und er sich ihm nicht gefahrlos zeigen. Leise Zweifel nagten an ihm. Was wäre, wenn das Wasser doch nicht das richtige Gegenmittel war oder überhaupt kein Zauber auf Egon gelegen und Hanswalter sich bei seinen Schlussfolgerungen geirrt hatte? Morena könnte auch etwas völlig anderes mit ihren Notizen gemeint haben. Vielleicht hätte er doch lieber auf sie warten sollen.
    Eine Kerze wurde entzündet. Hanswalter versuchte nicht zu atmen, aus Furcht, dass Egon es hören könnte. Neben ihm schien Artemis das gleiche zu befürchten. Sie kauerten sich unter dem Bett eng aneinander und warteten. Die Zimmertür stand noch immer einen Spalt offen. Wenn sie schnell genug waren, könnten sie vielleicht dadurch fliehen.
    Doch dieser Gedanke zerfiel sofort, als Egon die Kerze auf den Boden stellte und seinen Kopf unter das Bett steckte. Der Kater spürte sein Ende nahen.

    Hanswalter öffnet einen Glückskeks und liest folgenden Spruch: Wer zuletzt lacht, hat es als letzter verstanden.


    Falls jemand Langeweile hat: In Professor Blooms Bibliothek steht ein Werk in 4 Bänden zu der Vorgeschichte Hanswalters.

  • Die Herrschaft des Vampirs (Fortsetzung)


    Statt die beiden Katzen wieder mit einem Steakmesser zu attackieren, schaute er sie jedoch nur einen Moment lang irritiert an.
    „Was ist hier los?“, fragte er.
    Hanswalter fiel auf, dass sich seine Stimme verändert hatte. Sie wirkte viel ruhiger als bei der letzten Begegnung.
    „Wie kommt ihr unter mein Bett?“, fragte Egon weiter. „Habt ihr mir das in den Hals geschüttet?“ Er zeigte ihnen die Phiole.
    Etwas zögerlich nickten die beiden Katzen synchron.
    Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Dann muss ich euch danken. Wisst ihr eigentlich, was das war?“
    Wieder nickten die beiden Katzen.
    „Dann müsst ihr mir unbedingt erzählen, wo ihr das herhabt und wie ihr darauf gekommen seid, es bei mir anzuwenden.“
    Hanswalter miaute nur.
    „Oh, richtig. Ich werde euch selbstverständlich wieder zurückverwandeln. Dazu solltet ihr aber besser unter dem Bett hervorkommen.“
    Artemis und Hanswalter schauten sich gegenseitig an. Dann entschieden sie sich, Egons Aufforderung nachzukommen. Langsam krabbelten sie aus ihrem Versteck hervor.
    „Es wird gleich ein wenig unangenehm jucken“, meinte der Magier, „aber ihr kennt das ja schon.“ Er setzte sich aufrecht in sein Bett und schloss konzentriert die Augen. Dabei führte er einige schwungvolle Handbewegungen aus.
    Kurz darauf brach Hanswalter kraftlos zusammen. Er sah gerade noch, wie neben ihm auch Artemis auf den Teppich kippte, als ihm schwarz vor Augen wurde. Dann spürte er schon das besagte Jucken über seinem ganzen Körper. Es war fürchterlich und er konnte sich in seiner Kraftlosigkeit nicht kratzen, wobei er aber auch daran zweifelte, dass es geholfen hätte. Als seine Kraft endlich wieder zurückkehrte, verschwand das Jucken.
