Im Zwielicht

  • Wieder zu Bewusstsein gelangte ich auf einer Insel. Nicht direkt am Ufer, sondern bereits ein wenig landeinwärts, wohin mich die Wellen geworfen hatten. Als ich den Kopf hob, erblickte ich Säulen, eine gepflasterte Straße und eine Struktur, die wie eine Ruinenstadt wirkte.
    Noch bevor ich mich aufrappeln konnte, sprach mich jemand an: "Du denkst daran, welche Schätze hier wohl versteckt sein mögen!"
    Es lag kein Vorwurf in der Stimme, eher ein wenig Amüsement und viel Verständnis. Zuerst erschrak ich, doch als ich bemerkte, dass es eine Steinstatue war, die mich angesprochen hatte, machte ich mir keine größeren Sorgen mehr. Die würde mir sicher nicht meine Beute streitig machen, dachte ich bei mir. Statuen sind ziemlich standorttreu und kommen nicht viel rum.
    Etwas bleicher wurde ich, als sich die Statue als der Wächter vorstellte und mich mehr oder weniger zu seinem Gefangenen erklärte. Irgendwie diente diese Insel als Portal zwischen verschiedenen Welten und jemand wie ich dürfte gar nicht hier sein, weil es dem Bösen unmöglich war, die Portalinsel zu betreten. Da ich aber den Weg hergefunden hatte, so schlussfolgerte der Wächter, gab es noch Hoffnung für mich.
    In den nächsten Stunden sollte ich meinen guten Willen demonstrieren und allerlei Zwangsarbeit für die Statue verrichten. Aus der Traum von der Schatzsuche! Ich befolgte gehorsam jede Anweisung, aber ich muss sagen, ich merkte mir nur wenig von dem, was ich lernen sollte. Nur als mir aufgetragen wurde, Erzklumpen zu sammeln, empfand ich eine unschuldige Freude, die ich bis dahin nicht gekannt hatte.
    Bei jeder Aufgabe hoffte ich, es sei die letzte und ich dürfte zu meiner Familie zurückkehren. Nachdem alles zur Zufriedenheit des Wächters getan war, stand ich erwartungsvoll vor seinem Standbild. "Du weißt, dass ich dich nicht gehen lassen kann", dröhnte es. "Denn dann würde das Böse von dieser Insel erfahren."
    Zu meiner eigenen Überraschung nickte ich. Irgendwie war mir das von Anfang an klar gewesen. Selbst wenn ich ein Schweigegelübde bei meinen Ahnen abgelegt hätte, das Böse hätte einen Weg gefunden, die Information aus mir herauszubekommen.
    "Dennoch wirst du nicht die Ewigkeit hier verbringen müssen", wurde mir mitgeteilt. "Es gibt einen Weg von der Insel..."
    "Durch das Portal in die andere Welt, mit der es Noröm verbindet", begriff ich.
    "Richtig."
    Ich hätte nun eigentlich schockiert sein müssen, doch dem war nicht so. Die auf der Insel verbrachte Zeit hatte mich verändert. Ich spürte die Reinheit des Ortes, die in so starkem Gegensatz zu meiner alten Heimat stand. Der Gedanke, zur elterlichen Burg zurückzukehren, stieß mich nun ab. Ja, ich wollte die Welt hinter dem Portal kennenlernen.
    Der Wächter teilte mir mit, dass er mir alles Notwendige beigebracht hatte, um in dieser neuen Welt zu überleben. Er schenkte mir sogar etwas Nahrung, Kleidung und drei Münzen, die wohl wertvoller sein sollten, als sie aussahen. Ich grinste mir eins, denn ich hatte heimlich von allem, was ich hatte herstellen sollen, noch ein zusätzliches Exemplar gefertigt. So würde ich etwas besser vorbereitet in diesem Simkea auftauchen... glaubte ich jedenfalls.
    Kaum auf der anderen Seite des Portals angelangt, musste ich feststellen, dass man den Wächter nicht betrügen kann oder sollte. Alles, was ich mir erschlichen hatte, war auf der Portalinsel zurückgeblieben.
    Und mit den Gegenständen - meine Vergangenheit. Ein neues Leben wartete auf mich!

  • Ich bin dann nach Süden gewandert, wie durch eine Fügung des Schicksal genau auf eine große Stadt zu. Oder auch nur auf eine kleine. Wie hätte ich das einschätzen können, als der Ritterbub, der ich war? Oder auch Burgfräulein, je nachdem, wie man das sehen wollte. Ich sollte hier wohl kurz erwähnen, dass mein Volk von den Engeln abstammt, die bekanntermaßen geschlechtslos sind. Aber da wir Teil der Welt geworden sind, sind wir Mann und Frau gleichzeitig und wer ein Kind zeugt, der wird gleichzeitig Mutter des Kindes seines Partners. Deswegen ist mein Vater die Mutter meines Zwillings, aber genug davon.


    Da stand ich nun in Trent und wollte nur eins: schnell wieder raus! Dabei war die Stadt damals noch gar nicht so überfüllt mit anonymen Bürgern, sondern noch im Aufbau begriffen.
    Doch der Wald, durch den ich gewandert war, hatte es mir mehr angetan. Die Bäume standen stellenweise recht dicht, doch war es nie so finster wie in Noröm. Irgendwo fiel immer ein Sonnenstrahl durch die Wipfel und erhellte nicht nur die Umgebung, sondern wärmte den Leib in einer Weise, wie es die Kunstsonne der Urkharts nie vermocht hatte.
    Ich wollte zurück in die Natur! Immerhin war ich doch ein versierter Angler und würde schon irgendwie über die Runden kommen.
    Daher stattete ich mich von meinen Blechmünzen mit einer brandneuen Anglerausrüstung aus: Angel, Schaufel und Bratpfanne. Von einer Einheimischen erfuhr ich, wo man Regenwürmer als Köder ausgraben konnte und in meinem jugendlichen Übermut versprach ich, ihr welche mitzubringen. Mittlerweile war es spät geworden und die Nacht beinahe schon hereingebrochen, doch ich wollte unbedingt heute noch einen Fisch fangen!
    So stapfte ich denn frohgemut los. Und weiter. Und noch noch ein Stück. Und wieder zurück. Verflixt noch mal! Ich war mir so sicher, mich am richtigen Ort zu befinden - nur, wo war dieser vermaledeite Sumpf?!
    Bevor ich realisieren konnte, dass man Koordinaten aus dem Dämmerwald definitiv NICHT im Trenter Umland finden kann, sackte ich auch schon vor Erschöpfung zusammen. Die an die Oberfläche dringenden Wurzeln eines hohen Baumes dienten mir als Bettkasten, Blattwerk als Matratze und meine Hoffnung als wärmende Decke. Noch nie zuvor in meinem Leben hatte ich derartig gut geschlafen!

  • Ich erwachte in meiner eigentlichen Heimat: der Wildnis. Erfrischter als nach einer Nacht in meinem Bett in der elterlichen Burg zog ich erneut los, diesmal um einiges aufmerksamer. So gelang es mir dann auch, eine Handvoll Regenwürmer auszubuddeln, den Weg zurück zur Stadt zu finden, weiter zum Strand zu wandern und ein paar Fische aus dem Wasser zu ziehen. Gestern war mir gar nicht aufgefallen, wie nahe Trent eigentlich am Meer liegt!
    Mit meinem schuppigen, glitschigen Fang in einem Eimer stolzierte ich durch das Stadttor. Auf dem Markt brannte ein Feuer. Bereits am Vortag ich beobachtet, wie Trenter Bürger sich hier in aller Öffentlichkeit ihre Mahlzeiten zubereiteten. Scheu näherte ich mich ebenfalls dem Feuer und packte meine Pfanne aus. Dann legte ich den ersten Fisch hinein - und wunderte mich, wieso nichts passierte.
    Den Fisch in der einen Hand, die Pfanne in der anderen und zu meinen Füßen das Feuer wollte es mir einfach nicht gelingen, meinen Fang zu braten. Irgendetwas lief hier gehörig falsch! Fisch plus Pfanne ergab doch immer eine leckere Mahlzeit!
    Ihr müsst wissen, dass ich damals ein verwöhnter Junge war, der es gewohnt war, bei den Mahlzeiten bedient zu werden. Wo in unserer Burg sich die Küche befand, wusste ich nicht einmal, geschweige denn, was dort genau getan wurde.
    Verzweifelt wandte ich mich an die Menge und schilderte mein Dilemma in etwa so: "Hallo? Kann mir jemand helfen? Ich kriege den Fisch nicht in die Pfanne!"
    Eine Frau, teils Fee und teils Mensch, hörte mich und fragte, was ich denn schon mit dem Fisch gemacht hätte. Natürlich hatte ich gar nichts getan, wie denn auch, er war ja noch nicht gar.
    Der tote Fisch lag auf der Bratpfanne, Kopf und Schwanz hingen zu beiden Seiten hinunter und das Ganze tropfte auf meine Schuhspitzen.
    Geduldig setzte mir die Fee, es handelte sich natürlich um Flummii, die hilfreiche Seele in Trent, auseinander, dass man seinen Fang eigentlich erst abschuppt, ausnimmt und in Filets zerschneidet, bevor man versucht, ihn zu braten. Eine völlig neue Welt tat sich vor mir auf!
    Ich begriff, dass Angel, Pfanne und Schaufel eben nicht genügten, um an ein Essen zu kommen. Mindestens ein Werkzeug fehlte mir noch und es hieß definitiv nicht "Küchensklave"...

