Der Anfang
Erschöpft aber zufrieden mit seinem Tagewerk ließ Hanswalter sich auf einer Holzbank vor der Trenter Schmiede nieder. Die gefertigten Hämmer würden sicherlich bei Alrik, dem Auktionator am Markt, den gewohnt guten Absatz finden. Inzwischen hatte Hanswalter einige Übung im Bearbeiten des simkeanischen Eisens und verdiente mit seiner Arbeit ausreichend Geld, um sich alles Lebensnotwendige kaufen zu können.
Als er damals in Simkea eingetroffen war, hatte er fast von vorne beginnen müssen, obwohl er ausgelernter Schmied war. Das Metall war viel widerspenstiger als er es gewohnt war. Schon allein der Abbau des Erzes hatte eine große Herausforderung dargestellt.
Doch so ungewohnt wie das Eisen Simkeas, waren auch seine Bewohner. Zumindest anfangs. Mittlerweile war es für Hanswalter völlig normal, am Marktplatz auf sprechende Tiere in allen Größenordnungen zu treffen. Von pelzigen Wieseln, die lautstark ihren „Dunkelbohnentrank“ - ein einheimisches Heißgetränk - anpriesen, bis hin zu bedrohlich wirkenden Drachen, die aber keiner Fliege etwas zuleide tun würden, war praktisch alles dabei. Auch Zwergen, Wassermenschen und Elfen in diversen Variationen begegnete man hier ständig.
Jedes dieser Wesen hatte eine eigene Geschichte, wie es in diese Lande gelangt war. Nicht alle von ihnen konnten sich daran erinnern. Einige wollten sie auch lieber für sich behalten. Doch was sie zu erzählen hatten, lohnte sich meistens des Zuhörens. Zwischen magischen Unfällen, missglückten Teleportationen oder auch bewussten Motiven, hörte man vor allem von der Flucht aus einer Welt Namens Noröm, die offenbar von bösen Dämonen befallen worden war.
Wenn Hanswalter wieder zuhause war, hätte er sicherlich eine Menge zu erzählen.
Zuhause. Die Uhren in Simkea gingen anders, aber wenn er die vergangenen Tage mit seinem altbekannten Zeitsystem maß - was mangels dazu geeigneter Gerätschaften eher eine Schätzung war -, musste es schon über ein Jahr her sein, dass Hanswalter seine Heimatwelt zuletzt gesehen hatte. Wie ging es wohl seinen Eltern und seinen Freunden? War es Präodor und den Erzmagiern gelungen die Servatoren zu befreien? Lebten sie überhaupt noch? Falls jemand versucht haben sollte, Hanswalter zu folgen, war er mit recht hoher Wahrscheinlichkeit ertrunken. Obwohl, wenn jemand mit plötzlich auftretenden Wassermassen fertig wurde, dann doch am ehesten die beiden Magier.
Dennoch, keiner von ihnen war hier erschienen. Vielleicht dachten sie auch ihrerseits, dass Hanswalter ertrunken sei. Tatsächlich hatte er nur durch seine Kondition, eine Menge Glück und den Geistesblitz, die Luft anzuhalten, überlebt. Nach diesem unfreiwilligen Tauchgang war er auf einem kleinen Fleckchen Land gestrandet, das sich, wie er anschließend erfahren hatte, Portalinsel nannte.
Hanswalter erinnerte sich noch gut an seine ersten Tage in Simkea, jene Zeit nach seiner letzten weltenübergreifenden Teleportation, die sein Leben maßgeblich verändert hatte.
Er kam sich schon ein wenig blöd vor, als er dem Drang nachgab, diese merkwürdige Statue anzusprechen, die so einsam auf dem großen leeren Platz stand und ihn geradezu zu einem Gespräch herauszufordern schien. Er hatte nur ein paar Stunden geschlafen und irgendwie schien ihm diese Begegnung wie ein Traum. Noch immer hingen Müdigkeit und Erschöpfung schwer an seinen Gliedern. Doch sein Verstand sagte ihm, dass dies alles real war.
Obwohl er es geahnt hatte, dass die Statue antworten würde, machte Hanswalter einen erschrockenen Schritt zurück, als sie es tatsächlich tat. Schnell jedoch stellte er fest, dass diese Steinfigur - oder was für ein Material das auch immer war - ihm nichts Böses wollte. Sie zeigte sich viel eher hilfsbereit und bot dem Neuling an, ihm eine Kurzeinweisung in die Eigenarten dieser Welt zu geben. Etwas misstrauisch stimmte Hanswalter zu.
Die Einweisung bestand zum größten Teil darin, eine gewisse Anzahl kleinerer Aufgaben zu erledigen. Hanswalter bemühte sich, sie alle zur Zufriedenheit der Figur zu erledigen. Scheinbar mit Erfolg, denn am Ende wurde er mit einem merkwürdigen Zahlungsmittel entlohnt, dass ihm später noch von großem Nutzen war. Ebenfalls zeigte ihm die Statue, wie er diese kleine Insel verlassen konnte. Ein magisches Portal brachte den gestrandeten Schmied dann in das Trenter Umland.
Dort wurde er gleich von einem freundlichen Mann in kariertem Hemd erwartet, der ihn zu dem Rathaus der Stadt Trent schickte, wo man sich als Bürger Simkeas eintragen lassen müsse.
So machte Hanswalter sich auf den Weg in die besagte Stadt. Als er die Tore passierte, traf er auf eine riesige, aber relativ dünn bebaute Fläche. Es gab ganze Abschnitte, auf denen kein einziges Gebäude stand. Dafür gab es aber einen recht stattlichen Park direkt im Zentrum. Das Rathaus befand sich auf der anderen Seite dieser Grünfläche.
Es dauerte nicht lang, bis Hanswalter darin die für das Bürgerbuch zuständige junge Dame fand. Außer ihr befand sich dort nur ein älterer Herr - wohl ein Gelehrter -, der zwischen den Regalen der Stadtbibliothek umherlief. Er schien irgendetwas zu suchen.