    Sein erster Blick fiel auf seine Hände. Ja, es waren wirklich Hände. Ohne Krallen, dafür aber wieder mit anständigen Daumen. Er richtete sich auf und sah an sich herunter. Der grau schwarz gestreifte Pelz war weg. Neben ihm saß Artemis in ihrer vampirischen Gestalt. Als er sie ansah, fiel ihm auf, dass sie wie er selbst vollkommen nackt war. Sie errötete leicht.
    Auch Egon fiel das Fehlen der Kleidung auf, die sie als Katzen nicht gebraucht hatten. „Ich werde Euch etwas zum Anziehen suchen“, meinte er und ging zu seinem Kleiderschrank.
    „Wie geht es dir?“, fragte Hanswalter seine Liebste, korrigierte sich aber gleich mit einem Blick auf ihren Bauch. „Wie geht es euch?“
    „Es ist etwas kühl, Liebster, aber sonst geht es uns gut.“ Sie legte ihre Hände auf ihren Bauch und lächelte.
    „Versucht es mal hiermit“, schlug Egon vor und legte ihnen zwei grüne Roben hin. „Leider habe ich nur dieses grässliche Grün.“
    Während Artemis und Hanswalter die Roben anzogen, fuhr Egon fort: „Von Gallenstein hat mir diese Roben gegeben. Sie gehörten seinem letzten Diener, der schon vor vielen Jahren verstorben ist. Mir passen sie überhaupt nicht, aber das kümmerte ihn nicht.“
    „Ihr wart nicht immer sein Diener, nicht wahr?“, fragte Hanswalter.
    „Nein, ich bin Egon Runzelbarth, Hofmagier des Grafen von Ebersburg. Zumindest war ich das. Von Gallenstein war ein guter Freund von mir, aber dann beauftragte er einen anderen Magier damit, mich zu seinem Sklaven zu machen. Anschließend zwang er mich, diesen Magier hinterrücks in eine Kröte zu verwandeln, damit er ihn anschließend zertreten konnte. Mit dem Grafen und seiner Familie verfuhr er genauso. So riss er die Herrschaft über Ebersburg an sich. Doch das reichte ihm nicht. Er wollte das ganze Land regieren, wenn nicht sogar die ganze Welt. Seine Tat blieb den Herren der anderen Grafschaften jedoch nicht verborgen. Sie trafen Vorkehrungen, um sich gegen magische Angriffe zu schützen. Einige von ihnen drohten von Gallenstein auch mit Krieg, wenn er sich ihnen nicht freiwillig stellen würde. Er floh daraufhin aus Ebersburg und nahm mich mit. Er wollte anderenorts seine Herrschaftspläne umsetzen oder eine Möglichkeit finden, die anderen Grafen zu besiegen. Sein Weg führte uns nach Simkea.“ Er machte eine Pause. „Nun müsst Ihr mir aber erklären, wie Ihr darauf gekommen seid, dass ich unter einem Zauber stand.“
    Artemis und Hanswalter erzählten ihm die ganze Geschichte, von dem Verdacht der Nekromantin bis zu der Herkunft des magischen Wassers.
    Egon hörte interessiert zu und nickte hin und wieder anerkennend. Dann meinte er, dass es nun an der Zeit sei, von Gallenstein aufzusuchen.