  • Ein wenig Kramen in meinen Taschen förderte genug Geld zutage, um zusätzlich ein Messer zu erwerben. Das war das erste Mal, dass ich das Auktionshaus betrat und ich verlies es so schnell wie möglich wieder. Zum einen wartete die Fee auf mich und zum anderen wirkte das riesige Gebäude mit all seinen laufenden und angekündigten Versteigerungen doch recht einschüchternd auf einen Jungen, der auf einer einsamen Burg aufgewachsen war.
    Zurück auf dem Markt schnetzelte ich an dem Fisch herum, bis ich es geschafft hatte, aus dem großen Tier zumindest ein rohes Steak herauszuschneiden. Das meiste verwandelte sich in Fischabfälle, die ich aufbewahrte, weil man darauf ein sättigendes Süppchen kochen konnte, wie mir gesagt wurde.
    Aber nun! Fischsteak, Feuer, Pfanne - Herz, was willst du mehr?
    Ob ich schon Feuer gemacht hätte, erkundigte sich Flummii ganz harmlos. Ich erwiderte, dass da schon eins brenne. Ehe ich es mich versah, hatte sie mir auch schon einen Feuerstein in die Hand gedrückt. Ein paar Scheite folgten. Das Feuerholz im Arm erklärte ich, dass ich hungrig sei und lieber erstmal Kochen lernen würde, doch die Fee blieb unerbittlich. Sie würde mir jetzt zeigen, wie man Feuer macht. Dabei hatte ich doch solchen Hunger und schlotterte in den ungewohnten lumpigen Kleidungsstücken von der Portalinsel, die bereits deutlich mitgenommen waren! Dennoch hieß es jetzt Feuer anzünden.
    So lernte ich, dass Feuermachen eine wichtige Sache in Simkea ist und wenn ich mich in Zukunft auch bisweilen an herrenlosen Feuern "bediente", so achtete ich doch darauf, stets eins für den nächsten Benutzer der Feuerstelle zu hinterlassen.
    Gern hätte ich mich bei Flummii für die Hilfe revanchiert, doch war es Neubürgern wie mir noch verboten, direkten Handel zu treiben. So richtig trauten mir die Trenter Kaufleute scheinbar noch nicht. Erst am darauffolgenden Tag konnte ich meiner Lehrerin zwei frisch gebratene Fischsteaks in die Hand drücken. Mein eigener Vorrat bestand aus (glaube ich) fünf saftigen gegarten Filets und erschien mir damals riesig.

  • Nachdem ich nun wusste, wie ich mich ernähren konnte, wurde ich kühner. Ich nahm mir vor, das Adoragebirge aufzusuchen, dessen Gipfel man von der Stadt aus sehen konnte. Irgendwie wusste ich, dass die Angelei nie meine Berufung sein würde. Außerdem, und das hätte mich beinahe meinen Seelenfrieden gekostet, reifte in mir das Bewusstsein meiner Schuld heran. Nicht, dass es zur Oberfläche meines Bewusstseins gedrungen wäre, nein, bis dahin sollte noch einige Zeit vergehen. Aber ich hatte nun begriffen, wie falsch unsere Lebensweise in Noröm war. Mich hatte der Wächter gerettet, nun wollte ich meine Familie ebenfalls retten. Was brauchte man schon dazu? Nichts weiter als ein wenig Erz, das zu Waffen geschmiedet wurde, die in den Händen einer Streitmacht meine frühere Heimat und alls, die dort noch ausharren mussten, vom Bösen befreien würde!
    Ja, so dachte ich mir das damals, und deshalb zog ich entschlossen mit einer Spitzhacke über der Schulter ins Gebirge, um mich als Bergknappe zu verdingen.
    Was wusste ich schon davon, dass es in Simkea gar keine Waffenschmiede gab? Es wurden keine benötigt, denn diese Welt war eine friedliche.
    Und Noröm befand sich unter einem zu mächtigen Bann, als dass ein paar schwertschwingende Abenteurer etwas gegen diese Macht hätten ausrichten können.
    Dennoch war meine Reise nicht umsonst, zeigte sie mir doch, wo meine wahren Talente lagen. Nach und nach wurde ein passabler Bergmann aus dem verwöhnten Burgfräulein.


    Aber dann kamen die Monster... sie erschienen beinahe über Nacht. Oder vielleicht waren sie schon immer da gewesen, und hatten sich in jüngster Zeit einfach nur explosionsartig vermehrt.
    Zuerst wurde nur wenigen Simkeaner erlaubt, sich dieser neuen Bedrohung zu stellen. Wer noch etwas von der Kampfkunst, der Waffen- und Rüstungsfertigung verstand, warf sein Wissen in die Wagschale und schon bald konnten diese ersten Pioniere ihre Erfahrung an Neulinge weitergeben.
    Ich zählte zu den wenigen, die es begrüßten, sich zu bewaffnen und ihr Leben riskieren zu "dürfen". War ich innerlich bereit dazu? Wer weiß. Es gab noch so vieles, das Alltagsleben in Simkea betreffend, das ich zu lernen hatte. Aber es hat sich nun einmal so ergeben, dass ich das Kämpfen vor dem Saftpressen und dem Rufen der Kellnerin in der Kneipe erlernte.
    Ich trat der Trenter Bürgerwehr (OOC: dies wohl nur in dieser Story gibt ;) ) bei, wo uns der Kriegserveteran Camulos von Noröm allerlei Waffentricks, aber auch viel Weisheit beibrachte. Von meiner Familie getrennt, sah ich bald so etwas wie einen Ersatzvater in dem Menschenkrieger.

  • Und dann passierte die Sache mit dem Schützenfest. Allerorten waren die Ankündigungen zu lesen. Gegen eine kleine Gebühr durfte sich jeder beteiligen und natürlich waren auch Spenden gern gesehen. Ich befand mich damals noch weit entfernt davon, etwas beizutragen, aber die Teilnahmegebühr konnte ich mit einiger Mühe zusammenkratzen.
    So stand ich dann am Tag des Wettkampfes in der Menge und obwohl ich keine engen Freunde hatte, fühlte ich mich irgendwie, als würde ich dazugehören. Bereits am Vortag hatten mich völlig fremde Simkeaner einfach so mit einem Jagdbogen an der Schießscheibe üben lassen und die Atmosphäre im Land war so freundlich, dass ich mich, obwohl ich der einzige meiner Art hier war, nicht fehl am Platz fühlte.
    Mein Kurzbogen würde an diesem Tag nicht benötigt. Ich verstaute ihn sorgfältig, wobei ich zufrieden lächelte. Das Schützenfest war ein Freibrief zum Danebenschießen. Natürlich wollte ich das nicht, hoffte im Gegenteil auf einen guten Rang, aber wenn der nicht drin war, wäre es auch nicht so schlimm. Für einen Abend blieb die Verantwortung draußen vor der Tür. Schießt der Jäger vorbei, gibt es weder Nahrung noch Kleidung oder Knochenwerkzeuge. Trifft der Monsterjäger sein Ziel nicht, stürzt sich die entkommene Bestie vielleicht auf die nächstbesten spielenden Kinder.
    Es herrschte im Alltag stets ein Erfolgsdruck, der bei einem friedlichen Spiel nicht vorhanden sein würde.
    Ich gab also mein Bestes, in dem sicheren Wissen, dass ich gar nicht versagen konnte, selbst, wenn ich Letzter würde.
    Am Ende der ersten Runde befand ich mich auf dem dritten Rang. Ha! Ich fühlte mich nicht nur sicher, sondern auch überlegen. Meine Konzentration lies nach, ich machte Fehler und am Ende landete ich irgendwo im Mittelfeld.
    Und soll ich euch etwas verraten? All die klugen, ach so überlegenen Worte darüber, dass es ja nichts ausmache, die schreibt man eben so. Etwas, vielleicht unser Kopf oder die Seele, weiß, dass sie wahr sind. Naja, aber der Rest von uns, der könnte sich trotzdem vor Ärger in den Hintern beißen!


    OOC: Nach dem Schützenfest kommt Halloween. Das Halloween rp findet ihr hier: Die Nacht der Geister und schaut euch bei dieser Gelegenheit auch gleich Hanswalters andere Stories an, falls ihr die noch nicht kennen solltet!

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    2 Mal editiert, zuletzt von Isimud ()

  • Zurück in der Gegenwart.
    An einer Imbissbude auf dem Markt von Trent.


    Obwohl es noch nicht ganz die Jahreszeit dafür war, hatte sich Isimud einen Becher heißen Kakao bestellt. Besonders in den Morgenstunden konnte es bereits empfindlich kühl werden und oftmals wehte ein schneidender Wind, den man sonst nur aus den Bergen kannte. Doch wo der Bergmann im Gebirge einfach seinen Fellmantel enger um den Körper gezogen hätte und ungerührt weiter gewandert wäre, empfand er denselben Wind in der Stadt als unangenehm.
    "Ja, so war das also", beendete Isimud gerade seine Erzählung über sein jüngstes Abenteuer in den Ruinen an den Krieger Camulos. "Von Okro dem Wilden war nichts mehr zu sehen und wir gingen unserer Wege."
    Camulos nahm den Bericht mit stoischer Gelassenheit hin. Vermutlich hatte er ihn bereits aus dem Mund des restlichen Abenteurer gehört, die der Gruppe angehört hatten.
    "Für einen Boss war der Wilde allerdings ziemlich geizig", meinte Isimud salopp. "Viele Schätze hatte er nicht gehortet."
    "Boss?"
    "Naja, im Sinne von Anführer." Isimud zuckte die Schultern. Er wusste, wie sensibel der durchschnittliche Simkeaner bisweilen auf den Gebrauch von Kämpferslang reagierte. Als Bergmann hatte man es einfacher. Niemand nahm Anstoß an Fachbegriffen wie "Schlagwetter" und so mancher wusste, was "Schicht im Schacht" bedeutete und benutzte die Phrase im Alltag, ohne selbst Erzgräber zu sein. Kämpfer hatten es schwerer, Anerkennung zu finden. Nach den traumatischen Erfahrungen, die viele Simkeaner in Noröm hatten durchleiden müssen, war das allerdings auch niemand zu verdenken.
    "Okro ist kein Boss, nur ein besonders starkes Monster", stellte Camulos klar. "Das bedeutet, er führt die Unwesen, die in den Ruinen hausen, nicht an." Der Krieger besann sich kurz, dann präzisierte er: "Oh, er würde es wohl gern, aber seine Allianzen zerbrechen so schnell wieder, wie sie entstehen."
    "Und nach unserem kleinen Ausflug neulich", grinste Isimud, "wird sich schnell niemand mehr unter das Banner dieses "Verlierers" stellen."
    "Ja, das habt ihr gut gemacht. Simkea wurde wertvolle Zeit erkauft."
    Isimud stutzte. Mittlerweile hatte er gelernt, Untertöne leidlich zu verstehen, wenn auch nur von Personen, die er gut kannte. Camulos schien Befürchtungen zu hegen, die er noch nicht aussprechen wollte.
    "Du befürchtest doch nicht etwa, dass durch Okros Vertreibung ein Machtvakuum entstanden ist, das andere Critter, ähem, Fieslinge zu füllen versuchen werden?" fragte der Bergmann/Monsterjäger.
    "Ich befürchte", erwiderte Camulos, "dass unser wachsender Reichtum noch mächtigere Monster anlockt. Früher oder später werden wir uns mit ihnen auseinandersetzen müssen. Und dann wirst du Okro nicht mehr 'Boss' nennen, sondern Wesen wie er werden dein täglich Brot darstellen."
    Isimud lies seinen Becher so hart auf den Tisch krachen, dass ein Teil der Keramik absprang. Das soeben noch orangefarbene Gefäß glänzte nun matt rot im Licht der Laternen, mit denen der Budenbetreiber die Stehtische erleuchtete.
    Ein leiser Fluch auf Goblinisch entwich Isimuds Lippen. Camulos musste unwillkürlich schmunzeln, denn ins Simkeanische übersetzt hatte sein junger Freund gerade "Meine Beute verschenken!" gesagt, was in der Goblinkultur, in der sich jeder selbst der nächste war, nichts Erstrebenswertes darstellte.
    "Das ist falsch! Grundfalsch! Hat mir der Wächter vielleicht eine Lüge aufgetischt, als er sagte, das Böse könne Simkea nicht erreichen?"
    Zum ersten Mal seit langer Zeit nahm der Kämpfer das Gewicht seiner leichten Lederrrüstung, die er in der Stadt trug, wieder bewusst wahr. Ja, er hatte diesen Lebensweg gewählt, aber sich vorzustellen, eines Tages Hannah, Jascha, Kyria oder seinen eigenen Kindern beibringen zu müssen, wie man ein Schwert führte, erzeugte ein ungutes Gefühl im Magen...
    Der Kämpfer senkte seinen Blick. Vielleicht hätte er das besser nicht getan, denn zu seinen Füßen, zwischen der Bude und dem Tisch, gewahrte er einen toten Sperling. Eine Katze oder große Ratte hatte dem Vogel den Kopf abgebissen und den weniger leckeren Körper liegen lassen. Isimud zuckte zusammen.
    Er verabschiedete sich dann sehr schnell, beinahe unhöflich, von Camulos und machte, dass er nach Hause kam.


    Aus Isimud Urkharts Aufzeichnungen: (ein von schweissnassen Händen mehrfach zerknüllter und wieder aufgefalteter Zettel)


    Vor ein oder zwei Jahren, habe ich einmal geschrieben, dass es gar keine Monster gäbe. Weil sie alle nur besonders starke Raubtiere seien, in deren Beuteschema wir passen. Sie fressen uns nicht, weil sie Spaß daran hätten, sondern weil es ihre angeborene Überlebensstrategie ist und sie für ihre Brut sorgen müssen. Seeschlangen zum Beispiel sind nicht böse - aber sie werden es, wenn man sie nicht in Ruhe lässt.
    Das versetzt mich eine schwierige Lage, wenn man genauer darüber nachdenkt. Wie entscheide ich denn, wann ich mich dazwischenstürze, wenn ein Raubtier seine Beute schlägt? Mit welchem Recht rette ich ein Menschenkind vor einem Ameisensoldaten, aber nicht das Wildschweinferkel, das sich das Ameisenvieh als Ersatz schnappt? Oder besagtes Ferkel vor einem Jäger? Die Kartoffel vor dem Wilschwein vielleicht?
    Kein Leben ist mehr wert als ein anderes, auch nicht das eigene. Macht sich also jeder schuldig, sobald er erstmalig etwas anderes als Muttermilch zu sich nimmt? Und ist das mein Engelsblut, welches diese Flut von Gedanken auslöst, der ich nicht Herr werden kann, oder macht das jeder Berufssoldat an einem Punkt seiner Karriere durch?!
    Ich glaube, ich werde meine Waffen für einige Zeit ruhen lassen und zum Steinbruch wandern. Wenn mir das schon keine Eingebung verschafft, bringt es mich doch wenigstens auf andere Gedanken... hoffe ich jedenfalls.