    Hanswalter öffnet einen Glückskeks und liest folgenden Spruch: Wer zuletzt lacht, hat es als letzter verstanden.


    Falls jemand Langeweile hat: In Professor Blooms Bibliothek steht ein Werk in 4 Bänden zu der Vorgeschichte Hanswalters.

    Einmal editiert, zuletzt von Hanswalter ()

  • Die Herrschaft des Vampirs (Fortsetzung)


    „Meister“, wurde von Gallenstein von Egons aufgeregter Stimme geweckt, „die Vampirin und ihr menschlicher Gemahl sind hier.“
    „Waff?“ Von Gallenstein schreckte hoch. „Wo find fie?“ Ohne seine Zahnprothese war er nicht leicht zu verstehen.
    „Ich habe sie unter meinem Bett gefunden, Meister.“
    „Ich dfieh mir etwaff an. Dann bring fie dfu mir.“
    „Sie sind draußen im Flur, Meister.“
    „Ich beeile mich ja fon“, meinte er genervt, als er aufstand und sich seine rote Robe griff.
    „Meister, da wäre noch etwas.“
    „Waff denn?“
    „Ich habe sie wieder zurückverwandelt.“
    Als Artemis und Hanswalter daraufhin das Zimmer betraten, konnten sie noch von Gallensteins ungläubigen Gesichtsausdruck sehen, der direkt in Fassungslosigkeit umschlug, als er die beiden sah, wie sie auf zwei Beinen durch die Tür kamen.
    „Waff foll daff bedeuten?“, fragte von Gallenstein seinen Diener.
    „Die beiden haben mir in einer gewissen Angelegenheit von schwarzer Magie geholfen. Du weißt sicherlich wovon ich spreche, Edmund.“ Egons aufgeregter, unterwürfiger Tonfall war unvermittelt einem ruhigeren, berechnenden gewichen.
    Von Gallenstein wurde kreidebleich. Schweißtropfen traten auf seine Stirn. „Egon“, flehte er, „wir find doch Freunde...“
    „Wir waren Freunde“, korrigierte Egon und zeigte dabei drohend mit dem Finger auf ihn, „bis du mich hinterhältig mit diesem Fluch belegen lassen hast. Der mächtigste Vampir wolltest du werden und hast mich dazu benutzt, deine Ziele zu erreichen. Viele unschuldige Bürger musste ich auf deinen Befehl in Tiere verwandeln, um sie für dich aus dem Weg zu schaffen. Doch dieses Mal bist du gescheitert. Verblendet von Eitelkeit und Machtbesessenheit wolltest du nicht erkennen, dass nicht alles nach deinem Sinn läuft. Die Vampirin, die du dir gefügig machen wolltest, hatte leider kein Interesse an dir. Und ihr Gemahl, den du loswerden wolltest, war dummerweise nicht so hilflos wie du dachtest. Die beiden haben mich von dem Fluch befreit, der mich zu deinem Untertan gemacht hatte. Lange Zeit musste ich dir dienen. Ich finde, es ist nun an der Zeit, die Verhältnisse etwas neu zu ordnen.“
    „Egon, bitte...“, jammerte von Gallenstein.
    „Erinnerst du dich an meinen Goldfisch Willi, den ich hatte, bevor wir nach Simkea kamen?“, fragte Egon unbeeindruckt. „Du sagtest, ich kann ihn nicht mitnehmen, hast mich gezwungen ihn zurückzulassen.“
    Von Gallenstein sah ihn irritiert an.
    „Ich vermisse ihn ein wenig“, überlegte Egon.
    Die Augen des Vampirs weiteten sich, als der Magier daraufhin die Arme hob. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis nur noch seine Nachtwäsche auf dem Boden lag.
    Doch darunter zappelte etwas. Egon beugte sich herab und hob einen kleinen Goldfisch an der Schwanzflosse hoch.
    „Du wirst nie an Willi heranreichen, aber zumindest wirst du einen ähnlichen dekorativen Effekt auf meinen Schreibtisch haben.“ Mit diesen Worten ließ er den Fisch in das Glas auf dem Nachtisch fallen, in dem die Zahnprothese lag. Dann grinste er. „Wer hat schon einen Vampirgoldfisch, der den ganzen Tag um seine eigenen Zähne herumschwimmt? Das Glas ist etwas kleiner als Ebersburg, aber hier kannst du uneingeschränkt herrschen.“


    Artemis und Hanswalter hatten die ganze Zeit schweigsam zugesehen. Zwischen Egon und von Gallenstein schien es einigen Klärungsbedarf gegeben zu haben, sodass sie nur gestört hätten. Doch nun, da von Gallenstein in dem Glas wortlos seine Kreise schwamm, dankten die beidem dem Magier für die Rückverwandlung.
    „Das war das Mindeste, das ich tun konnte“, meinte Egon. „Ich habe vielmehr Euch zu danken. Wenn Ihr irgendwann einmal meine Dienste benötigen solltet, lasst es mich wissen.“
    Hanswalter musste bei den Gedanken grinsen, dass er nun noch einen Magier zu seinem Bekanntenkreis zählen konnte. Artemis und er verabschiedeten sich von Egon und schlugen den Weg nach Trent ein.
    Nach der langen Zeit als Kater war es für ihn ungewohnt, nun wieder auf zwei Beinen zu gehen. Auch würde es wohl noch eine Weile dauern, bis er sich das Kraulen lassen, Schnurren und niedlich Gucken abgewöhnt hatte. Obwohl... wenn er dabei so an seine Liebste dachte, waren das durchaus Dinge, die man beibehalten konnte.

    Hanswalter öffnet einen Glückskeks und liest folgenden Spruch: Wer zuletzt lacht, hat es als letzter verstanden.


    Falls jemand Langeweile hat: In Professor Blooms Bibliothek steht ein Werk in 4 Bänden zu der Vorgeschichte Hanswalters.