  • Isimuds Reise zum Steinbruch und zurück verlief erstaunlich friedlich, ja belanglos. Die rastlosen Gedanken kamen ein wenig zur Ruhe und schon bald hatte sich wieder die tägliche Routine eingestellt.
    Wenige Tage später durchstreifte der Kämpfer den Dämmerwald. Nur selten einmal begegnete Isimud einer anderen lebendigen Seele, was bei der Größe und Dichte dieses Waldes aber auch nicht weiter verwunderlich sein durfte. Manchmal sties Isimud auf Wildfährten, dann wieder verriet ein halb abgeernteter Busch, dass hier Simkeaner ihrem Tagwerk nachgegangen waren. Und dann wiederum zeigte ein penetranter Geruch die Anwesenheit eines Goblinkriegers an.
    In der Regel musste man Goblins nicht aufspüren oder herausfordern, das taten sie ganz von selbst. So auch an diesem Tag wieder.
    "Was haben wir denn da? Ein kleines Mädchen mit einem Zepter!" höhnte ein Goblin. "Spielt es Prinzessin Lilienfee?"
    Das Monster leckte sich anzüglich über die Lippen.
    Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte sich Isimud nur allzuleicht provozieren lassen. Doch diesmal blieb er völlig ruhig. Sein Gegner stand noch in einigem Abstand von ihm. Der Kämpfer hob sein "Zepter", bei dem es sich um einen Eiszauberstab handelte. Er legte an und feuerte einen eisigen Strahl ab, der den Goblin straucheln lies.
    "Bloß gut, dass diese Kerle Zauberer gewohnheitsmäßig unterschätzen", dachte Isimud. Sein zweiter Eisstrahl ging weit daneben, was seinem Gegner die Möglichkeit gab, in Nahkampfreichweite zu gelangen. Wann immer das geschah, musste Isimud seinen Zauberstab als Keule missbrauchen, doch dem Sprössling einer Kriegerin und eines Magiers waren beide Kampfstile gleichermaßen vertraut (Böse Zungen hätten behauptet, er beherrschte keinen von beiden richtig...). Isimud holte aus, schlug zu - und das war es auch schon. Sein Gegner ging zu Boden.
    "Das war zu einfach", murmelte der Kämpfer, als er sich über den toten Goblin beugte. Und siehe da: es stellte sich heraus, dass das Monster bereits vor dem Kampf gegen Isimud eine Wunde empfangen hatte. Wer immer sie ihm zugefügt hatte, befand sich möglicherweise noch in der Nähe.
    Mit äußerster Vorsicht drehte Isimud eine Runde um den Kampfplatz. Das letzte, was er gebrauchen konnte, war, schon wieder in einen Stammeskrieg der Grünen hineinzugeraten. Doch jegliche in diese Richtung weisende Befürchtung erwies sich als unbegründet. Die Wahrheit war um einiges schlimmer, denn zwischen den Büschen fand Isimud das zierliche Sklelett einer Frau. Der Wind wehte bereits Blätter über die Tote. Das fröhlich tanzende rot-gelbe Herbstlaub erinnerte Isimud an ein Feuer. Er beugte sich zu der Toten herab, doch vermochte er sie nicht zu berühren. Es war, als existiere das Gerippe nicht.
    Was sehr wohl noch existierte und von den Gräultaten zeugte, die sich hier abgespielt hatten, war das erkaltete Lagerfeuer der Goblinmarodeure. Ein kürzlich erst benutzer Bratspieß stakte aus dem Boden und nun begriff Isimud, weshalb die Tote so kurz nach ihrem Kampf gegen den Goblin bereits skelettiert war. Oder besser: sauber abgenagt...
    Hätte es einen Zauber gegeben, der düstere Erinnerungen aus dem Gedächtnis löschte, aber man dürfte in seinem ganzen Leben nur eine einzige wählen, dies wäre die eine gewesen!


    Zurück in Trent frohlockte der Kämpfer trotz seines schaurigen Erlebnisses, denn kaum hatte er das Stadttor durchschritten, drückte ihm auch schon ein Kind einen Brief in die Hand. Das Siegel auf dem Umschlag gehörte Camulos von Noröm und der Krieger teilte seinem Schüler mit, dass er ihn im Monument zu sehen wünsche. Das konnte nur eines bedeuten: Isimud war in den Augen des Älteren endlich bereit, den Umgang mit einem richtigen Schwert zu erlernen.
    Bis zum Treffen mit dem Waffenmeister war noch einige Zeit herumzubringen. Isimud schlenderte über den Markt, sah sich um... und erstarrte beinahe! Bereits am Lagerhaus war ihm eine Waldelbin aufgefallen, die nun erneut seinen Pfad querte. Der Kämpfer starrte. Und starrte. Und starrte. Er hörte gar nicht mehr auf damit und als er es schließlich doch schaffte, tja, da fing er sofort wieder von Neuem mit dem Starren an. Nun ist eine solche Reaktion nicht ungewöhnlich, wenn junge Männer einer hübschen Elbin begegnen, doch in diesem Fall stand alles andere Begehren dahinter.
    Die Elfin wies eine Aura auf, die Isimud aus dem Labor seines Vaters nur allzugut kannte. Der Hauch des Todes umgab sie!
    Nur wenige Trenter Bürger wagten es überhaupt, sich in ihrer Nähe aufzuhalten. Es war nicht so, dass sich ein Mob bildete, die Marktbesucher wichen der Elfe einfach nur aus.
    Isimud erinnerte sich nun auch wieder an ihren Namen: Ava Dove. Sie lebte im Einklang mit der Natur und hätte sich nie der Nekromantie hingegeben.
    Aber das Skelett im Wald war ebenfalls elbischer Natur gewesen - konnte da eine Verbindung bestehen?
    In Isimud arbeitete es. Zu gern hätte er Ava angesprochen, nur, was hätte er ihr sagen könnnen? Vielleicht "Entschuldige bitte, aber du siehst einem Skelett ähnlich, das ich heute im Dämmerwald gesehen habe. Bist du möglicherweise ein bißchen untot?"? Nein, lieber nicht. Nach so einer Aussage in aller Öffentlichkeit wäre es Essig mit dem Schwertkampfunterricht. Damit verdiente man lediglich so ein weißes Jäckchen, das hinten zugebunden wurde...
    Aus den Augenwinkeln beobachtete Isimud, wie ein beherzter Jüngling auf die Elbin zutrat und einen Heiltrank von seinem Gürtel löste. Diese Phiole reichte er zaghaft der Elfe. Ava lächelte schwach, wie sie überhaupt nur sehr wacklig auf ihren Beinen stand. Sie wirkte ganz und gar nicht untot, eher wie jemand, der nach langer Zeit vom Krankenlager aufstehen durfte und erst wieder lernen musste, seine Muskeln zu benutzen.
    Die Elfe bedankte sich bei dem Spender des Tranks und Isimud zuckte zusammen. War das nicht das Natürlichste auf der Welt? Jemand, der litt, Hilfe anzubieten, anstatt über das Wieso, Weshalb, Warum nachzugrübeln?
    Einen schönen "Engel" gab er da ab... Mit gesenktem Kopf schlich der Kämpfer vom Markt.

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    Einmal editiert, zuletzt von Isimud () aus folgendem Grund: Mehr Details vom Markt eingebaut, Vielen Dank dafür an Ava Dove!

  • Ich wollte darüber schreiben, wie ich mit Camulos Schertkampf trainierte. Wie ich mich darauf gefreut hatte. Bereits auf Gargantua Island habe ich ja mit einem leichten Schwert gegen Saurier gefochten, doch ein Langschwert, das ist eine ganz andere Klasse!
    Und über dieses Dilemma, wie man alle gleich lieben soll, weil es sich manchmal so anfühlt, als liebte man niemand.
    Naja, aber all das verkam im Zuge der jüngsten Ereignisse zu Nichtigkeiten, so dass ich mich heute lieber an jemand ganz Speziellen wenden möchte:


    An Emeline: "WENN ICH ALS KIND SO NACHLÄSSIG MIT MEINEM ZEUGS UMGEGANGEN WÄRE, DANN WÄRE MIR ABER EIN SATZ HEISSER OHREN SICHER GEWESEN!"


    An alle Eltern unter uns: "ACHTET VERDAMMICH NOCHMAL DARAUF, WAS EURE KINDER LESEN!"


    Und an den kopflosen Reiter: "BLEIBST DU WOHL STEHEN! NUR WEIL DU KOPFLOS BIST BEDEUTET DAS NOCH LANGE NICHT, DASS DU HIER KOPFLOS UMHERBRAUSEN KANNST!!!" (Oder, öhm, vielleicht doch?)


    Euer Isi


    OOC: Oje, das versteht man im Nachinein wohl nicht mehr, wenn man damals das Halloween Event nicht gespielt hat :(

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    Einmal editiert, zuletzt von Isimud ()

  • Da hatte Isimud nun Schwert und langes Kettenhemd gemeistert, doch als er nach Halloween wieder ins Adoregebirge aufbrach, lies er beides in seinem Haus zurück. Denn im Gebirge war verstärkt mit Bösen Schneebällen zu rechnen und im Kampf gegen diese bevorzugte der Monsterjäger den Bogen. Sollte doch einmal einer nah an ihn heran kommen, so würde er sich an einem Küraß eher die Zähne ausbeißen als einem Kettenhemd, durch das das Wesen einfach durchsiffen konnte. Klatschnass wäre das Opfer dann einer Erkältung oder gar Lungenentzündung ausgeliefert.
    Nein, Schneebällen trat am am wirklich am besten mit "minderwertigen" Waffen entgegen. Am allerbesten trat man ihnen natürlich überhaupt nicht entgegen, sondern suchte das Weite...
    Darauf zu hoffen, keinen zahnbewehrten nasskalten Fusseln auf dem Weg zur Kupfermine zu begegnen, zeugte von Vernunft, darauf zu bauen vom Gegenteil.
    So überraschte es Isimud nicht weiter, als er am dritten Tag seiner Arbeit im Bergwerk den Schrei "Schneeball! Schneeball!" hörte. Wie stets in einem solchen Fall rannten die Bergleute ins Innere und begannen den Mund des Stollens zu verbarrikadieren, während Isimud sich seinen Plattenpanzer umschnallte.
    Er zurrte die Gurte fest, hakte eine neue Sehne in seinen Bogen ein und eilte unter den "Zeigs ihnen, Mädel! Das schaffst du!" - Rufen der anderen Bergleute nach draußen.
    Und da kamen sie auch schon, die eigentlichen Herren dieser Bergwelt, die "Bösen Schneebälle" genannten, Wasserelementaren ähnelnden Monster.
    Welcher Narr ging auch um diese Jahreszeit noch Kupfer schlagen! Der Winter hielt das Adoragebirge bereits in seinen Klauen, so dass man glauben konnte, sich auf dem Gipfel des Plateaubergs aufzuhalten. Es war das perfekte "Schneeballwetter".


    Zeit ihres Lebens hatte das "Mädel" einen gesunden Respekt vor den monströsen Schneebällen zurückbehalten, obwohl es mittlerweile mächtigere Bestien bezwungen hatte. Respekt, aber keine Fucht. Konzentriert legte Isimud an und ließ Pfeil um Pfeil auf die Angreifer sausen.
    Wie so oft flohen mehr, als getroffen zu Boden fielen, und weniger als getroffen wurden, brachen durch. War der Schwarm ersteinmal zerstreut, musste sich Isimud selten mit mehr als zwei Exemplaren im Nahkampf herumärgern.
    So zischten auch heute wieder viel mehr Schneeballmonster um Isimud herum, als letzten Endes ernsthaft kämpfen würden. Sie rasten auf den Bogenschützen zu - links vorbei, rechts vorbei, über ihn hinweg und dann wieder an den Seiten vorbei. Isimud fühlte sich ein wenig wie ein exotische Hula-Tänzer, so oft musste er die Hüfte zum Ausweichen schwingen (Dieses Bewegungsmuster hatte zur Wahrnehmung des Anthronen als weiblichem Individuum geführt).
    Isimud schoss weiter Pfeile ab. Als seine Hand zu erlahmen begann, lies er sie kurz sinken, um einen Kampftrank aus dem Tränkegürtel zu lösen, in dem er seine alchemistischen Helferlein organisiert hatte.
    "Ah... au! Kalt! Kalt, kalt, kalt!"
    Isimud riss sich zusammen. Unter äußerster Selbstbeherrschung hob er eine der Fläschchen in Augenhöhe. Ihr Inhalt war gefroren und eine Eiskruste zog sich über das Gefäß. Aus diesem Trank würde so bald niemand einen Nutzen ziehen! Als sei diese Realisierung noch nicht entmutigend genug, sauste ein weiterer Schneeball über Isimuds Kopf hinweg. Seine eisige Aura berührte die Glasflasche, wie schon drei, vier Mal zuvor.
    Deshalb die Scheinangriffe, denen ich so leicht ausweichen konnte! schoss es Isimud durch den Kopf. Diese schlauen Biester wollten meine Kampftränke tiefkühlen!
    Während der Kämpfer noch überlegte, wie hoch der Wasseranteil in der Lösung sein würde und ob er sich Sorgen machen müsse, flog erneut ein Schneeball eine Attacke. Durch die mehrfachen Abkühlungen spröde bis zum Äußersten geworden zersprang das Fläschchen in der Hand seines Besitzers.
    Isimud kniff im Reflex die Augen zusammen. Splitter drangen in seine von der Kälte aufgesprungenen Lippen und die Wangen ein.


    Kein Kampftrank mehr und als Seitenwaffe trug er lediglich ein brüchiges Holzschwert bei sich, das für den Kampf gegen Riesenwürmer zurechtgefeilt war. Zum ersten Mal seit langer Zeit konnte sich Isimud nicht sicher sein, einen Kampf lediglich mit ein paar leicht zu verarztenden Blessuren zu überstehen. Echtes Blut würde fließen und das Überstehen, nun, das war alles andere als sicher.
    Seine Gegner wussten das. Wieder und wieder bedrängten sie den Zweibeiner, der nicht in ihre Welt gehörte. Isimud begann zu Laufen. Er rannte nicht nur um sein Leben, sondern versuchte, die Monster so weit wie möglich vom Bergwerk fort zu lotsten.
    Nach einer Weile begriff er, dass nicht mehr er die Richtung vorgabg. Die Schneebälle drängten ihn auf ein bestimmtes Ziel zu.
    Obwohl Isimud daraus schlussfolgerte, dass sich sein Leben nicht in unmittelbarer Gefahr befand, zogen sich seine Eingeweide doch zusammen.
    Sein Herz pochte, sein Atem ging stoßweise und unter seinem Fellmantel war er rettungslos durchgeschwitzt. Bevor der Zweibeiner zusammenbrechen konnte, erlaubten ihm die Schneebälle, langsamer zu gehen. Sie zwangen ihr Opfer weiterhin in eine bestimmte Richtung und Isimuds einziger Trost bestand darin, dass ihr Weg nicht zur Kupfermine und den Menschen dort führte.
    Er war nun ein Gefangener der grausamen Bösen Schnebälle. Sie mochten Isimud wer weiß wie foltern, bevor er sie langweilte und wenn die Simkeaner später die Geschichte seines Ablebens durch "Böse Schneebälle" erzählten, würde es auch noch albern klingen.
    Na, phantastisch.

  • Seine Häscher führten Isimud zu der großen Schneewehe, die dem Gebirgsreisenden bereits bekannt war. Sie schlüpften durch eine Spalte, die niemand, der nicht selbst einer der ihren war, auch nur erahnt hätte. Zuerst sah Isimud gar nichts, spürte nur, dass sich die Gruppe durch eine Art Tunnel bewegte. Der Tunnel öffnete sich in ein kleines Tal, in dem es von Artgenossen der Schneebaallmonster nur so wimmelte.
    Bevor Isimud sich einen besseren Eindruck von seiner Umgebung verschaffen konnte, wurde er zu Boden gestoßen. Unter vielerlei Knüffen und eisgkalten Berührungen vermittelten ihm die Monster, dass er aus der Schneewehe Bälle formen sollte. Sie achteten genau darauf, dass Isimud sich nicht vor seiner Aufgabe drückte oder trödelte. Die Monster waren hellauf begeistert, als sie sahen, wie geschickt sich ihr Gefangener bei seiner Arbeit anstellte. Jeder neu geformte unbelebte Schneeball, den Isimud formte und auf einen Haufen stapelte, wurde mit frenetischem Jubel begrüßt.
    Wie musste der Gefangene das verstehen? Pflanzten sich die Bösen Schneebälle etwa auf diese Art fort? Bedeutete das, dass Isimud gerade bei der Vermehrung der Monster Hand anlegte?! Dem Gedanken wohnte etwas latent Unanständiges inne, fand der Engelsabkömmling. Als einziger seinerihrer Art, rechnete ersie ja schon damit, das erste Mal mit einem "Fremdwesen" zu erleben, aber ausgerechnet mit einem Bösen Schneeball? Hallo? Das war dann doch etwas zu skurill für seinenihren Geschmack.


    Höher und höher wuchs der Schneeballberg und die belebten Exemplare schwirrten voller Vorfreude um ihn herum. Endlich hatten sich genug Bälle angesammelt und die Monster erlaubten ihrem Gefangenen, eine Pause einzulegen. Eines der Wesen stuppste Isimud an. Erst nach mehreren eisigkalten Schlägen begriff dieser, dass er seinen Getränkevorrat öffnen sollte. Bevor der Gefangene einen Schluck nehmen konnte, brachten zwei der Bösen Schneebälle eine große Tonschale unter dem Schneehaufen hervor. Isimud erkannte das Muster darauf sofort wieder, denn er hatte schon oft Scherben dieser Art im Gebirge gefunden. Nun wusste er also, wo sie herkamen. Und nun begriff er auch, dass er ganz und gar nicht an der Vermehrung der Art beteilgt war, sondern dass von ihm erwartet wurde, Speiseeis aus den vorbereiteten Bällchen herzustellen! Offenbar schätzten die Monster Eis ebenso als Delikatesse wie es die Trenter taten. Unter den wachen Augen seiner Peiniger musste Isimud seine Apfel- und Blaubeersäfte zu Nahrung für die Monster verarbeiten.
    Es hätte nicht viel gefehlt und er hätte bitterlich geweint. Nicht vor Kälte, aus Hunger oder vor Angst, sondern aufgrund der mit seiner Lage einhergehenden Demütigung.
    :essen: Küchensklave der Bösen Schneebälle! Wie tief konnte man eigentlich noch sinken? :help:

  • Unterdessen in Trent:


    "Diese flatterhafte Gans!" schimpfte Camulos von Noröm.
    Es war normalerweise nicht die Art des Kriegerveteranen, zu fluchen oder sich lautstark gehen zu lassen. Doch an diesem Tag musste er seinem Ärger einmal in dieser Weise Luft machen.
    "Erst große Töne spucken und sich dann aus dem Staub machen! Was glaubt sie eigentlich, wer sie ist?"
    Objekt der Tirade war die Jungkriegerin Isimud Urkart. Dem Beispiel Lady Sharinas folgend hatte sich Camulos angewöhnt, von dem männlich-weiblichen Wesen als einer "sie" zu denken, wenn sie einen Rock trug, und ihn als einen "er" zu betrachten, stand er in Hosen vor ihm.
    Aber Ismud stand weder im Rock, noch in der Hose und auch nicht nackt im Monument. Sie war nicht mal in der Stadt, dabei hatte sie doch versprochen, sich den Dezember über um die Sicherheit der Straßen kümmern zu wollen.
    Wie jeden Winter eigentlich.
    Doch in diesem Jahr schien Isimud ihr Versprechen vergessen zu haben. Womöglich jagte sie Okro den Wilden, machte ihn unnötigerweise wütend, stocherte ihn gar aus seinem Versteck und brachte damit Unheil über Simkea!
    "Sähe ihr ähnlich..." Camulos schüttelte den Kopf. Er wusste, dass er gerade ungerecht zu der Kriegerin gewesen war. So ein Verhalten sah ihr nicht ähnlich und gerade deswegen hatte ihre Dienstverweigerung Isimuds Vorgesetzten so schmerzlich getroffen.
    Ist dieses Isimud unsterblich? Unzerstörbar gar?
    Camulos fuhr herum. Wer da gesprochen hatte, lies sich "Illium" nennen. Drei Kugeln blinkten in den drei Grundfarben, aus denen alle anderen bestanden: Rot, Grün und Blau. Die Kugeln bildeten ein einziges Lebewesen... Wesen... Kollektiv... was auch immer. Eine sich ihrer selbst bewusste Präsenz traf es wohl am Besten.
    Camulos hatte sich längst an die Art des Illiums, sich auszudrücken, gewöhnt. "Nein, natürlich nicht!" antwortete er daher allein indem er sich auf den Sachverhalt konzentrierte. Selbst Worte waren unnötig und Camulos glaubte sogar zu verstehen, dass sich das Illium von der Pseudo-Regelhaftigkeit einer lebendigen Sprache gelinde abgestoßen fühlte.
    Dann ist es vernünftig, anzunehmen, dass dem Isimud etwas zugestoßen ist, erklärte Illium.
    "Sie drückt sich nur vor ihren Pflichten!" beharrte Camulos.
    Fasziniert verharrte Illium an Ort und Stelle. Lediglich die ihm innewohnende natürliche Schwingung lies sich nicht abstellen.
    Pflichtgefühl... Das war faszinierend! Konnte es sein, dass in diesem chaotischen Gebilde aus Holz und Stein eine Art Proto-Ordnung existierte?
    Holz und Stein bestanden ja wie alles aus denselben Atomen, die ehernen Gesetzen unterlagen.
    Illium meditierte über diesen Sachverhalt, während Camulos weiterbrummelte. Angesichts des ungewohnten Verhaltens des Menschenwesens schloss die Kugeleinheit auch gleich Betrachtungen über die systemstärkende Wirkung von Ausnahmezuständen mit ein. Das waren leichte, oberflächliche Gedanken, die dem dem sanften Schneefall draußen vor den Fenstern des Monuments angemessen waren.
    Alles passte zusammen, alles hatte seine Ordnung...


    Im Adoragebirge, in dem Versteck hinter der Schneewehe, bestand die Ordnung aus den Anweisungen der Bösen Schneebälle an ihre Küchemmagd und der Schnee fiel zwar auch, doch alles andere als sanft. Isimud fror und schwitzte gleichzeitig. Der Gefangene fürchtete, sich eine Erkältung zugezogen zu haben.
    "Es muss schon beinahe Dezember sein", dachte er. "Jetzt hängen sie in Trent die Kalender über dem Kamin auf... Hätte nie gedacht, die Stadt einmal derartig zu vermissen..."

  • Die bösen Schneebälle hatten sich einen neuen Einsatzzweck für ihren Gefangenen einfallen lassen: Er musste nun ihre Jungen hüten.
    Rasch hatte Isimud gelernt, dass die Schneeballkinder auf Musik reagierten. Weniger auf Wiegenlieder, ruhig zu bekommen waren sie nun wirklich nicht. Aber in einem Moment der Verzweiflung hatte der Gefangene ein Weihnachtslied angestimmt: Schneeflöcken, Weißröcken. Vermutlich ein Fehler, denn nun verlangten die Bällchen das Lied mehrfach am Tag von Isimud. Immer, wenn er bei "werfen den Ball" angekommen war, stürzten sich die Schneebälle von allen Seiten auf den unfreiwilligen Babysitter.
    "Ich will nach Hause!" wimmerte der einst so stolze Krieger wie ein kleines Kind. "Ganz nach Hause!" Zu Mutter und Vater, dem Zwilling und den beiden Rittern, die den Kindern als Leibwächter gedient hatten.
    In einem Moment höchster Verzweifling schrie Isimud: "Ich will zurück nach Hause nach Noröm!"
    Im nächsten Moment schlug er sich die Hand vor den Mund. Nein, natürlich wollte er nicht dorthin zurück! Das Land der Dunkelheit (anders hatte er seine Heimat nie kennegelernt) vermisste er nicht, wohl aber die Geborgenheit im Kreis der Familie. Im Kreis seiner Nekromanten/Sklavenhalter/Dunkle Krieger Familie...
    "Erinnerst du dich noch an eure Diener? Die versklavten Menschen, Hobbits und Entlinge? Du hast für wenige Wochen durchgemacht, was diese erleiden mussten. Aber nun ist es gut, die Schuld ist abgetragen."
    Wer hatte da gesprochen? Und warum war es plötzlich überhaupt nicht mehr kalt?
    Die Schneeballjungen waren verschwunden und mit ihnen der Schnee, das Gebirge, ja selbst der Himmel. Isimud schwebte in einem hell erleuchteten... hm, Raum.
    "Muss ich sterben? Als ich sagte, ich wolle nach Hause, da meinte ich nicht ganz zurück ins Licht..."
    "Nein", erwiderte die Stimme. "Du musst dir nur über etwas klar werden."
    Na toll. Denken zählte nicht unbedingt zu den Stärken des Bergmann/Monsterjägers. Wenn sein Überleben von seinem Verstand abhing, konnte er gleich das Handtuch werfen. Glücklicherweise schien eine Anleitung zu existieren, an die man sich halten konnte, denn die Stimme sprach weiter. Doch was sie sagte, ergab nicht unbedingt Sinn für Isimud:
    "Dein bisheriges Leben war eine Folge von Reaktionen auf äußere Umstände. Zuerst haben andere für dich geplant. Dann glaubtest du, frei zu sein, obwohl in Wahrheit deine Vergangenheit deine Entscheidungen diktierte. Es wird Zeit, in dich hineinzuhorchen und den Weg zu ergründen, den du ganz aus dir heraus beschreiten möchtest." Die Stimme schien zu kichern, als sie ergänzte: "Du wirst ein wenig überrascht sein, was du findest."
    "Nehmen wir mal an - wirklich nur mal angenommen! - mir würde das Selbstfinden und so schwer fallen. Würdest du mich trotzdem schon vor den fiesen Schneebällen retten?"
    Nun lachte die Stimme glockenhell! "Aber das habe ich doch schon! Du bist unter der letzten Attacke der Jungen ohnmächtig geworden. Deine Bewacher halten dich für tot und haben dich aus ihrem Versteck geworfen. Es wird nicht lange dauern, bis dich jemand findet. Sie sind bereits unterwegs, wissen aber natürlich nicht, dass sie gleich über dich stolpern werden."
    "Hm. Und du bist nochmal wer...?"
    Eine Weile schwieg die Präsenz - hatte Isimud sie beleidigt? Als das Wesen antwortete, wählte es seine Worte mit Bedacht und sprach sie leise, beinahe wispernd aus: "Du hast dir doch gewünscht, deine Familie wiederzusehen, Isimud. Du kannst mich dir als einen sehr alten Verwandten vorstellen."

  • Drei Monate waren seit Isimuds Gefangenschaft bei den Bösen Schneebällen ins Land gegangen. Drei Monate, die er in halb bewussten Zustand auf dem Krankenlager verbracht hatte. Wer seinen Körper im Gebirge gefunden und nach Trent gebracht hatte, wusste der Krieger nicht. Es hatte ohnehin schon mehrere Wochen gedauert, bis er überhaupt realisierte, sich wieder daheim zu befinden.
    Isimuds Vision in den Bergen folgten Alpträume, denn das Fieber hielt ihn lange in seinen Klauen. Das Erwachen war nicht viel besser. Zum einen blieb er ans Bett gefesselt und zum anderen verriet ein Blick auf den Kalender, dass Reto die Hälfte von Isimuds Weihnachtsstrümpfen wieder abgeräumt hatte, der Weihnachtsmann die Geschenke wieder mitgenommen und das für die eigenen Geschenke gedachte Papier im Lager langsam Staub ansetzte.
    Lediglich einmal während des Winters ging es dem Kranken gut genug gegangen, um ins Freie zu wanken. Da Isimud nahe am Stadttor wohnte, schaute er den Reisenden bei deren Kommen und gehen zu und wie durch einen glücklichen Zufall erwischte er dabei Klara, bevor diese die Stadt verlassen konnte. Die Weihnachtselfe händigte Isimud seinen Pin aus. Sie legte gleich noch einen Punsch und einen leicht hart gewordenen Christstolen dazu, als sie des jämmerlichen Anblicks gewwahr wurde, den der Simkeaner da bot.
    Doch Isimud bezahlte seinen Ausflug mit einer Verlängerung seiner Bettruhe. Anstatt Fieberträume plagten ihn nun Husten, Schnupfen und stechende Schmerzen im Brustkorb.
    Erst lange nach seiner Rettung, in der zweiten Märzenwoche, kehrten die Lebensgeister zurück.
    Isimud verließ das Bett und kramte alles zusammen, was er für eine längere Expedition ins Umland benötigen würde. Vorerst war an derartige Reisen natürlich nicht zu denken. Der weiteste Weg, den der Gesende sich zutraute, würde ihn zum Markt führen, um einen neuen Eiszauberstab zu erwerben.
    Und selbst das nicht heute!


    Isimud warf sich einen Mantel über und öffnete die Haustür. Das Wetter war mild genug, doch wollten ihm seine Beine noch nicht wieder gehorchen, vom Schwertarm ganz zu schweigen. Er überquerte die Straße, um sich in der benachbarten Herberge einen Kräutertee zu bestellen und die neusten Gerüchte aufzuschnappen.
    Als die heißen Dämpfe seinen gequälten Atemwegen Linderung verschafften und sich wohlige Wärme in Isimuds Körper ausbreitete, griff er in seine Gürteltasche. Eine alte Holzflöte kam zum Vorschein. Skeptisch betrachtete Isimud das Instrument, das ihn an die entlegensten Orte begleitet hatte. Ob er es bereits wieder wagen konnte, ihm Töne zu entlocken? Zögerlich hob er die Flöte an die Lippen. Kaum erklangen die ersten Töne, da begannen die Herbergsgäste zu kichern. Denn Isimud befand sich aufgrund der verschlafenen Zeit gedanklich noch immer mitten in der Weihnachtszeit, nur wollte seine Darbietung von "Schneeflöckchen, Weißröckchen" nicht so recht in den März passen...

  • Das alles war vor beinahe exakt einem Jahr geschehen. In diesen zwölf Monaten hatte sich Isimuds Leben geändert. Nicht mehr Kämpfe, sondern die Beschäftigung mit der Musik standen nun für den noch immer jungen, wenngleich nicht mehr jugendlichen, Krieger im Vordergrund.
    Doch von dieser neu entdeckten Berufung einmal abgesehen, blieb Isimud im Grunde seines Wesens derselbe. Und das bedeutete: Seine Gedanken folgten leicht anderen Pfaden als die eines Menschen.


    Erstens: Er wollte das Flöten- und Lautespielen erlernen.
    Zweitens: Natürlich wollte Isimud gut in seiner neuen Tätigkeit sein, denn sonst lohnte es sich Isis Meinung nach gar nicht erst, sie zu beginnen.
    Drittens: Momentan war er alles andere als gut.
    Viertens: Und das war peinlich.
    Fünftens: Um jegliche öffentliche Beschämung zu vermeiden, empfahl es sich daher, nur dann zu üben, wenn kein Trenter mehr zuhörte.
    Sechstens: Also Nachts.
    Siebtens: Wenn alle schliefen.


    Dass seine Logik einen kleinen Fehler aufwies, wurde Isimud klar, als der erste Nachttopf von nebenan geflogen kam.

  • Toll geschrieben, das animiert mich selbsts mal was zu versuchen , echt wahr!
    Was ich als störend empfand war anfangs der Hinweis auf die chronoloogische Reihenfolge:
    Da hab ich versucht dort zuerst zu lesen, was mich hoffnungslos durcheinanderbrachte!!!


    Vom Fluss her würde ich das wegstreichen und dafür nur die Rückblenden ein wenig kennzeichenen.
    (machst du ja eh:) SO oder soo; Chrrr outet sich hiermit als Fan!

  • Danke, chrr, das war hilfreich! Da habe ich offensichtlich in dem Versuch, den Thread aufzuräumen erst recht Verwirrung gestiftet.
    Habe den Einstiegstext jetzt neu gestaltet.


    Da bin ich ja mal auf chrrs Chronik gespannt, vor allem wenn sie in-character geschrieben würde. Ich lese immer gern Ichperspektive, weil ich selber dazu neige, als allwissender Erzähler zu kommentieren und zu urteilen. Da mag ich als Leser komischerweise genau das Gegenteil von meinen eigenen Schreibgewohnheiten.

  • OOC: Himmelarschundwolkenbruch, da lungert doch so ein Vieh direkt vor meiner Haustür rum.
    Ein Stufe Siebener Blauer Tschätt, und das ausgerechnet wo man a) ein Jahr Spielpause gemacht hat und dem Teil nicht im Mindesten gewachsen ist und b) doch eigentlich mit dem Kämpfen aufhören wollte. Und natürlich kam´s wie´s kommen musste, ich musste dem Burschen eine vor den Latz knallen und einen Kampftrank opfern, um mir die Genugtuung zu verschaffen, seinen Zustand zumindest auf Blau gebracht zu haben.
    Hilft natürlich nichts, das Viech steht immer noch da. Blauer Tschätt mit blauer Zustandsanzeige, irgendwie schon künstlerisch wertvoll.

    Seit kurzem zierte eine in Ehren verbeulte Ritterrüstung die ein mal zwei Meter messende Nische, die Isimud als seinen Hausflur bezeichnete.
    Besucher (sowie der Hausherr selbst) passten gerade so an dem Monstrum vorbei, ohne sich auszurenken müssen.
    Mit der Rüstung hatte es eine besonder Bewandnis: Nicht durch kriegerische Taten, sondern tatkräftiges Zupacken an diversen städtischen Baustellen hatte Isimud sich sein neustes "Möbelstück" verdient. Natürlich hatte die Rüstung selbst einem Krieger dereinst in der Schlacht gedient, doch waren diese Kämpfe sowie auch der Name des urprünglichen Besitzers längst vergessen. Aus diesem Grund stellte die Rüstung das perfekte Symbol für Isimuds neuen Lebensstil dar, in dem Kämpfe hinter ihm liegen sollten.
    Auf einem Sitzkissen gleich hinter dem kleinen Flur pflegte der Hausherr sein Frühstück einzunehmen. In der Regel bestand es aus einem dick gebutterten Croissant mit einer großen Kugel Eis und dazu einem Becher Wasser. Nur wer genau hinsah (oder roch), dem fiel auf, dass es sich bei dem vermeintlichen Brunnenwasser an so manchem Morgen um eine Portion Kampftrank handelte. Denn obwohl sich der Hausherr nicht mehr als Vollzeitkämpfer betrachtete, war und blieb er natürlich ein aktives Mitglied der Bürgerwehr. Seine Reisen ins Gebirge, wo er seinen Lebensunterhalt in Mine und Steinbruch verdiente, mussten wie bei allen Mitgliedern mit dem Einsatzplan abgestimmt werden.
    Wenn dabei die Arbeit vorging, nahm es auch niemand krumm, denn um ehrlich zu sein benötigte Trent seine Miliz nicht wirklich.


    Allenfalls gab es einem Gelben Tschätt eine Ordnungsstrafe aufzubrummen, wenn er wieder einmal durch Taschenspielertrick einen Bürger sprachlos gemacht und sich während des kurzen Moments des Erstaunes an dessen Geldbeutel zu schaffen gemacht hatte.
    Grüne Tschätts wirkten schon bedrohlicher, zumal sie ihre Gegner gezielt zu Kämpfen zu provozieren suchten. War wieder einmal jemand in Schlagloch getreten, der Grüne Tschätt musste es voller Schadenfreude für sämtliche Umstehenden hinausposaunen. Doch auch hier war die Gefahr für Leib und Leben geringer als die für die eigene Würde, denn die (zugegeben furchteinflößend monsterhaft aussehenden) Kreaturen taten nie von sich aus den ersten Schlag. Jedenfalls nicht gegen Menschen(ähnliche). Unter den ihren nahmen die Grünpelze die Rolle von Hauptleuten ein, die schon auch schon einmal einen Gelbpelz mit dem Kopf gegen die nächste Mauer rammten, wenn dieser aufmuckte oder mit seinem Schutzgeld in Verzug war. Ironischerweise trugen die Grünen Tschätts damit das ihre zur Aufrechterhaltung der Ordnung in Trent bei, ja, viele Bürger hätten sogar behauptet, dass das Leben in Trent ohne ihre Anwesenheit viel weniger unterhaltsam sei.


    Gab es keine Tschätts auszutricksen, durfte ein Milizmann ab und zu eine fette Kellerratte mit einem gezielten Keulenhieb davon abzuhalten, Nachbars Hühner zu fressen:
    [Blockierte Grafik: http://41.media.tumblr.com/c0e2eaf70b0322dea7aa655e0a5e0733/tumblr_nn23coVVCV1t1fm14o1_250.jpg]
    Man musste das Biest nicht einmal treffen, ein bedrohlicher Rummser aufs Straßenpflaster (oder in den Matsch einer Seitengasse) genügte bereits, um das Tier quiekend im nächsten Loch verschwinden zu sehen. Oft genug erlitten die Hühner dabei den größeren Schrecken als die Ratte. Wenn sie dann verschreckt aufflatterten, sammelte Isimud die verlorenen Hühnerdaunen als seinen verdienten Lohn ein.


    So und nicht anders war es stets gewesen, seit sich die "Monster" in Trent angesiedelt hatten.


    Doch nichts blieb für immer, wie es war...

  • OOC: Der Unbekannte, der sich meines Tschätt-Problems angenommen hat, darf sich mal ganz doll geknuddelt fühlen :thumbsup:
    Ein längeres Update dazu ist in Vorbereitung.

  • Tagein, tagaus nur Wasser und Kampftrank, nein, das wollte auf Dauer nicht schmecken.
    Und da das Aufklauben von "Fallobst" an den Marktständen sich für einen mittlerweile alteingesessenen Bürger Trents nicht mehr schickte, schnallte sich Isimud einen Weidenkrob um, um frische Äpfel und Beeren im Umland zu pflücken, die er anschließend gegen Säfte einzutasuchen gedachte. Diese Körbe flocht er mittlerweile mit einigem Geschick. Genaugenommen war die Handlung zur Routine geworden. Ein magischer Ring um Isimuds Finger erhöhte zudem sein Fingerspitzengefühl, zumindest, was die Pflanzenkunde anging. Dem geruhsamen Obstpflücken für den Eigenbedarf stand also nichts im Wege.


    Nun also mit sämtlichen Sammelutensilien ausgestattet, verließ Isimud sein Häuschen in aller Früh. Er schlenderte die Küchenmeister-Gasse hinunter und trat an deren Ende auf die von West nach Ost verlaufende Straße, die zum Stadttor führte.
    Doch was war das? Etwas leuchtete blau, als hätten die Beeren beschlossen, dem Sammler entgegenzukommen.
    Isimud blinzelte. Das blaue Dingsda bewegte sich... und sah die Silouette nicht seltsam vertraut aus?


    "Na du?" sprach ihn jemand aus luftiger Höhe an. "Du bist doch einer von den Wachleuten! Passt du auch schön auf die Stadt auf?"
    "Ich..."
    Bevor der Krieger in aller Ernsthaftigkeit dazu übergehen konnte, was zu seinen Aufgaben gehörte und was nicht, hatte ihn sein Gegenüber bereits gepackt und in den Schwitzkasten genommen. Nun zwischen zwei kräftigen, dicht mit blauem Pelz behaarten Armen zappelnd, gab es für Isimud keinen Zweifel mehr: Er war einem weiteren Vertreter der Tschättmonster in die Fänge gelaufen. Nur war dieses hier riesig!
    So hoch gewachsen wie ein Mensch und nochmal ein halber dazu!


    Himmel hilf! Was heutzutage alles in Trent herumläuft... Die nächste Stufe ist dann wohl schwarz und haushoch!


    Isimud rappelte im Griff seines Gegners. Hilflos schlug er auf das Monster ein, das die Rempler nicht einmal zu spüren schien.
    "Na, dann will ich dich mal nicht länger aufhalten", erklärte der Blaue Tschätt höhnisch.
    Er versetzte seinem Gefangenen eine Kopfnuss und schleuderte ihn zurück in die Gasse, aus der er gekommen war.
    "Am besten, du gehst gleich ganz nach Hause und bleibst drinnen!" rief er seinem gebeutelten Opfer nach. "Ist besser für deine Sicherheit - und für die deiner Kämpferfreunde! Diese Straße gehört jetzt uns!"


    So leicht lies sich Isimud nicht einschüchtern. Er trat erneut einen Schritt auf das Monster zu.
    Doch dieses streckte nur einmal lässig seinen Arm aus, und stieß den Menschling gegen die nächstbeste Hausmauer. Lediglich die Kiepe zwischen seinem Rücken und der Steinmauer verhinderte Schlimmeres - dafür war der Korb nun beinahe hin. Lange würde sie nicht mehr zum Sammeln taugen, soviel war klar. Und Isimud selbst fühlte sich auch nicht viel besser als der Korb, obwohl sein morgendlicher Schluck Kampftrank das Schlimmste verhindert hatte. Lediglich ein paar Schürfwunden hatte er sich zugezogen. Einem weiteren, dann womöglich nicht mehr "spielerischen" Hieb jedoch hatte er nichts entgegenzusetzen.
    Zwischen zusammengebissenen Zähnen einen Fluch murmelnd, zog sich Isimud in sein Haus zurück.
    "Und mach die Tür fest hinter dir zu, kleiner Stadtwächter!" lachte der Blaupelz.
    Isimud ballte seine Finger zur Faust. "Ja, ich bin wieder da, glotzt nicht so!" herrschte er seine Fische an, die in einer speziellen, abgedichteten Vitrine ihre Kreise zogen. Der kleine Wutausbruch bereitete keine Genugtuung.


    Isimud inspizierte seinen ramponierten Korb, fand ihn zumindest noch einem einzigen Ausflug gewachsen und nickte grimmig. Dann machte er sich daran, seine Ausrüstung zu vervollständigen.
    Nach kurzer Zeit trat der Sammler erneut auf die Straße, diesmal jedoch angetan mit Kettenhemd, Kettenhaube und Langschwert!
    "Nanu, Isi? Wo willst denn du hin in dieser Aufmachung?" erkundigte sich ein Nachbar.
    "Blaubeeren pflücken!" erwiderte der entschlossene Sammler.
    "Ach, herrje!" Der Mann wiegte seinen Kopf. "Ich habe ja gehört, dass das keine leichte Arbeit sein soll, aber dass man dazu eine Vollrüstung benötigt... ne, ne, da bleibe ich lieber bei meinem Gärtchen hinterm Haus. Übrigens, Isi, deine Schafe haben sich sich schon wieder an meinen Johannisbeersträuchern gütlich getan. Wenn du weiterhin Beeren von meinen Büschen stibitzen möchtest, solltest du deine Tiere besser erziehen!"
    Doch nach Scherzen war es dem Beerendieb gerade nicht zumute. Er lies den Mann nach einem knappen Gruß einfach stehen.
    "Mann, Mann", hörte er den Nachbarn in seinem Rücken murmeln, als er die Gasser verlies. "Das mit den Blaaubeeren muss wirklich ein hartes Geschäft sein, wenn er nicht mal Zeit für ein nettes Geplauder hat..."